Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Verwaltungsspitze zieht nach der Lockerung des Shutdown Bilanz des bisherigen Corona-Geschehens. Und fordert schnelle Finanzhilfe.
Es war die erste Pressekonferenz der Stadt seit der Kontaktsperre und die allererste mit allen Mitgliedern des Verwaltungsvorstands. „Ich bin seit 16 Jahren Oberbürgermeister, aber das gab es noch nie. Aber eine solche Situation gab es ja auch nie“, erklärte Frank Baranowski zur Eröffnung. Es geht um eine erste Bilanz, aber auch um einen Ausblick.
OB klagt über holprige Erlasse und extrem wenig Vorlaufzeit
Die Verwaltung auf allen Ebenen, aber auch viele „andere Beteiligte wie Kliniken, ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen haben diese einzigartige Krisensituation gut beherrscht. Trotz holpriger Erlasse. Und auch, wenn diese Erlasse erst am Freitagabend bei uns eingingen und am Montag umzusetzen waren“, urteilt Baranowski in der Rückschau. „Dabei haben weder Frau Merkel noch der Ministerpräsident dafür gesorgt, dass vor Ort Desinfektionsmittel und Masken sind. Dafür haben wir in der Kommune gesorgt. Das bewegte sich manches Mal an der Grenze zur Zumutung“; erklärt der Verwaltungschef. Eine klare Leitlinie für alle bei der Umsetzung der Vorgaben sei gewesen: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
In der Pandemie seien die Abläufe wie schon in der Flüchtlingskrise: Die Kommunen müssen alles umsetzen. „In Krisen wird deutlich, wie systemrelevant Kommunen sind. Das Funktionieren von Kommunen hat aber Bedingungen“ mahnt der OB in Richtung Düsseldorf und Berlin, beim Ausbreiten von Schutzschirmen die Handlungsfähigkeit und hohen Belastungen der Kommunen im Blick zu halten. „Wir wollen nicht über Sparorgien bei den Städten nachdenken!“
Karin Welge, Kämmerin und Krisenstabsleiterin
Stadtdirektorin und Kämmerin Karin Welge mahnt ebenfalls: „Kommunen finanzieren sich durch Steuereinnahmen. Dabei verzeichnen wir enorme Einbrüche. Wir brauchen innerhalb der nächsten Wochen echte Hilfen, keine einfachen Umbuchungen. Wir überbelasteten Kommunen brauchen einen Ausgleich. Kommunen sind die Garanten für das Funktionieren von Gesellschaften.“ In den letzten Wochen war sie zudem Leiterin des Krisenstabs, gemeinsam mit Luidger Wolterhoff. Ein besonders heikler Punkt bei der Koordination der Maßnahmen: „Die Kommunikation so verlässlich wie möglich zu halten angesichts der Informationsflut“, zumal manche Verordnung nicht wirklich eindeutig sei.
Christopher Schmitt, Dezernent für Sicherheit und Ordnung, Wirtschaftsförderung und Bürgerservice
Die 40 Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes, der Christopher Schmitt als Dezernent untersteht, mussten sich auf komplett neue Aufgaben einstellen und Schichtdienst umstellen. Insgesamt 800 Ordnungswidrigkeiten in Bezug auf die Corona-Regeln wurden registriert, täglich gehen in der Leitstelle 200 Anrufe von Bürgern mit Meldung zu Verstößen und Fragen ein. Außerdem habe der geringere Verkehr zu höherem Tempo und somit Kontrollbedarf derjenigen geführt, die motorisiert unterwegs waren, resümiert der Dezernent. Die Wirtschaftsförderung habe ein Netz aufgebaut mit IHK, Arbeitsagentur und weiteren Beteiligten, um die Schieflage von Betrieben durch den Lockdown besser abzufedern. Der Bereich Gelsendienste sei besonders gefordert durch das Sicherheitsbackup für Quarantänefälle und den hohen Reinigungsaufwand in den Schulen.. Aber auch eine gute Nachricht hat Schmitt im Gepäck: Vom Mittwoch, 13. Mai, an, dürfen Brautpaare bis zu acht Gäste mit ins Standesamt bringen.
Annette Berg, Dezernentin für Bildung, Kultur, Sport, Jugend und Integration
Den Bildungs- und Betreuungsbereich trafen die kurzfristig umzusetzenden Verordnungen besonders hart. Notbetreuung in Schulen und Kitas mit tageweisen neuen Hinweisen bedeuteten für das Team und die Schulleitungen häufig Nachtschichten. 900 Kita-Kinder werden aktuell notbetreut – es war dem Team früh besonderes Anliegen, benachteiligte Kinder auch ohne systemrelevante Eltern in Betreuung zu holen. Ab 28. Mai kommen alle 1400 Vorschulkinder in die Kitas zurück. Alle anderen werden vor den Sommerferien nur je zwei Tage insgesamt in die Kita können. In Schulen werden derzeit 350 Kinder in 103 Gruppen notbetreut, die Zahl der Schüler im Präsenzunterricht steigt nahezu täglich. Für Kurzweil daheim sorgt eine neue Plattform auf der Gelsenkirchener Homepage: Gelsenkirchen at home.
Luidger Wolterhoff, Soziales und Gesundheit
Die Sicherung ausreichender Behandlungsplätze für schwer Erkrankte, Beschaffung zusätzlicher Beatmungsplätze, Koordination mit Kliniken für verschiedene Pandemie-Szenarien und Erstellung von Notplänen für Extremfälle , in denen etwa die Kapazitäten in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen nicht ausreichen – Luidger Wolterhoff, Dezernent für Soziales und Gesundheit und mit Karin Welge Leiter des Krisenstabs, musste mit dem Schlimmsten rechnen, um im Fall des Falles gewappnet zu sein. Die Pläne sind erarbeitet, versichert er, und bei Bedarf umsetzbar. Mehr Plätze für Notübernachtungen von Obdachlosen zu besonders günstigen Bedingungen sind eingerichtet, Sozialdienstleistungen wurden ebenfalls aufrecht erhalten.
Christian Heidenreich, Stadtbaudezernent
Baudezernent Christian Heidenreich hat seinen Dienst in Gelsenkirchen erst am 1. März angetreten, kennt von daher viele seiner Mitarbeiter bislang nur über Konferenzen aus dem Homeoffice. „Dennoch konnten wir die Zeit nutzen und an Schulen und Kitas, wo keine Notbetreuung lief, Bauarbeiten vorziehen, die für die Sommerferien geplant waren“, ist er froh über den gelungenen „Kaltstart“. In der Bauverwaltung habe man nun Beratungsbüros eingerichtet, um Abstand bei Bürgerbesuchen halten zu können. Deshalb wird bei Anfragen vor Ort um eine Terminabstimmung gebeten.
Dank und Appell zugleich
Oberbürgermeister Baranowski beendete die Krisenkonferenz mit einem Appell. Die allermeisten Bürger seien verantwortungsvoll mit der Situation umgegangen; dafür gebühre auch ihnen Dank und Anerkennung. Angesichts der aktuellen Lockerungen gelte es jedoch, die Regeln weiterhin streng einzuhalten. Je weiter die Lockerungen gehen, desto dichter wird das Regelwerk.
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