Gelsenkirchen. Auch die Taxi-Branche in Gelsenkirchen leidet unter dem grassierenden Coronavirus. Einige Unternehmer bangen sogar um ihre berufliche Existenz.

Weil das öffentliche Leben vermutlich in den nächsten Wochen wegen des Coronavirus nahezu komplett zum Erliegen kommen wird, fürchten auch die hiesigen Taxiunternehmer um ihre Existenz. „Wir sprechen aktuell von einem Umsatzverlust von etwa 70 Prozent“, sagt Erkan Sarial. Er ist Geschäftsführer von Taxi Gelsen, das sich als Unternehmen und Vermittlungszentrale um die Kunden von 60 örtlichen Taxianbietern kümmert.

Sarial beschreibt die Auftragssituation als dramatisch: „An normalen Tagen fällt etwa alle halbe Stunde eine Fahrt an, durch die Corona-Krise warten die Fahrer jetzt drei bis vier Stunden auf einen Auftrag.“ 74 Autos fahren für Taxi Gelsen, auf jedes Fahrzeug kommen mindestens zwei Fahrer. Füge man deren Familien hinzu, treffe der Stillstand im öffentlichen Leben rund 500 Menschen, deren Existenz von den Taxifahrten abhänge, rechnete Sarial vor.

Auch die Zahl der Krankenfahrten ging um die Hälfte zurück

Taxi-Unternehmer Mesut Geme (35) aus Gelsenkirchen beförderte am vergangenen Mittwoch in einer stundenlangen Schicht ganze zwei Kunden. Gesamtumsatz: 25 Euro.
Taxi-Unternehmer Mesut Geme (35) aus Gelsenkirchen beförderte am vergangenen Mittwoch in einer stundenlangen Schicht ganze zwei Kunden. Gesamtumsatz: 25 Euro. © Thomas Richter

„Wir haben bereits mit den Banken über Überbrückungsgelder gesprochen“, sagt der Geschäftsführer. Ab dem 23. März sollen ihm zufolge erste Hilfskredite auf den Weg gebracht werden. Selbst die Zahl der Krankenfahrten sei rückläufig. Diese sind ein wichtiges Standbein für die Taxibranche: Dabei werden Patienten zum Arzt, zur Therapie oder in Krankenhäuser gefahren. „Waren es vor der Corona-Krise in der ganzen Stadt etwa 100 Krankenfahrten pro Tag, so sind es jetzt weniger als die Hälfte“, so Sarial.

Ähnliche Nöte schildert Bilal Öztürk. Der Mann aus Schalke (45) ist seit zehn Jahren Taxi-Unternehmer. „Normalerweise nehme ich 130 bis 200 Euro pro Schicht ein, im Augenblick sind es 50 bis 60 Euro“, sagt er. Und entgegen der Ankündigungen von einer „unkomplizierten Hilfe“ und „Steuerstundungen“ seitens der Landes- und Bundesregierung sei ihm am Donnerstag erst die Kfz-Steuer abgebucht worden. „Und die Einkommenssteuervorauszahlung musste ich am selben Tag auch noch zahlen“, seufzt er. Addiert über 1200 Euro. Von Hilfestellung von Behördenseite fehle bislang jede Spur, klagt er.

Auch interessant

Die Kundschaft sei stark verunsichert, schildert Öztürk. „Die meisten setzen sich freiwillig nach hinten, um den Abstand zu wahren“, sagt Öztürk. Steigt ein Fahrgast am Ziel aus, greift der Unternehmer gleich zum Desinfektionsmittel und reinigt Türgriffe, Gurte und alle anderen Bereiche im Fahrzeuginneren, mit denen der Kunde in Kontakt gekommen sein könnte.

Zwei Fahrten mit 25 Euro Umsatz in einer stundenlangen Schicht

Über 160 Taxen sind in Gelsenkirchen unterwegs. Jeder von ihnen muss laut Vorschrift mindestens 72 Stunden pro Woche auf der Straße sein – selbst in Zeiten des Coronavirus, wenn die Zahl der Fahrgäste deutlich zurückgeht.
Über 160 Taxen sind in Gelsenkirchen unterwegs. Jeder von ihnen muss laut Vorschrift mindestens 72 Stunden pro Woche auf der Straße sein – selbst in Zeiten des Coronavirus, wenn die Zahl der Fahrgäste deutlich zurückgeht. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Ich habe am Mittwoch etliche Stunden gewartet, dann nur zwei Fahrten mit insgesamt 25 Euro Umsatz gemacht“, erzählt Mesut Geme (35) aus Schalke, der seit 2015 ein Taxi und einen Mietwagen sein Eigen nennt. „Wenn es so schlecht weiterläuft, kann ich vielleicht den März noch überbrücken. Aber spätestens im April ist dann meine berufliche Existenz bedroht.“ Geme fährt im Alltag viele Stammkunden zum Düsseldorfer Flughafen, darunter Geschäftsleute, Messebesucher, aber auch Urlauber. „Diese Fahrten fallen im Augenblick komplett weg. Das tut mir am meisten weh“, so Geme.

Über 160 Taxen fahren durch Gelsenkirchen, rund 30 Stände stehen den Kunden als feste Zustiegspunkte zur Verfügung. Naci Nurgün (58) steht am Ausgang des Hauptbahnhofs. „Obwohl im Augenblick so wenig los ist, muss jedes Taxi laut Vorschrift mindestens 72 Stunden pro Woche zur Verfügung stehen. Die meiste Zeit verbringen wir mit dem Warten auf Kunden“, sagt der Taxiunternehmer.

Auch interessant

In Krisenzeiten denkt Taxi Gelsen derzeit über „verbilligte Einkaufsfahrten“ nach, insbesondere für Ältere und Kranke. Zehn bis 15 Euro soll so eine Fahrt kosten, die Waren des täglichen Bedarfs bringt der Taxifahrer dann bis zur Wohnungstür. „Hier steht für uns nicht der Verdienst im Vordergrund“, sagt Sarial, „sondern die Hilfe“.

Apropos Hilfe: Die leistete Bilal Öztürk am Donnerstag mit seinem Taxi. Als er zu einem Auftrag nach Schalke gerufen wurde, stieg eine Hochschwangere in seinen Wagen ein. Bei ihr hatten kurz zuvor die Wehen eingesetzt. Der Taxifahrer brachte die Frau noch rechtzeitig ins Krankenhaus. Eine schöne Abwechslung im derzeit so traurigen Taxi-Alltag.