Gelsenkirchen. In der Corona-Krise steigen die Fallzahlen häuslicher Gewalt, auch in Gelsenkirchen. Warum gerade jetzt auch aufmerksame Nachbarn wichtig sind.

Meist sind es Krisen, die Probleme im Zusammen-, im Familienleben rasch sichtbar machen. In Zeiten der Corona-Pandemie, in der das Gebot gilt, Zuhause zu bleiben, geraten manche Frauen und Kinder immer mehr in Gefahr - als Opfer häuslicher Gewalt. Die Jugendhilfe und die Gleichstellungsstelle der Stadt Gelsenkirchen bitten nun die Wohnungsgesellschaften um Hilfe.

Gelsenkirchen: Stadt bittet um Hilfe im Kampf gegen häusliche Gewalt

Ihr gemeinsamer Appell richtet sich nicht nur an die Wohnungsgesellschaften, sondern vielmehr an deren Mitarbeiter. Sie sollen aufgefordert werden, sämtlichen „Auffälligkeiten, die auf familiäre Gewalt schließen lassen, nachzugehen und direkt zu melden und sich direkt an das Jugendamt zu wenden, wenn Kinder betroffen sind", heißt es in einem Statement der Stadt.

Ganz konkret stellen sich die Gleichstellungsstelle und die Jugendhilfe vor, dass die Wohnungsgesellschaften ihre Mieter gezielt vor Ort sensibilisieren - mit Hilfe von Anschreiben, Flyern, Plakaten, die in den Hausfluren aufgehängt werden. Ein weiterer Vorschlag: Die Gesellschaften könnten das Problem der häuslichen Gewalt auf ihren eigenen Social-Media-Kanälen thematisieren und so auf weitere Beratungshotlines und Ansprechpersonen hinweisen.

Ein Problem, das während der Corona-Krise schleichend wächst

Es ist ein Problem, das während der Krise schleichend und langsam wächst", sagt Dagmar Eckart, Leiterin der Gleichstellungsstelle der Stadt. Das hätten auch Beobachtungen aus anderen Ländern gezeigt. Ein schwieriger Punkt: „dass die Frauen sich derzeit keine Hilfe holen können", so Dagmar Eckart.

Die Situation sei deutlich verschärfter als zu normalen Zeiten. Die Menschen stehen deutlich mehr unter Stress, haben eine Vielzahl an Ängsten und Sorgen. Hinzu komme auch, dass die so genannten Zweitmelder, wie beispielsweise die vertraute Freundin, im Moment durch die Kontaktsperre im Wesentlichen wegfallen würden. Es fehlt derzeit schlicht die Möglichkeit, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.

Nachbarn sind gerade jetzt besonders wichtig

Unter Umständen sind die Nachbarn im engsten Wohnumfeld dann die einzigen Menschen, die etwas von einer möglichen Gefahr für Frauen und Kinder in den Familien wahrnehmen. „Nachbarschaft ist den Opfern häuslicher Gewalt oftmals am nächsten und bekommt sehr früh erste Hinweise und Verdachtsmomente mit", heißt es auch in der Pressemitteilung der Stadt. Und weiter: „Zivilcourage und aktive Hausgemeinschaft können ein klares Zeichen im Kampf gegen häusliche Gewalt setzen."

„Die Frauen trauen sich gar nicht mehr anzurufen", spricht Dagmar Eckart ein sehr drängendes, sehr aktuelles Problem an. Derzeit seien die Fallzahlen demnach auch eher rückläufig. „Sie werden aber eher noch nach oben gehen", ist sich die Stabsstellenleiterin sicher. Sobald es weitere Lockerungen gibt. Aktuell würden die meisten Frauen, die auch in dieser Stadt Opfer häuslicher Gewalt werden, dem Druck nicht entkommen können.

Häusliche Gewalt betrifft alle Schichten, nicht nur die Armen

Übrigens: Das große Problem-Thema häusliche Gewalt betreffe alle Schichten, betont Dagmar Eckart. „Man muss sich von dem Klischee verabschieden, dass häusliche Gewalt nur die Armen trifft", sagt sie. Die Stadt hofft nun, dass ihr Appell auf großes Interesse stößt und viele Rückmeldungen kommen. Sie hofft vor allem aber auch, den Gewaltkreislauf in Familien in Zeiten der Corona-Krise zu unterbrechen.

Hilfe finden Betroffene hier oder unter der Adresse gelsenkirchen.de/soziales auf der Homepage der Stadt.

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