Gelsenkirchen-Erle. In der Corona-Krise ist auch das Gelsenkirchener Tierheim kreativ: Es stellt die Tiere jetzt per Video in einer eigenen Sendung auf Youtube vor.

Willkommen im eigenen Fernsehstudio: In einer großen Box, aus Holzplatten gebaut, stehen in einer Ecke drei Strohballen. Sie dienen den Akteuren als Sitzgelegenheit. Davor ist noch mehr Stroh ausgebreitet. Das ist den tierischen Hauptdarstellern ein bequemer Liegeplatz. Wo sonst Helfer und Besucher bei einer Tasse Kaffee verweilen, haben die Mitarbeiter des Gelsenkirchener Tierheims ein improvisiertes Fernsehstudio aufgebaut. Nahezu täglich entstehen hier Filme, in denen die besten Freunde des Menschen neue Halter suchen – Tiervermittlung in Zeiten von Corona.

Gelsenkirchen: Tierheim stellt seine Bewohner jetzt per Clip auf Youtube vor

Das Verblüffende: Die Vermittlung von Katzen klappe auf diesem Wege sogar deutlich besser als zuvor, erzählt die stellvertretende Tierheimleiterin, Annika Gehrmann. „Dadurch können wir sogar die schwierigen Katzen vermitteln, weil die hier von ihren eigenen Pflegern vorgestellt werden und gleich auch gezeigt wird, wie man mit denen am besten arbeitet.“

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Überhaupt sei dieses neue Format mit dem Titel „Tierheim mal anders“ insgesamt ein Erfolg – zu finden ist sie auf der Video-Plattform Youtube. Ähnlich wie bei der traditionsreichsten Sendung zur Tiervermittlung im Fernsehen wechseln sich hier die Vorstellung der Vierbeiner und Interviews zum Thema ab – immer moderiert von André Allgäuer. Jener wagt vor einigen Wochen den Sprung ins kalte Moderatoren-Wasser. „Es wurde deutlich, dass es ohne nicht funktioniert. Da habe ich das einfach ausprobiert.“

Blind Date in Corona-Zeiten: Passen Mensch und Tier zusammen?

Vor der Corona-Pandemie war das Gelsenkirchener Tierheim eines der wenigen, die innerhalb der Öffnungszeiten besucht werden können. Das ist nun nicht mehr so. Wer in diesen Tagen ein Tier besucht, der hat ein echtes „Blind Date“. Sicher, man hat einen kleinen ersten Eindruck durch ein Bild im Internet oder die Vorstellung in der eigenen Sendung. Dann aber kommt die Bewährungsprobe: Es passt – oder eben nicht.

Das passt: Oliver Warias und seine Tochter Ronja nehmen Caddy aus dem Gelsenkirchener Tierheim heute mit zum Probewohnen.
Das passt: Oliver Warias und seine Tochter Ronja nehmen Caddy aus dem Gelsenkirchener Tierheim heute mit zum Probewohnen. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Bei der Familie Warias und Caddy passt es. Sie nehmen die neunmonatige Hündin heute mit zum Probewohnen. Vor kurzem erst hat die Familie ihren Hund verloren und merkt schnell, es fehlt etwas: „Wir haben uns nicht vollständig gefühlt“, sagt Manuela Warias, die sich zunächst nur im Internet informieren will, dann aber auf der Seite des Tierheims über ein Bild von Caddy „stolpert“. Das spricht sie an.

Es ist ein bisschen wie bei einer Partnerschaftsvermittlung

„Mein Mann hat dann, ohne mir das zu sagen, beim Tierheim angerufen und für den nächsten Tag einen Termin gemacht für ein erstes Treffen.“ Das ist, unter strengen Auflagen, gestattet. Dabei wird die Familie von den Mitarbeitern des Tierheims eng begleitet. Ein bisschen wie bei einer Partnerschaftsvermittlung werden die Suchenden hier zusammen gebracht. Ob es sogar Vorteile hat, nicht selbst durch die Reihen zu gehen und sich dadurch nicht in mehrere Hunde verlieben zu können? „Vielleicht hat es den Vorteil, dass mir nicht das Herz so blutet, die anderen nicht auch nehmen zu können.“

Eigener Youtube-Kanal des Tierheims

Wer in diesen Tagen einem Tierschutz-Tier ein neues Heim geben will, muss sich zuvor telefonisch an das Tierheim wenden. Das ist möglich unter 0209-72241.

Bilder von Tieren finden sich auf der Homepage des Tierheims, zu finden unter der Webadresse tierheim-gelsenkirchen.de. Hier gibt es auch einen Link zum eigenen You Tube-Kanal , über welchen die eigenen Sendungen zu sehen sind.

Das Gesamtkonzept geht auf. „Wider Erwarten läuft es super“, sagt Tierheimleiter Thorsten Wiese. Die Nachfrage sei groß. Ebenso wie die Gefahr, dass Menschen in diesen Tagen Zeit haben für ein Tier, später jedoch nicht mehr. „Das merkt man aber oft schon im ersten Telefonat“, sagt Annika Gehrmann. Außerdem wirke man auf die Interessenten ein, nicht nur der Langeweile wegen ein Tier aufzunehmen. „Es melden sich aber auch viele, die schon lange ein Tier haben wollen und die freie Zeit jetzt nutzen können, um den Übergang und die ersten Wochen im neuen Zuhause bestmöglich zu gestalten.“ Mitunter sogar, um einen kleinen Welpen jetzt stubenrein zu bekommen. Das nämlich kostet viel Zeit.

Melina Münch und Kater Ernesto haben heute ihr zweites Date im Gelsenkirchener Tierheim.
Melina Münch und Kater Ernesto haben heute ihr zweites Date im Gelsenkirchener Tierheim. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Katzenliebhaberin trifft auf ihren neuen Mitbewohner

Melina Münch wünscht sich auch schon lange eine Katze. Eigentlich hätte sie sogar eine. Jedoch fühlte sich ihr Kater in der ersten eigenen Wohnung der jungen Frau nicht wohl und zog gleich wieder ins alte Heim zurück. „Jetzt wird es Zeit“, sagt die Katzenliebhaberin und gibt an, die aktuelle Krise habe den Wunsch nur ein ganz bisschen verstärkt. Dann darf sie hinein ins Katzenhaus, zum zweiten Date mit Kater Ernesto. Vermutlich, verrät André Allgäuer, hätten sich da zwei gefunden. Das sieht auch Mutter Heidi Münch so. Ihre Hoffnung ist nun, „dass Ernesto so schnell wie möglich bei Melina einziehen darf“.