Gelsenkirchen-Buer. Pandemien können unterhaltsam sein – wenn sie zwischen Buchdeckeln und auf dem Spielbrett toben. Gelsenkirchener Händler geben Empfehlungen.
Keine Kinos, kein Theater oder Sport, und die Abende in der Kneipe sind in Corona-Zeiten auch gestrichen: Wem in diesen Tagen die Decke auf den Kopf fällt, wer gar in Quarantäne leben muss, der kann Computer oder Fernsehen heiß laufen lassen – oder etwas völlig Abgefahrenes machen: Lesen zum Beispiel oder per Gesellschaftsspiel in ferne Welten eintauchen. Wobei diese so fremd nicht sein müssen, wie die Tipps von Buchhändlern und dem Brettspielkontor aus dem Stadtnorden zeigen. Denn in diesen Branchen ist die Pandemie schon seit Jahren ein Thema. Ein stark nachgefragtes, versteht sich.
Beim Brettspiel „Pandemic Legacy Season 2“ (Asmodee) etwa gilt es für zwei bis vier Personen ab 14 Jahren, die Welt vor einer gefährlichen Seuche retten. „Mit Hilfe von Karten, Würfeln und gemeinschaftlichem Grips geht es darum, im Team eine Strategie für das Überleben zu entwickeln“, so Janina Reimers vom Brettspielkontor an der Hagenstraße in Buer. Für 68,99 Euro können die Spieler in zwölf Runden à 60 Minuten das Virus austricksen. Wenn’s doch auch mit dem Coronavirus nur so einfach wäre...
Urlaub abgesagt? Dann selbst zum Resort-Chef werden!
Wer seinen Urlaub wegen Covid-19 absagen musste, kann sich in das Spiel „Sun, Sea & Sand“ (Cwali, 29,99 Euro) flüchten, in dem zwei bis vier Erholungssuchende ab zehn Jahren ein eigenes Resort mit Bungalows, Tennisplätzen und jede Menge Komfort bauen müssen. Gefragt ist besonders planerisches Können, um in (knapper) Zeit verschiedenste Gäste mit unterschiedlichen Sonderwünschen unterzubringen. „Das kartenbasierte Strategiespiel mit Brett und Figuren dauert etwa eine Stunde“, so Janina Reimers.
Für Kinder ab drei Jahren haben sie und Helge Coenen etwa „Drache Donnerzahn“ (Haba, 9,99 Euro) im Sortiment, bei dem Kristalle eingesammelt werden müssen und so ganz nebenbei das Zählen und erstes Regelverständnis trainiert wird. „Mädchen haben vielleicht mehr Spaß an ,Einhorn, Glitzerglück - Der Wolkenschatz’, in dem sie Glitzersteinen nachjagen.“
Camus Klassiker „Die Pest“ mal als Hörbuch
Was Pandemien und Menschheitskatastrophen angeht, so hat Dirk Niewöhner, Inhaber der Buchhandlung Kottmann, „Die Pest“ von Albert Camus im Kopf – aber nur als Ausgabe für die Ohren im Regal. „Das Buch ist mittlerweile vergriffen, so aktuell ist die Thematik; das Hörbuch ist aber für 14 Euro erhältlich.“ Im Mittelpunkt steht der Arzt Rieux, der eine Stadt im Ausnahmezustand beschreibt, weil der Schwarze Tod Tausende Opfer fordert: ein Plädoyer für die Solidarität der Menschen im Kampf gegen Tod und Tyrannei.
„Vielleicht lesen die Leute jetzt aber auch endlich die Klassiker, zu denen sie bisher nie gekommen sind. Siegfried Lenz Roman ,Deutschstunde’ etwa“, in dem der Jugendliche Siggi in einer Anstalt für Schwer-Erziehbare einen Aufsatz über „Die Freuden der Pflicht“ schreiben soll. Er blickt zurück auf seine Kindheit in Norddeutschland, wo er 1943 einem Künstler dabei hilft, dessen Bilder vor den Nazis zu verstecken – und sich damit gegen seinen eigenen Vater stellt, der als Polizist das Malverbot überwachen soll.
Ein „Kochbuch für Notfall und Krise“
Auch Thomas Manns „Die Buddenbrooks“ um das Schicksal einer Lübecker Kaufmannsfamilie wünscht Niewöhner mehr Leser sowie den literarischen Vorlagen aktueller Kinofilme, die wegen des Coronavirus derzeit nicht (mehr) gezeigt werden können. „Hermann Hesses ,Narziss und Goldmund’ um die Freundschaft zwischen dem Klosterbruder Narziss und dem Künstler Goldmund ist genauso lesenswert wie Marc-Uwe Klings ,Känguru-Chroniken’ um ein kommunistisches Schaf.“
Und sonst? Empfiehlt er mit einer Portion Galgenhumor das „Kochbuch für Notfall und Krise“ von Ulrich Grasberger. „Es liefert Rezepte für 28 Tage für vier Personen nach den Empfehlungen vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ (Bassermann, 9,99 Euro).
Ratgeber-Bücher sollen helfen, Ängste in den Griff zu bekommen
Um das Kopfkino rund um Corona abzustellen, rät Stefan Isensee von der Buchhandlung Isensee an der Hagenstraße in Buer zu Giulio C. Giacobbes humorvoller Lebenshilfe „Wie Sie Ihre Hirnwichserei abstellen und stattdessen das Leben genießen“ (Goldmann, 7,99 Euro). „Der Psychologieprofessor gibt Tipps, wie man Ängste in den Griff bekommt, fußend auf klassischem buddhistischem Gedankengut“, so Isensee.
Ajahn Brahms Buch „Wie hilft der Bär beim Glücklichsein?“ liefert derweil Fragen und Antworten für den buddhistischen Weg zu einem achtsamen und erfüllten Leben (Lotos, 18 Euro) – Vorschläge für den Umgang mit Ängsten und Depressionen inklusive.