Gelsenkirchen-Buer. Bueranerin leidet am meisten darunter, in den eigenen vier Wänden eingesperrt zu sein. Ihr Ehemann zeigte zuerst Symptome, steckte sie an.
Müde und abgeschlagen fühlte sich ihr Mann. "Kein Wunder", dachte sich die Bueranerin, "er hat ja derzeit viel Stress im Job." Als drei Tage später Fieber und rasende Kopfschmerzen hinzukamen, war das Paar dann doch alarmiert. Ein Test brachte Gewissheit: Der Familienvater war an Corona erkrankt. Und am selben Tag war nichts mehr, wie es war. Sie standen ab sofort unter Quarantäne. "Das ist schlimmer als die Krankheit selbst", so die Mutter, die mittlerweile selbst infiziert ist, nach Wochen der Zwangsklausur.
"Natürlich ist die Quarantäne zum Schutz anderer notwendig. Aber nicht nach draußen zu dürfen, fühlt sich an, als wäre man eingesperrt. Wie im Gefängnis", erzählt die Mutter, die anonym bleiben möchte.
Gelsenkirchenerin litt überhaupt nicht an Husten
Wie sich Covid-19 anfühlt? "Wie eine starke Grippe." Ihr Mann litt unter deutlich heftigeren Symptomen als sie. "Er lag bestimmt eine Woche im Bett, hatte sechs Tage Fieber, schlimme Kopfschmerzen, aber nur etwas Husten. Ich selbst hatte nur einen Abend Fieber und zwei Tage furchtbares Kopfweh." Husten oder gar Atemprobleme seien bei ihr überhaupt nicht aufgetreten, der häufig beschriebene Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns aber sehr wohl. "Mit diesen Symptomen wäre ich Anfang des Jahres noch nicht mal zum Arzt gegangen. Da frage ich mich schon, wie viele das Virus womöglich schon gehabt haben mögen, ohne es zu wissen."
Die Fernsehbilder von Corona-Patienten an Beatmungsmaschinen hat sie als Betroffene besonders intensiv wahrgenommen. Und trotzdem: Wirklich Angst um das eigene, um das Leben ihres Mannes und ihres Sohns, der sich ebenfalls ansteckte - mit milden Symptomen wie Schnupfen und Kopfweh -, nein, die hat sie nicht. "Wir haben keine Vorerkrankungen, sind noch nicht so alt. Wir werden das irgendwie überstehen", sagt sie pragmatisch. Für Panik sei sie ohnehin nicht der Typ.
Enge Freunde erledigen die Einkäufe
Dann schon eher der fürs Organisieren: Es galt, die Einkäufe zu planen, für die Familie selbst, aber auch für Mutter und Schwiegermutter, die sonst immer sie versorgten. "Wir sind so froh, dass wir ihnen in den Wochen vor unserer Infektion die Lebensmittel immer nur vor die Tür gestellt haben und keinen engeren Kontakt mehr hatten."
Für die Besorgungen der Seniorinnen sprangen Geschwister ein, für die der erkrankten Familie in Buer enge Freunde. Die Einkaufslisten gibt sie telefonisch oder per WhatsApp durch, die vorgestreckten Beträge zahlt sie online zurück. "Es haben sich so viele angeboten, Einkäufe zu erledigen. Das war richtig toll. Einige haben sogar Blumen abgegeben zur Aufmunterung."
Bueranerin arbeitet, "um die Tage herumzukriegen"
Die freilich ist auch bitter nötig: "In der Quarantäne fällt uns tatsächlich die Decke auf den Kopf." Fernsehen, Computer- und Gesellschaftsspiele spielen, ja, das geht natürlich. Aber über sechs Wochen, und das täglich? Denn zuerst war es der Mann, dessentwegen sie für zwei Wochen in Quarantäne musste, dann der Sohn, und schließlich sie selbst. "Auf Bücher kann ich mich nicht konzentrieren. Ich bin zwar zu Hause, aber wie Urlaub fühlt es sich nicht an."
Sie war bereits vor dem Ausbruch von Corona im Homeoffice - und machte nach Abflauen der Symptome aus dem Krankenstand weiter, "einfach um die Tage herumzukriegen; sonst langweile ich mich zu Tode." Dabei ist ihr durchaus bewusst, dass sie es hätte schlimmer treffen können, was die Erkrankung angeht. "Wir haben noch mal Glück gehabt; wir haben Paracetamol gegen Fieber und Schmerzen eingenommen, das hat gereicht." Sie ist auch dankbar, dass sie keine kleinen Kinder hat. "Die in so einer Situation zu betreuen, muss wahnsinnig anstrengend sein."
Am meisten freut sie sich auf die frische Luft
Dass es keine Streitereien gibt, wo doch keiner dem anderen ausweichen kann: Das hat sie am meisten überrascht. "Alle waren sehr rücksichtsvoll und diszipliniert. Das hätte ich in so einer Extremsituation eher nicht erwartet."
Worauf sie sich am meisten freut, wenn ihre Quarantäne ausläuft? "Auf die frische Luft und die Sonne. Spazieren zu gehen, die Natur zu sehen. Und wieder selbst einkaufen zu können." Weil sie den Freunden nicht zur Last fallen wollte, hat sie einfach nur "Käse" oder "Mortadella" auf die Einkaufszettel geschrieben, ohne Nennung bestimmter Firmen, versteht sich. "Bald kann ich endlich wieder unserer Lieblingssorten kaufen. Das hat mir schon gefehlt."
>> Gesundheitsamt überprüft die Quarantäne
Einmal täglich rufen Mitarbeiter des Gesundheitsamts bei der Familie an, um die Einhaltung der Quarantäne zu überprüfen, immer zu unterschiedlichen Uhrzeiten. "Sie fragen dann nach Symptomen und deren Intensivität und protokollieren das."
Wenn es der Familie plötzlich gesundheitlich schlechter gegangen wäre, hätte sie sich bei der Corona-Hotline der Stadt gemeldet (Telefon 0209-169-5000)