Essen/Gelsenkirchen. Nach dem Weihnachtscirus und dem Winterquartier ist der Circus Probst in der Corona-Zwangspause. So will die Familie in Essen die Krise meistern.

Zwangspause statt Tourneestart, Geldnot statt Tageseinnahmen, Corona-Krise statt Circus-Spiele: Eigentlich, sagt Circus-Chefin Brigitte Probst, stünde das rot-gelbe Viermastzelt des Familienunternehmens aktuell noch in Duisburg. Euskirchen und Koblenz wären die nächsten Tourneestationen gewesen. Alles abgesagt. Stattdessen stehen die Probsts wieder im Winterquartier in Essen-Stoppenberg, leben hier in ihren Wohnwagen, haben Tiere und Material einquartiert, bilden eine Notgemeinschaft in Corona-Zeiten. "Uns hat es richtig gebeutelt, wir sind gestrandet", sagt Brigitte Probst.

Die Probst-Tournee "Fantastico" stand vor der Premiere

Auf einem ehemaligen Reiterhof in Stoppenberg verbringen die Probsts seit Jahren die gut acht Pausen-Wochen nach dem Gelsenkirchener Weihnachtscircus, ehe es wieder hinaus geht auf die Spielplätze der Republik. Normalerweise ist die Familie weitgehend unter sich. Diesmal ist die Gruppe größer. Der Probebetrieb für die Tournee war schon angelaufen, in Dormagen stand Mitte März die "Fantastico"-Premiere bevor, das Personal war vor Ort, das Programmheft für 2020 ist gedruckt, die Pressebilder sind fertig, ebenso die Plakate für die ersten Tourneeorte. Die Planung ist Makulatur, die Druckwaren sind weitgehend Altpapier. "Das ist alles zum Heulen", findet Brigitte Probst. "Das ist Geld, das in die Altpapiercontainer geht."

Die Circus-Kapelle ist zurück in der Ukraine

"Was machen?", fragten sich die Probsts. "Wir konnten die Artisten nicht halten. Auf dem Landweg ging es für einige schon nicht mehr zurück. Geld für teure Flugtickets hatten sie nicht. "Die haben ja alle kein Geld gehabt, weil sie gerade erst angekommen sind", sagt die Chefin. So hat der Circus die Tickets bezahlt. Die Kapelle ist zurück in der Ukraine, andere wie die Motorrad-"Todesfahrer" flogen in ihre südamerikanische Heimat, die Rumänen und Moldawier, als Requisiteure, Stall- und Aufbaukräfte beschäftigt, blieben. Und eine italienische Clowns-Familie hängt mit den Probsts in Essen fest. Zurück in die Heimat? Derzeit keine Alternative.

Seit 23 Jahren Weihnachtscircus in Gelsenkirchen

Eigentlich sind die Probsts nach 23 Jahren Weihnachtscircus zumindest Teilzeit-Gelsenkirchener. Oder eben Essener. Doch in Neustadt an der Weinstraße hat das Unternehmen seine Meldeadresse. Beim Land Rheinland-Pfalz liegt nun auch der Firmenantrag auf Corona-Hilfe vor. Denn die Einnahmen sind gleich Null, doch der Kostenapparat läuft unvermindert.

Dieselgeld für die 70 Fahrzeuge des Unternehmens haben die Probsts verfahren müssen, "da sind dann schon mal 6000 Euro weg", Versicherungen laufen, Transporter und Lkw waren beim TÜV, etliche Routinereparaturen beim Bremsendienst standen an. "Und die bekommen alle noch Geld", sagt Brigitte Probst. Dutzende Pferde, Ziegen, Lamas und Dromedare aus ihren Tiernummern müssen die Probsts durchfüttern. Allein das kostet rund 1500 Euro im Monat. Und das Heu der angestammten Lieferanten wird knapp. "Da brauchen wir bald dringend Nachschub", setzt Brigitte Probst auf Landwirte in der Region, die noch Heu zu verkaufen haben. "Wir können nur hoffen, dass die Preise nicht extrem steigen."

Circus-Devotionalien mit Tassen, Plakaten und Programmen

Die Einnahmeseite? Schwierig. Aktuell stellen die Probsts mit Circus-Devotionalien wie Tassen oder Regenschirmen, alten Plakaten, Flyern und Pressebildern Fan-Pakete zusammen, die sie online an Zirkus-Freunde verkaufen wollen. Immerhin hat die Stadt Dormagen das Platzgeld zurückerstattet. Probst-Sohn Andreas und Schwiegersohn Sergiu fahren für Landwirte Gülle auf die Felder. Falls Erntehelfer gebraucht werden oder andere Dienstleister Fahrer benötigen: Probst-Kräfte stehen bereit. "Da können wir schnell zwölf Leute schicken", sagt die Chefin.

Ansonsten werden Fahrzeuge gestrichen, Arbeiten erledigt, die im normalen Betrieb liegen bleiben. "Sonst kriegen die Jungs ja einen Rappel", glaubt Brigitte Probst. Immerhin: Der betagte Küchenwagen, das war beizeiten geplant worden, ist nun rundüberholt. "Ich habe jetzt eine neue Küche", freut sich die Senior-Chefin. Auch den Kindern der Circus-Familie gefalle es auf dem Reiterhof. Platz zum Spielen, die Familie hat Zeit, die mobile Zirkusschule läuft via Bildschirmarbeit weiter. Selbst eine Probemanege ist in Betrieb, in der Stephanie Probst und ihr Mann Sergiu an neuen Dressurnummern arbeiten.

Die Tourneeverträge bis Ende Mai sind abgesagt

Die Durststrecke wird noch lang: Bis Ende Mai sind alle Verträge storniert worden. Selbst wenn es wieder losgehen sollte, braucht der Betrieb mindestens drei Wochen Werbe-Vorlauf. Die großen Zirkusunternehmen wie Charles Knie, Krone oder Probst rechnen damit, "dass es erst im August weiter gehen kann. Ich hoffe, dass wir so lange durchhalten", sagt Brigitte Probst. "Gott sei dank lief der letzte Gelsenkirchener Weihnachtscircus super. Sonst könnten wir es gar nicht aushalten."

Für die Krisenhilfe bereit: Zelte, Gitter, Zäune

Normalerweise vermieten die Probsts in Pausenzeiten ihre Zelte, beispielsweise für Messen. Doch auch diese Einnahme ist versiegt, zuletzt in Bitburg in der Eifel.

Für Gelsenkirchen, so die Seniorchefin, würde man in Corona-Zeiten auch Material zu Verfügung stellen können, falls es in der Corona-Krise benötigt würde. "Wir haben ja alles. Zäune, Sperrgitter, Zelte..."