Gelsenkirchen-Buer. Kaufleute und Kunden haben Nachholbedarf: Am ersten Tag der Lockdown-Lockerung herrscht in der Fußgängerzone munteres Treiben - mit Abstand.
Blauer Himmel, die Sonne scheint. Wo die Hochstraße in Buer vor ein paar Tagen noch wie tot wirkte, herrscht nun munteres Treiben: Hier bummeln Eis schleckend Passanten, dort eilen Kunden in die Geschäfte mit bis zu 800 Quadratmetern Fläche, die nach Wochen des Corona-Lockdowns wieder öffnen dürfen. "Die Sehnsucht nach Normalität ist groß", so Susanne Polte, Inhaberin des Haushaltswaren-Fachgeschäfts Leifeld. Der Alltag, er ist freilich nicht zum Nulltarif zu haben.
Wer bei Leifeld nach Töpfen, Handtüchern oder Messern stöbern will, der muss einen Mundschutz tragen. "Sonst muss er am Eingang stehen bleiben. Wir bringen dann die gewünschte Ware", erklärt Susanne Polte, wie alle ihre Beschäftigten geschützt durch einen selbst genähten Mundschutz.
Gelsenkirchener Geschäft meldet "Haarscheren derzeit ausverkauft"
"Behördlich gefordert ist das zwar nicht, aber als Hausherrin kann ich das so festlegen zum Schutz meiner Mitarbeiter", sagt sie und verweist auf den Spuckschutz und einen Tisch als Abstandshalter an der Kasse. Ihr Team arbeitet in zwei Schichten, "damit wir den Betrieb aufrechterhalten können, falls einer krank wird."
Es werde einige Zeit dauern, bis sich alles eingespielt hat. Aber sie ist froh, wieder regulär öffnen dürfen, auch wenn sie über eine Abholstation und Auslieferungen etwas Umsatz machen konnte ("bei Haarscheren sind wir jetzt ausverkauft").
Senioren haben Sorge, "dass einige Leute nun übermütig werden"
Auch zwei Leifeld-Kunden schätzen, wieder normal einkaufen gehen zu können. "Unser Bügelbrett ist kaputt gegangen. Da können wir heute gleich Ersatz besorgen", so eine 73-Jährige mit Mundschutz.
Lust aufs Shoppen hat die Bueranerin wegen ihrer Vorerkrankungen nicht. "Ich mache mir doch Sorgen, dass die Leute übermütig werden. Wir haben mehrfach Jugendliche und Rentner gesehen, die eng beieinander standen und sich unterhielten. So als würde es Corona nicht geben", berichtet ihr Begleiter (65) kopfschüttelnd.
Bücherwürmer genießen es, im Geschäft zu stöbern
Auf Nachholbedarf setzen die Buchhandlung Kottmann an der Nienhofstraße und das Brettspielkontor an der Hagenstraße, die sich zuletzt mit dem Onlinehandel über Wasser hielten, sowie der Spielwarenhandel Willig im Linden-Karree an der Hochstraße.
Kottmann-Inhaber Dirk Niewöhner freut er sich über jeden Kunden. "Es ist voller als erwartet. Die Leute wirken richtig ausgehungert. Dabei sind sie aber sehr diszipliniert." Bis zu zehn Leseratten lässt er ins Geschäft, das mit Schildern zur kontaktlosen Kaufabwicklung und an der Kasse mit Spuckschutz versehen ist. Einen Mundschutz braucht bei ihm keiner zu tragen.
Spiel-Geschäftsinhaber hat Öffnung "entgegengefiebert"
Bücherwürmer wie Petra Kurfrej (29) kann das nicht abhalten. "Ich bin froh, nicht mehr nur online Bücher kaufen zu müssen, denn ich liebe es, darin zu blättern", erklärt sie. "Im Geschäft bekomme ich ganz andere Tipps als im Internet."
Dem Brettspiel-Kontor haben "über Online-Bestellungen und die Abholstation einige Kunden die Treue gehalten", so Inhaber Helge Coenen, der sein Geschäft vor knapp einem Jahr erst eröffnete. In der Etablierungsphase solch einen Corona-Einbruch zu erleben, damit hat er nicht gerechnet. "Wir hoffen jetzt, dass die Zahl der Spontankäufer wieder steigt. Gerade wenn viele Freizeitangebote wegfallen, sind Gesellschaftsspiele eine tolle Alternative."
Ähnlich argumentiert Dirk Lindau (Spielwaren Willig), der der Ladenöffnung "entgegengefiebert" hat. "Ich hoffe, dass Familien nach Wochen der Langeweile unseren Laden stürmen. Damit sie geschützt sind, tragen alle Mitarbeiter Mundschutz; dazu haben wir Spuckschutzwände und Abstandshalter aufgestellt, das Desinfektionsmittel ist bestellt."
>> Immer mehr Gastronomen setzen auf Außer-Haus-Verkauf
Immer mehr buersche Gastronomen setzen auf Außer-Haus-Verkauf. Dazu zählt etwa das Kleine Bistro im Linden-Karree, das ab Dienstag, 21. April, 11 bis 16 Uhr, warmes Mittagessen und Flammkuchen zum Abholen anbietet.
Auch das Restaurant "Zum Hexenhäuschen" verkauft ab Mittwoch, 22. April, 12 bis 14 und 17.30 bis 19.30 Uhr, warme Speisen zum Mitnehmen.