Kreuztal/Leipzig. Wie geht es weiter nach dem Stromtrassen-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts? Die Bürgerinitiative sieht noch keine Leitung im Heestal.

Gut eine Woche nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeichnet sich ab, dass der Konflikt zwischen Stadt Kreuztal, Bürgerinitiative Junkernhees und Grundstückseigentümern im Heestal auf der einen Seite und dem Stromnetzbetreiber Amprion auf der anderen Seite weitergeht. Das Gericht hatte den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig erklärt, soweit er den Standort für das Umspannwerk in Junkernhees festlegt. Die Entscheidung für die 380-kV-Höchstspannungsleitungstrasse durchs Heestal (und nicht, wie von Stadt und Bürgerinitiative gefordert, als „Meiswinkel-Variante“ durch den Wald) sei dagegen „frei von beachtlichen Fehlern“.

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Das Umspannwerk

Bereits unmittelbar nach Bekanntgabe des Urteils hatte Amprion sich geäußert: Für den Standort der Umspannanlage habe das Gericht bereits grundsätzlich Aspekte anerkannt, die für den Standort in Junkernhees sprechen. „Wir warten nun die schriftliche Urteilsbegründung ab und entscheiden darauf aufbauend, wie wir weiter vorgehen“, wird Amprion-Projektsprecher Andreas Lehmann in einer Pressemitteilung des Unternehmens zitiert. Das Umspannwerk wird benötigt, um eine 110-kV-Leitung den Edelstahlwerken nach Geisweid abzuzweigen. Dafür wird dann das Umspannwerk auf der Setzer Wiese vor Geisweid überflüssig, wo derzeit von 220 auf 110 kV umgespannt wird.

„Im Hinblick auf die Umspannanlage stellt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen erheblichen und seltenen Erfolg dar.“

Christina Eckstein, Stadtbaurätin

Auch die Stadt Kreuztal will auf das schriftliche Urteil warten. Ihre Klage war komplett abgewiesen worden. Sie werde in ihrer Planungshoheit nicht verletzt, die Inanspruchnahme städtischer Grundstücke sei „durch gegenläufige, ordnungsgemäß ermittelte Belange gerechtfertigt“, und die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der unter der Trasse und unter dem Zufahrtsweg verlaufenden(Ab-)Wasserleitungen könnten später beim Bau geregelt werden. „Aus Sicht der Stadt Kreuztal ist die Entscheidung im Hinblick auf die Trassenvariante Meiswinkel zwar enttäuschend –im Hinblick auf die Umspannanlage stellt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aber einen erheblichen und seltenen Erfolg dar“, erklärte Stadtbaurätin Christina Eckstein.

Ausschlaggebend für das Gericht war, dass die Dänische Wiese, auf der das Umspannwerk errichtet werden soll, zwar erst nach dem Planfeststellungsbeschluss als gesetzlich geschütztes Biotop kartiert wurde, das Biotop wohl aber auch vorher schon bestand. Amprion und Bezirksregierung hätten nicht darlegen können, „dass die Fläche vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses hinreichend untersucht worden war“. Die Formulierung des Gerichts, dass über Junkernhees „abwägend erneut entschieden werden“ müsse, lässt offen, dass nach einer solchen Abwägung trotz Glatthafer- und Wiesenknopf-Silgenwiese wieder ein Votum für den Bau auf der Dänischen Wiese herauskommen kann.

Ansgar Klein und Sascha Reller (von links) sprechen für die Bürgerinitiative Junkernhees. Der Berliner Rechtsanwalt Philipp Heinz vertritt die Kreuztaler. Prof. Dr. Klaudia Witte  von der Uni Siegen wird vom Gericht als Sachverständige hinzugezogen.
Ansgar Klein und Sascha Reller (von links) sprechen für die Bürgerinitiative Junkernhees. Der Berliner Rechtsanwalt Philipp Heinz vertritt die Kreuztaler. Prof. Dr. Klaudia Witte  von der Uni Siegen wird vom Gericht als Sachverständige hinzugezogen. © WP | Steffen Schwab

In einer Variantenuntersuchung, die Amprion 2020 während des Planfeststellungsverfahrens vorlegte, wird der Neubau eines Umspannwerks in Junkernhees besser bewertet als die von Stadt und Bürgerinitiative geforderte Erweiterung der Anlage in Altenkleusheim. Die Anschlussleitung von Altenkleusheim zur Setzer Wiese nach Geisweid wäre doppelt so lang wie von Junkernhees. Und der erforderliche Schutzstreifen von Altenkleusheim müsste erheblich verbreitert werden, wenn die 23 Masten für eine zusätzliche 110-kV-Leitung erhöht werden müssten – was die Kreuztaler bestreiten.

Beim Verhandlungstermin in Leipzig spielte die Netzstabilität eine Rolle. Prof. Dr. Lorenz Jarass, von den Kreuztalern als Sachverständiger hinzugezogen, wies darauf hin, dass die 13,4 Kilometer von Altenkleusheim sogar eine „relativ kurze Anbindung“ wären: „Es gibt eine Vielzahl von 110-kV-Anbindungen, die deutlich länger sind.“ In Altenkleusheim stünden vier Trafos zur Verfügung, in Junkernhees nur zwei, wodurch ein Ausfall schwerer auszugleichen wäre. Zudem seien freistehende Trafos schneller zu reparieren als in einer geschlossenen Anlage, wie sie in Junkernhees gebaut werden müsste. Amprion-Netzplaner Christoph Schulte widersprach: In Junkernhees wäre ein Trafo allein für den Lichtbogenofen der Edelstahlwerke in Geisweid da, der andere für das Ortsnetz. Bei einem Ausfall in Junkernhees könne Westnetz auch über die Umspannwerke Dauersberg, Eiserfeld und Altenkleusheim Strom liefern. „Eine Verlegung nach Altenkleusheim verbessert die Situation in keinster Weise.“

Die Stromtrasse

In Leipzig hat Sascha Reller, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, den von Amprion vorgenommenen Variantenvergleich korrigiert: Demnach wäre Junkernhees, mit Berücksichtigung des Biotops, nunmehr der am wenigsten geeignete Standort. Bei seiner Entscheidung über die Trasse hat der 11. Senats des Bundesverwaltungsgerichts Amprion die Freiheit der Trassenwahl zugestanden, so weit die verschiedenen Belange „ohne Rechtsfehler“ gewichtet werden.

„Die haben nach wie vor keine Chance, durchs Heestal zu kommen. Die haben bis jetzt kein einziges Grundstück.“

Ansgar Klein, Bürgerinitiative Junkernhees

„Das gehört wieder auf die politische Ebene“, findet Ansgar Klein von der Bürgerinitiative. Auch wenn das Gericht die Höchstspannungstrasse durch das Heestal nicht beanstande, „sind die Probleme nicht gelöst“. Nach wie vor müssten Wasserleitung und Kanal großräumig verlegt werden, damit sie nicht durch über den Wirtschaftsweg fahrende Baufahrzeuge oder durch neue Mast-Fundamente beschädigt würden. „Es gibt kein Konzept, wie diese Leitung gesichert werden kann“, hatte Jochen Simon, stellvertretender Leiter des Kreuztaler Tiefbauamts, in Leipzig gesagt. Daran hängt die Wasserversorgung von rund 130 Einwohnern.

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Allein für den Leitungsbau würden zwei bis drei Jahre ins Land gehen, sagt Ansgar Klein voraus. „Die haben nach wie vor keine Chance, durchs Heestal zu kommen. Die haben bis jetzt kein einziges Grundstück.“ Offen scheint allerdings auch zu sein, was Amprion jetzt noch mit dem Baurecht von Altenkleusheim bis Fellinghausen anfangen kann: Ohne eine Entscheidung über ein oder kein Umspannwerk in Junkernhees bleibt ungeklärt, welche Leitungen mit welchen Masthöhen und Schutzstreifen von Altenkleusheim nach Kreuztal und weiter nach Siegen geführt werden.

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