Kreuztal. Für die Unterschrift zum Grundbucheintrag gibt es einen „Beschleunigungszuschlag“ und 200 Euro obendrauf. Die Bürgerinitiative rät ab.

Das Schreiben sieht offiziell aus, die Empfänger sind beunruhigt. Amprion, die Bauherrin der Höchstspannungs-Stromtrasse durch das Heestal, will eine Unterschrift, „dass die Amprion GmbH berechtigt ist, zum Zwecke von Bau, Betrieb und Unterhaltung elektrischer Leitungen nebst Zubehör einschließlich Steuer- und Telekommunikationskabel und aller dazu erforderlichen Vorkehrungen das nachfolgend nähere bezeichnete Grundstück in Anspruch zu nehmen….“ Auf den folgenden Seiten wird eine Entschädigung von 4,50 Euro je Quadratmeter ausgerechnet, in einem Beiblatt die Eintragung einer „persönlichen Dienstbarkeit“ in das Grundbuch vorgelegt.

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Ansgar Klein, Sprecher der Bürgerinitiative Junkernhees, ist verärgert: „Die Eigentümer werden völlig überfordert und eingeschüchtert.“ Die Firma Sweco, die von Amprion mit der Akquise der Zustimmung beauftragt ist, nimmt nicht zum ersten Mal Kontakt mit den Anliegern der Stromtrasse auf – die Papiere sind, so wird aus dem Ausdruck deutlich, bereits im Juni 2017 eingesetzt worden. Im vorigen Jahr sollten die Grundstückseigentümer ihr Einverständnis erklären, dass Amprion den für die Masten benötigten Baugrund untersucht – zur Unterschrift vorgelegt wurde aber ein Formular zur „Baufreigabe“, das jeglichen Widerspruch gegen das Vorhaben hinfällig gemacht hätte. Die Briefe wurden zurückgezogen, Amprion bat um Entschuldigung.

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Eigentümer müssen nicht mitmachen

Anders als gegen die untergeschobene „Baufreigabe“ sei gegen das Bemühen um eine Grunddienstbarkeit rechtlich nichts einzuwenden, erfährt die Bürgerinitiative von ihrem Rechtsanwalt Philipp Heinz. Zu beanstanden sei allenfalls, dass nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werde, „dass jeder Vertragsabschluss zum jetzigen Zeitpunkt freiwillig ist“. Philipp Heinz, der auch die Stadt Kreuztal in dem laufenden Planfeststellungsverfahren berät, weist zudem darauf hin, dass Amprion mit möglichst vielen freiwilligen Unterschriften „seinem Ziel näher kommt“: Nämlich: Baurecht für die Stromtrasse zu bekommen, die von Altenkleusheim über Junkernhees durchs Heestal und dann weiter an Meiswinkel, Oberschelden und Freudenberg vorbei nach Rheinland-Pfalz führt.

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Kreuztal will die Meiswinkel-Variante

Aktuell bemüht sich Amprion um die Grundstückseigentümer an der Trasse, die mit der gerade laufenden Änderung des Planfeststellungsverfahren angestrebt wird: Gewählt wird eine andere Mastform, die schlanker ist, mehr Bodenfläche beansprucht, aber auch einen schmaleren Schutzstreifen benötigt. Zudem sollen einzelne Maststandorte verändert werden. Bürgerinitiative und Stadt Kreuztal lehnen auch das ab. Sie wollen, dass Amprion sich auf die von ihnen vorgeschlagene „Meiswinkel-Variante“ der Trassenführung einlässt: Die würde durch – nach der Bornekäferkalamität teils ehemaliges – Waldgebiet führen und Abstand vom Heestal und von Meiswinkel halten. Der Stromnetzbetreiber hält dagegen an seiner ursprünglich beantragten Trassenführung fest, ebenso am umstrittenen Bau eines neuen Umspannwerks auf der Dänischen Wiese in Sichtweite von Schloss Junkernhees.

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Keine Bäume, keine Sträucher

Wer der Grundbucheintragung zustimmt, verzichtet auf „bauliche und sonstige Anlagen“ innerhalb des Schutzstreifens, ebenso auf die Neuanpflanzung von Bäumen und Sträuchern. Dafür sei der von Amprion angebotene Betrag „nicht angemessen“, findet Ansgar Klein von der Bürgerinitiative: „Man unterschreibt ja für ewig.“ Überdies sei das Unternehmen auch später zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, selbst im Falle einer Enteignung. Nur den ebenfalls angebotenen „Beschleunigungszuschlag“ von 30 Cent je Quadratmeter landwirtschaftlicher Schutzstreifenfläche sowie je 100 Euro Aufwandsentschädigung für Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigte gäbe es dann nicht.

Naherholungsgebiet

Die Stadt Kreuztal warnt in ihrer Stellungnahme vor der Zerstörung des Naherholungsgebietes im Heestal: Während der jahrelangen Bauarbeiten würde die Landschaft dort komplett umgepflügt, das Landschaftsbild dauerhaft durch die Masten zerstört.

Bürgerinitiative rät zum Blick aufs Kleingedruckte

Ansgar Klein findet es „völlig unangemessen“, dass das Unternehmen erneut Anwohner kontaktiere, die bereits vor fünf Jahren ihr Einverständnis versagt hätten. Und rät zum Blick aufs Kleingedruckte: Wird die Leitung nicht gebaut, dürfen die Grundbesitzer zwar Aufwandsentschädigung und Beschleunigungszuschlag behalten. Den Entschädigungsbetrag aber müssen sie zurückzahlen – auf Zinsen verzichtet Amprion. Ob das auch für die Eigentümer gilt, deren Flächen nun außerhalb des schmaleren Schutzstreifens liegen? Fragt Ansgar Klein. Auf eine Nachfrage dieser Zeitung hat Amprion bis Donnerstagnachmittag nicht reagiert.

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