Junkernhees. Die Bürgerinitiative wirft dem Stromnetzbetreiber Amprion vor, die Zerstörung des Heestals bei Junkernhees und Hof Wurmbach zu planen.

Der Kamin ist kalt, auf den Tischen der Burgküche ist viel Platz. Für Fotos, die zeigen sollen, wie die Masten der neuen Strom-Höchstspannungstrasse und das geplante Umspannwerk in der Dänischen Wiese, direkt gegenüber von Schloss Junkernhees, die Landschaft verändern werden.

7000 Kubikmeter hinter einem Baumwipfel

Man kann es so sehen. Oder so. Zum Beispiel Mast 373, der dem Schloss nächstgelegene. 81,5 Meter hoch. Der Gutachter von Amprion sieht das Bauwerk, das auf einer Grundfläche von 256 Quadratmetern emporragt, hinter einem Baumwipfel verborgen. Sascha Reller von der Bürgerinitiative ist nur drei Meter weiter in die Wiese gegangen und hat eine ganz andere Perspektive für die Darstellung des Strommasten gewonnen, der – wenn man ihn wie eine Pyramide berechnet – ein Volumen von fast 7000 Kubikmetern füllt. „Täuschung“ wirft Reller dem Stromnetzbetreiber vor.

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Stadt, Bürgerinitiative und der Verein zur Erhaltung von Schloss Junkernhees arbeiten sich an der Darstellung von Amprion ab, dass „Kultur- und Sachgüter“ – so heißt das „Schutzgut“, um das es aktuell geht – durch den Leitungsbau nicht unwiederbringlich zerstört werden. Wobei die Akteure schon irritiert, dass die Trassenvariante durch den Wald an Meiswinkel vorbei hier nicht betrachtet wird. „Für das Tal wäre das in höchstem Maße entlastend“, sagt Sascha Reller.

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Sorge um die Kulturlandschaft Heestal

Sie sind alle direkt betroffen: Sascha Reller wohnt in der alten Brauerei, die wie die Mühle, die Teiche und das Schloss selbst zum Junkernheeser Denkmalensemble gehört. Helga Käberich und ihr Sohn Christian sind Eigentümer des Hofes Wurmbach mit seinem Backes, mitten im historischen Bannbezirk der Junkernheeser Mühle, einst im Eigentum der Familie Hees, der der Stadtteil Mittelhees den alten Namen „Junckerngut“ verdankt. Ansgar Klein, Sprecher der Initiative, hat ebenfalls ein Haus in der kleinen Ansiedlung um das Gut, das um 1417 erstmals erwähnt wurde und eine der ältesten Siedlungen im Kreuztaler Stadtgebiet ist. Alles eine Kulturlandschaft, die – so der Landschaftsverband – bei Realisierung der Amprion-Planung „erheblich beeinträchtigt“ würde.

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„Die Trasse führt über unseren Hof, der Backes würde direkt überspannt“, warnt Helga Käberich. Ein solches Denkmal zu unterhalten, wäre „wirtschaftlich nicht mehr zumutbar“. „Da knistert jetzt schon die Leitung in der Nähe“, berichtet Ansgar Klein. In Zukunft sind das aber nicht mehr 110, sondern 380 Kilovolt. „Da stelle ich mich nicht länger als nötig drunter“, sagt Sascha Reller, „die Leute kommen nicht mehr, wenn das Heestal industrialisiert wird.“ Das Heestal – Kreuztals einziges Naherholungsgebiet, das barrierefrei erreichbar ist, betont Helga Käberich. Und wirbt für die Meiswinkel-Variante: Die Flächen dafür würden die Waldgenossen sofort abgeben.

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Umspannwerk als Fabrikhalle

Nicht nur die Visualisierungen, auch die Rechnungen von Amprion überzeugen die Initiative nach wie vor nicht. „Grober Unfug“ sei die Behauptung, durch die Zusammenfassung von Leitungen und die Reduzierung von Masten wird das Tal entlastet, sagt Ansgar Klein. Mast 373 wieder: Mit seiner Grundfläche umfasst er 256 Quadratmeter. „Und das in einem Tal, wo man keinen 100 Quadratmeter großen Schuppen errichten darf.“ Abgebaut werden dafür zwei Masten mit insgesamt weniger als zehn Quadratmetern. Beim Volumen ist das Verhältnis ähnlich: Fast 7000 statt bisher weniger als 100 Kubikmeter. Wobei das letzte Wort über die Höhe noch gar nicht gesprochen ist: Wenn der auch von den Trassengegnern durchaus begrüßte Umstieg auf die schlankeren Tonnenmasten kommt, bleibt es nicht bei den 81,5 Metern.

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Schließlich das Umspannwerk in der Dänischen Wiese. „Eine Industriehalle“, sagt Ansgar Klein. 50 Meter lang, 30 Meter breit, 15 Meter hoch. Der Landschaftsverband bezeichnet die Wiese als „historischen Grünlandstandort“, der auf diese Weise „zerstört“ werde. Dass eine „architektonisch hochwertige“ Fassade versprochen werde, „erfüllt kein Kriterium einer seriösen und transparenten Planung“, sagt Christian Gerhard vom Verein zur Erhaltung von Schloss Junkernhees.

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Herdecker führen Prozess gegen den Leitungsbau

Die Masten, das Umspannwerk – „für eine Leitung, die eigentlich gar nicht gebraucht wird“, sagt Sascha Reller und wird grundsätzlich: „Für eine veraltete Technik wird ein 500 Jahre alter Kulturraum zerstört.“ Die Kreuztaler schauen nach Herdecke, wo eine Initiative sich gegen den bereits begonnenen Bau wehrt. Und nach Leipzig, wo das Bundesverwaltungsgericht, wenn Corona nicht wäre, bereits in der vorigen Woche über die Klage der Herdecker verhandelt hätte.

Aus dem Erörterungstermin zur Planfeststellung im November 2018 sind noch jede Menge Arbeitsaufträge übrig – die Sache mit der Kulturlandschaft war nur einer. „Die wissen, dass man das nicht gut gearbeitet kriegen kann“, glaubt Ansgar Klein. Andererseits drohen vollendete Tatsachen: An beiden Enden der Trasse, in Rheinland-Pfalz und im Ruhrgebiet, wird schon gebaut. Und was steht, das bleibt, weiß Helga Käberich: „Die machen das Tal für mehrere Generationen kaputt.“Die Masten für die 110-kV-Leitung wurden 1926 am Hof Wurmbach aufgestellt.

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