Junkernhees/Meiswinkel. Beinahe hätten Anwohner unterschrieben – und damit den Widerstand gegen die Stromtrasse durch Kreuztal und Siegen aufgegeben.

„Die hatten schon unterschrieben.“ Christian Bode rettet den Freiumschlag, den Mutter und Großtante versandfertig gemacht haben, soeben noch vor dem Briefkasten. In die Post gegangen wäre nichts weniger als eine „Baufreigabe-Erklärung“ für die Amprion-Höchstspannungstrasse – ausgerechnet für das Grundstück, auf das einer der Köpfe der Meiswinkeler Bürgerinitiative „Weil wir Meiswinkel lieben“ die Hand hält.

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„Das sieht aus wie ein amtliches Schreiben“, sagt Ansgar Klein von der Bürgerinitiative Junkernhees, die sich gemeinsam mit der Stadt Kreuztal gegen die Stromtrasse durchs Heestal und das Umspannwerk auf der Dänischen Wiese gegenüber von Schloss Junkernhees wehrt.

AAnsgar Klein, Sascha Reller und Christian Bode (von links) vor dem Schloss Junkernhees: Sie streiten gegen das Umspannwerk und die Höchstspannungstrasse durchs Heestal
AAnsgar Klein, Sascha Reller und Christian Bode (von links) vor dem Schloss Junkernhees: Sie streiten gegen das Umspannwerk und die Höchstspannungstrasse durchs Heestal © WP | Steffen Schwab

Ein Versehen, sagt Netz-Investor Amprion – tatsächlich sei es nur darum gegangen, den Baugrund für die Mastfundamente zu untersuchen, wozu die Grundstücksbesitzer der beauftragten Firma auch tatsächlich, wie es das Energiewirtschaftsgesetz festlegt, Zutritt gewähren müssen. Das Baufreigabe-Formular gehöre nicht dazu, bestätigt Mariella Raulf von der Amprion-Projektkommunikation. Das Unternehmen bedaure den Fehler, den die beauftragte Firma Sweco gemacht habe. „Amprion hat vergangene Woche direkt eine schriftliche Klarstellung und Entschuldigung an die entsprechenden Personen versendet und sich vielmals für die Unannehmlichkeiten entschuldigt.“

Was misstrauisch macht

Die Vertreter der Bürgerinitiativen glauben nicht an ein Versehen. „Das hat Methode“, sagt Ansgar Klein. Das Formular sei gezielt gestreut worden: „Immer gehen die an die Älteren und vermeintlich Schwächeren ran - wir von der Bürgerinitiative haben das Schreiben gar nicht erst bekommen.“ Ein solches Vorgehen könnte sich auszahlen. „Mit jeder Unterschrift können die argumentieren.“ Das sieht auch Philipp Heinz, der Rechtsanwalt der Bürgerinitiative so: „’Baufreigabe’ bedeutet, dass man gegenüber Amprion privatrechtlich zustimmt, dass die die neue Leitung errichten und betreiben dürfen. Also eine extrem weitgehende Erklärung, die das eigene Eigentum und dessen Nutzung einschränkt.“

„Baufreigabe“

Mit der Unterzeichnung der „Baufreigabe", so Rechtsanwalt Philipp Heinz, „würde man einfach so zustimmen, dass ein ganzer Mast gebaut, das Grundstück überspannt und eine neue Freileitung betrieben werden darf“. Faktisch nähmen sich Grundstückseigentümer damit die Möglichkeit, noch gegen einen Planfeststellungsbeschluss klagen zu können.

Wenn es den Planfeststellungsbeschluss gibt, „hat Amprion die Möglichkeit, einen Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung zu stellen.“ Die Bezirksregierung gibt dann den betroffenen Grundstückseigentümern die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Zur Festsetzung der Entschädigung wird ein neutraler Gutachter beauftragt. Wenn die Bezirksregierung einen entsprechenden Beschluss treffe, könne Amprion gegebenenfalls auch ohne individuelle Baufreigabe mit den Bauarbeiten beginnen. „Im Moment ist das alles aber noch ferne Zukunftsmusik“, betont Philipp Heinz.

Ansgar Klein und sein Mitstreiter Sascha Reller blicken zurück: auf den Kauf der Dänischen Wiese durch Amprion, lange bevor das Planfeststellungsverfahren begann. Auf die aus der Sicht einer Reihe von Beteiligten unzureichenden Gutachten, zum Beispiel zur Alternativtrasse durch den Wald, zur Kulturlandschaft Heestal, zum Standort des Umspannwerks. Auf die zögerliche Weitergabe von Unterlagen, die Sascha Reller zuletzt erst über die Plattform „Frag den Staat“ erzwungen hat. Auf die Post, die Amprion gelegentlich doch lieber an die Privatadressen der Grundstückseigentümer statt an den von ihnen gemeinsam beauftragten Anwalt schickt. Schließlich auf den Farbnebel, in den das Heestal, Weg und Weiden im vorigen Herbst bei dem Unterfangen getaucht wurden, Farbe auf die Masten zu bringen. „Das zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Geschichte“, sagt Ansgar Klein. Womöglich setze der Netzbetreiber darauf, den Widerstand gegen die Höchstspannungstrasse zu zermürben. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie die sonst vorankommen wollen.“ Christian Bode erinnert sich noch ein paar Jahre weiter zurück: Da seien die Abgesandten des Stromtrassenbauers zum Kaffee gekommen und hätten eine Netzausbaubeschleunigungsprämie“ angeboten. Deutlich wird Rechtsanwalt Philipp Heinz: Die Vorlage des Baufreigabe-Formulars sei „nicht nur eine absolute Unverfrorenheit, sondern geht in Richtung Betrug“, von einem Versehen könne „keine Rede sein“.

Was hoffen lässt

Die Bürgerinitiative richtet sich auf einen langen Weg ein, der beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig enden könnte – wie für die Trassenanlieger in Herdecke, die dort ihren Prozess jüngst aber verloren haben. Ansgar Klein hat das Urteil gelesen und vergleicht: Anders als in Herdecke bringt Kreuztal mit der Waldtrasse an Mittelhees und Meiswinkel vorbei eine Trasse ins Spiel, von der nicht zusätzlich Anlieger betroffen wären. „Bei unserer Alternativtrasse muss niemand enteignet werden – das hat mich optimistisch gestimmt“.

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