Junkernhees. Die Bürgerinitiative Junkernhees erlitt beim Bundesverwaltungsgericht eine erste Niederlage – und verstärkt ihren Widerstand nun umso mehr.
Im November wird das Bundesverwaltungsgericht die sieben Klagen von Grundstückseigentümern und die Klage der Stadt Kreuztal gegen die Amprion-Höchstspannungsleitung durchs Heestal verhandeln. Eine erste Vorentscheidung hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts allerdings bereits am 22. März gefällt. Drei Klagen auf „Eilrechtsschutz“ gegen den Planfeststellungsbeschluss wurden zurückgewiesen.
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Was die Bürgerinitiative jetzt tut
Ansgar Klein, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, hält das nicht für das letzte Wort: „Ich sehe für uns schon noch Chancen.“ Mit großen Bannern im Heestal und einem Video, das einen Drohnenflug über das mit Umspannwerk und Leitung bebaute Heestal simuliert, sollen betroffene Anlieger zur Unterstützung des Widerstandes aufgerufen werden: „Damit keiner hinterher sagt, er hätte nicht gewusst, was auf ihn zukommt.“
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Ein großer Vogel fliegt über die Wiese. Der Rotmilan ist hier zu Hause. „Fast täglich ist der Schwarzstorch bei uns“, berichtet Ansgar Klein. Auf dem Weg vom Schloss Junkernhees zu dem „Gespenst“, das nun schon seit Jahren Furcht vor dem Bau des Umspannwerks und der Leitung einflößt, kommen die Details zur Sprache, mit denen die Bürgerinitiative gegen das Amprion-Vorhaben kämpft. Beanstandet werden die vielen Gutachten, mit denen die Leitungstrasse gerechtfertigt wird. Kritisiert wird die Haltung der Bezirksregierung „als verlängerte Werkbank von Amprion“.
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Hinter den Baumwipfeln dreht sich das Windrad von Meiswinkel. „Das sind nur ein paar hundert Meter“, sagt Sascha Reller, der anderer Sprecher der Bürgerinitiative. In diese Richtung, in den Wald hinein und aus dem Heestal heraus, hätten die Anwohner die Leitungstrasse gern verschoben. Obwohl der Grunderwerb dort problemlos wäre (und im Heestal selbst wohl nur durch Enteignungen vollzogen werden kann), stößt die Bürgerinitiative auf Granit. Ansgar Klein hat auch eine Vermutung, warum Amprion bei diesem sensiblen Abschnitt der Leitungstrasse unnachgiebig bleibt: „Wenn sie das hier durchkriegen, klagt in ganz Deutschland keiner mehr.“
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Mit welchen Bandagen gekämpft wird
Amprion hat mit dem Leitungsbau in Seelbach begonnen und arbeitet sich Richtung Landesgrenze Rheinland-Pfalz vor. Zunächst werden die alten Masten demontiert, die Leitungen auf ein Provisorium gelegt, dann die neuen, höheren Masten gebaut – der Mast in Junkernhees ist jetzt 30 Meter hoch, der neue wird 78,5 Meter haben, die folgenden Masten 374 bis 377 im Heestal sind mit 68,5 Metern statt bisher 22 Metern Höhe geplant. Nächstes Jahr will Amprion auch hier loslegen. „Die wissen, dass das nicht schön wird, wenn die hier anfangen“, sagt Ansgar Klein.
Einen Vorgeschmack auf kommende Auseinandersetzungen gaben die Baugrunduntersuchungen für Mast 375 im November 2022. Ansgar Klein und sein Miteigentümer untersagten den beauftragten Unternehmen den Zutritt, die Bezirksregierung erwiderte mit einer Duldungsverfügung und drohte ein Zwangsgeld von 1000 Euro für jeden Tag an, an dem das Unternehmen am Betreten des Grundstücks gehindert würde. Mittlerweile konnten sich Silke und Ansgar Klein ein genaues Bild von den Abläufen machen: Bei der Bezirksregierung erzwangen sie Akteneinsicht, die ihnen nach dem Informationsfreiheitsgesetz gewährt werden musste.
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Neben Schriftsätzen – den eigenen, denen der Bezirksregierung und denen von Amprion – wurden den Kreuztalern E-Mails vorgelegt, in denen Namen zwar geschwärzt waren, aus denen sich aber auf eine durchaus kollegiale Zusammenarbeit zwischen antragstellendem Unternehmen und genehmigender Behörde schließen lässt. Allerdings nicht auf eine Klarheit darüber, dass diese Schriftwechsel öffentlich werden können. „Bitte behandeln Sie diese Mail amprion- und behördenintern“, scheint ein bei Amprion verwendeter Textbaustein zu sein, verbunden mit der Aufforderung, weitere Beteiligte nur „auf der Tonspur“ einzubinden. „Leider werden die Eigentümer sehr ausfallend und stehen der Maßnahme (selbstverständlich) im Wege“, berichtet Amprion an die Bezirksregierung. Die Polizei in Kreuztal wird von Amprion über „aktiven Widerstand“ informiert, mit dem die Baugrunduntersuchung wohl begleitet würde. Später werden „dauerhafte Videoaufnahmen durch Mitglieder der BI“ beklagt. Schließlich bittet Amprion die Bezirksregierung, „unmittelbar die Polizei zu kontaktieren. Sie kann ggf. Platzverweise aussprechen...“ Die Hoffnung der Bezirksregierung („… dass sich die Gemüter beruhigen und es nicht zu Presseanfragen o.ä. kommt“) läuft offenkundig ins Leere.
Was die Anlieger auch gern wüssten
Viele Fragen bleiben für die Bürgerinitiative immer noch offen: warum der Entfall des Umspannwerks in Junkernhees nicht zugunsten der „Meiswinkel“-Variante gerechnet wird. Wie die Edelstahlwerke in Geisweid in der Bauzeit eigentlich Strom bekommen, solange es kein Umspannwerk in Junkernhees gibt – wenn nicht doch durch eine zweite, von Betzdorf herangeführte 220-kV-Leitung. Wie der Einsatz des ab 2025 verbotenen Schwefelhexafluorid (Wikipedia: „das schädlichste aller Treibhausgase“) gegen Funkenflug im Umspannwerk (57,5 Meter lang, 9,4 Meter breit, 15 Meter hoch) begründet wird, wo doch die Freiluftanlage in Altenkleusheim die Alternative wäre, bei der das nicht nötig ist. Und warum die Masten 368 bis 371 von Fellinghausen nach Junkernhees verschoben werden konnten, die folgenden Masten im Heestal aber nicht.
Ansgar Klein will nicht aufgeben. „Der Normalbürger kann sich nicht wehren“, stellt er fest. Denn die Auseinandersetzung kostet Zeit und auch Geld. „Das kann eigentlich niemand stemmen, und darauf bauen die auch.“ Gegner der Kreuztaler ist das in den Schriftsätzen viel zitierte „überragende öffentliche Interesse“ an der Nord-Süd-Höchstspannungsleitung, hat Sascha Reller gelernt. Und zeigt sich um so entschlossener: „Damit kommen die nicht durch.“
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