Hattingen. Bürgernähe: Der eine wandert durch Bredenscheid, der andere spaziert durch die Fußgängerzone – die Besuche der Bundespräsidenten in Hattingen.
Politiker und ihre Volksnähe, ja doch, oft wird sie zurecht kritisiert. In Hattingen indes ist sie von zwei Bundespräsidenten ganz besonders mit Leben gefüllt worden – von Karl Carstens und Roman Herzog. Es ist das vielzitierte Bad in der Menge, dass sie beide nehmen: Carstens im Januar 1982 in Bredenscheid – Herzog im November 1994 in der Fußgängerzone. Glück auf, die Präsidenten kommen!
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17. Januar 1982. Frisch ist es an diesem Winter-Sonntagmorgen, frisch, aber trocken. Mehr als 3000 Menschen versammeln sich auf dem Parkplatz von Haus Friede in Bredenscheid. Die einen haben ihre Wanderstiefel angezogen, andere halten die Polaroid-Kamera bereit. Gemeinsam warten sie auf den fünften Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland: Karl Carstens.
Der Bremer ist der Wander-Präsident. Quer durchs Land ist er unterwegs, will die Regionen entdecken, die Menschen kennenlernen. In Hattingen lernt er viele kennen. Früh am Morgen, es ist so gegen halb acht, zieht er los, über die Schreppingshöhe in den Schulenberger Wald – Ministerpräsident Johannes Rau ist mit dabei, aber auch die Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Antje Hubert, der NRW-CDU-Chef Kurt Biedenkopf begleiten ihn – und eben rund 3000 Bürgerinnen und Bürger.
Johannes Rau: Karl Carstens hat „mich mal fast totgewandert“
Rau wird später zitiert, dass Karl Carstens „mich mal fast totgewandert hat“. Quer durch den Wald marschieren sie wie die Ameisen zur Stippvisite auf den Isenberg, weiter nach Bochum und Werden. 32 Kilometer durch die Natur, Carstens geht unermüdlich vorneweg. Rau: „Ich habe dagegen minütlich die Preise für eine Sänfte erhöht.“
An der Nierenhofer Straße begegnen Carstens und Co. einer besonderen Bürgerin: Mathilde Kaulitz. Denn sie kämpft für eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf eben dieser Landesstraße – und empfängt den Bundespräsidenten mit Transparent und vielen Unterschriften. Als „aufsässige Frau von Hattingen“ wurde sie in den 1980ern bereits beim Stadtdirektor Hans-Jürgen Augstein bekannt.
17. November 1994. Beim Blick in die Fußgängerzone an diesem Donnerstagmorgen fällt etwas auf: Es ist ruhiger als sonst. Komisch, denn es hat sich prominenter Besuch angesagt – doch die Hattinger sind entspannt oder auf der Arbeit. Das ist zumindest ihr Fazit eines kleinen WDR-Beitrags, der bei Youtube zum Besuch von Roman Herzog noch zu finden ist.
Das Goldene Buch der Stadt Hattingen
Bundespräsident Roman Herzog hat sich bei seinem Besuch im November 1994 selbstverständlich in das Goldene Buch der Stadt Hattingen eingetragen. So wie andere Politprominenz auch, etwa Wolfgang Clement als NRW-Ministerpräsident oder Peer Steinbrück im Jahr 2013 als SPD-Kanzlerkandidat.
Kurios ist indes, dass ein Eintrag fehlt, den viele erwarten würden – der von Johannes Rau. Denn der gebürtige Wuppertaler hat Hattingen sehr oft besucht, gerade in seiner Zeit als Landesvater von Nordrhein-Westfalen. Seine Unterschrift fehlt.
Umso verwunderlicher, weil er ja vor knapp 30 Jahren gemeinsam mit Roman Herzog in der Innenstadt unterwegs war. Dafür hat sich Präsidentengattin Christiane verewigt.
„Diese Altstadt ist ein wunderbares Beispiel für eine geglückte Sanierung“, sagt der Bayer Herzog viereinhalb Monate nach seiner Wahl in das höchste Staatsamt. Gemeinsam mit Ministerpräsident Johannes Rau und Bürgermeister Günther Wüllner kommt der siebte Bundespräsident auf den Untermarkt, wo er von rund 1000 Menschen begeistert empfangen wird. „Es hat mir in Hattingen immer gut gefallen. Ich war zwar nicht oft hier, aber ich bin nicht zum ersten Mal hier“, sagt er.
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Warum? „Meine Nichte lebt hier“, verrät Herzogs Ehefrau Christiane. „Und meine Schwester in Bochum. Deshalb ist uns die Gegend nicht unbekannt.“
Eine Ehre ist es für Kirchenmusiker Walter Schulte, dass er das Glockenspiel des Johannisturms für den Präsidenten spielen darf: „Ich habe ,Glück auf, der Steiger kommt’ gewählt, das passt“, erzählt er später der WAZ.
Zwei Jahre zuvor begrüßt Schulte den Ministerpräsidenten mit „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“. Das macht Eindruck – Rau fragt, ob er das Lied jeden Tag spielt. Und ja, der Landesvater aus Wuppertal ist als Ministerpräsident Stammgast in unserer Stadt – als achter Bundespräsident verliert er das Fachwerk zwar nicht aus den Augen, kommt aber nicht mehr vorbei.
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