Hattingen. Der Obermarkt in Hattingen gleicht im Februar 1974 einem Fußballstadion. Die Bayern-Stars Paul Breitner und Gerd Müller haben sich angekündigt.

Euphorie, ja fast schon Hysterie auf dem Obermarkt: Jupp Kapellmann, Mittelfeldspieler des FC Bayern, kommt aus der Boutique „Verleihnix“, schaut in Hunderte lachende Gesichter – und wirft einige Autogrammkarten in die Menge. In Bruchteilen von Sekunden kämpfen die Fans um die wertvollen Erinnerungsstücke und feiern den Nationalspieler, der gemeinsam mit Paul Breitner und Gerd Müller zu einem Kurzbesuch in Hattingen vorbeigeschaut hat.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Hattingen verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. Jeden Abend schicken wir Ihnen die Nachrichten aus der Stadt per Mail zu. +++

Es ist das Wochenende des 22. Bundesliga-Spieltags in der Saison 1973/74, auf dem Plan steht ein Gastspiel des Deutschen Meisters FC Bayern München beim Wuppertaler SV. Bereits am Freitagnachmittag kommen die Stars mit dem Flieger aus München in Düsseldorf an – mit einer halben Stunde Verspätung. Und so bangen Hunderte in Hattingens Fußgängerzone, ob die angekündigten Nationalspieler tatsächlich kommen.

„Der Obermarkt gleicht einem Fußballstadion“

„Der Obermarkt gleicht einem Fußballstadion“, schreibt der Chronist der WAZ Hattingen in seinem Bericht. Rot-weiße Fahnen werden geschwenkt, lauthals „Bayern, Bayern“ gerufen – und der eine oder andere hatte sich ganz in Rot gedresst. Der Fanfarenzug „Rot-Weiß“ versucht, die Stimmung mit seinen Klängen etwas aufzulockern.

>>> Mehr Nachrichten aus Hattingen und Sprockhövel

Über die Boutique „Verleihnix“

Die Boutique „Verleihnix“ war über viele Jahre eine Institution in der Hattinger Innenstadt. Die Markise mit der markanten Schrift war das äußere Markenzeichen des Geschäfts der Brüder Deimel.

Später zog in das Haus das „Spinnrad“ ein – erstmals wurden hier beide Etagen genutzt. Heute ist es die Heimat des „Café Mexx“, das ebenfalls beide Etagen nutzt.

Verleihnix ist in den Asterix-Comics der Fischhändler, der immun gegen alle Arten von Gerüchen zu sein scheint.

Um kurz nach sechs sind sie an diesem 1. Februar 1974 endlich da: Paul Breitner, Gerd Müller und Jupp Kapellmann kommen mit dem Taxi an der Boutique „Verleihnix“ an und werden von einer Abordnung des TuS Hattingen um den Jugendleiter Karl Schulze empfangen. Es gibt Blumen, es gibt erste Autogramme, es gibt einen kleinen Austausch.

Schnell zurück zur Mannschaft nach Wuppertal

Weil der Flieger Verspätung hatte, läuft aber nicht alles wie geplant. Trainer Udo Lattek pocht auf eine gewissenhafte Vorbereitung in Wuppertal, will, dass die Spieler so schnell wie möglich ins Hotel nachkommen. Deshalb dauert der Besuch in Hattingen auch nicht besonders lange – und das sorgt nach dem Jubel auch für verärgerte Pfiffe, denn nicht jeder Wunsch nach einer Original-Unterschrift kann erfüllt werden. Es sind einfach zu viele Fans auf dem Obermarkt.

>>> Blitzlicher des 20. Jahrhundert
Til Schweigers Tage auf der Henrichshütte
„Schandmauer“: Mahnmal und Zeichen der Solidarität
7 Kilometer Luftbrücke zwischen Sprockhövel und Hattingen
Als die Scorpions die Ruhrwiesen rockten
Olympia-Gold für Hattingen: Ruderhaus wird zum Tollhaus
Los entscheidet über neuen Bürgermeister in Hattingen
Aus für Henrichshütte mit einem lauten Knall
Karneval mit Quetschkommode und Bollerwagen
Tausende strömen zum Baden in der Ruhr nach Hattingen
Als der Markenname Hill in Hattingen verschwunden ist

Übrigens: Am Tag nach dem Besuch in Hattingen werden die Bayern in Wuppertal kalt erwischt – Jürgen Kohle schießt den WSV in der 17. Minute in Führung. Aber Uli Hoeneß (32./59.), Paul Breitner (53.) und Franz „Bulle“ Roth (83.) drehen das Spiel noch in einen 4:1-Erfolg für die Gäste. 28.000 Zuschauer waren im Stadion am Zoo mit dabei.

>>> Folgen Sie unserer Redaktion auf Facebook – hier finden Sie uns

Am Ende der Saison 73/74 ist der FC Bayern zum fünften Mal deutscher Fußballmeister – und gewinnt in zwei Spielen gegen Atlético Madrid (1:1/4:0) zum ersten Mal den Europapokal der Landesmeister.

Der Wuppertaler SV schließt die Saison auf Platz 16 ab und bleibt ein weiteres Jahr im Oberhaus.