Hattingen. Günter Wüllner, der beliebteste aller Hattinger Bürgermeister, tritt ab, Stadtdirektor Dieter Liebig übernimmt. Es ist das Ende der Doppelspitze.
Zäsur in der Hattinger Stadtgeschichte: Am 1. Januar 1997 wird Dieter Liebig erster hauptamtlicher Bürgermeister in der Stadt – es ist das Ende der Doppelspitze aus Stadtdirektor und einem ehrenamtlichen Bürgermeister.
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Es war quasi eine Arbeitsteilung: Der Stadtdirektor, in diesem Fall Dieter Liebig, war Chef der Verwaltung; der Bürgermeister, hier Günter Wüllner, war ehrenamtlich tätig, vor allem für die Repräsentation der Stadt Hattingen verantwortlich und wurde vom Stadtrat gewählt. Dieses Modell war von der britischen Besatzungsmacht nach dem Krieg in NRW eingeführt worden.
Der Landtag änderte dies und hatte beschlossen, dass zur Kommunalwahl 1999 die Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte zum ersten Mal direkt von den Bürgern gewählt werden sollen.
In Hattingen wird der Wechsel vorgezogen
In Hattingen wird dieser Wechsel vorgezogen. Denn nachdem das Stadtjubiläum „600 Jahre Hattingen“ 1996 der Höhepunkt der Amtszeit von Günter Wüllner ist, zieht er sich als Bürgermeister zurück. Und die SPD entscheidet sich als stärkste Ratsfraktion für Dieter Liebig als neues Stadtoberhaupt.
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Es ist die benannte Zäsur, inhaltlich wie auch persönlich. Denn Günter Wüllner ist der Bürgermeister zum Anfassen, der „BüGüWü“, der Mann, der die Menschen mit nur wenigen Worten fesseln kann. Er selbst bezeichnet sich als „Kummerkasten für die Bürger”, ihm fliegen die Herzen zu. Er marschiert beim Hüttenkampf 1987 vorweg, kämpft und streitet für seine Bürgerinnen und Bürger.
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Ja, er ist auch bei seinen politischen Gegnern beliebt – weil er sich nicht vehement gegen sie stellt, weil er den Dialog sucht. Mit klarer Kante, aber auch mit einem warmherzigen Mutterwitz. Was ihn auszeichnet: Es handelt immer so, wie er es vorher gesagt hat.
Liebig und Wüllner loben sich gegenseitig
Das macht auch Dieter Liebig, kein Zweifel. Dass er lieber reiner Verwaltungschef geblieben wäre und für repräsentative Aufgaben einen ehrenamtlichen Bürgermeister behalten hätte, sagt er offen. „Ich bin nicht öffentlichkeitssüchtig, aber auch nicht öffentlichkeitsscheu!“ Unterm Strich hat er das auch gut hinbekommen.
Hattingens Stadtspitze: Fünf Männer und eine Frau
Nach der kommunalen Neuordnung im Jahr 1970 hatte die Stadt Hattingen bislang sechs Personen an der Stadtspitze – fünf Männer und eine Frau.Willy Brückner (1970-1977) sorgt für Zusammenhalt in den zusammengewürfelten Stadtteilen. Paul Wolf (1977-1985) arbeitet bis 1980 sogar noch parallel als Meister auf der Hütte.Günter Wüllner (1985-1996) folgt, ehe Dieter Liebig (1997-2004) als erster Einzelkämpfer nach Abschaffung der Doppelspitze übernimmt.Dagmar Goch (2004-2015) ist die erste Frau im Amt, Dirk Glaser (2015 bis heute) ist Hattingens erster parteiloser Bürgermeister. Die nächste Wahl steht im Jahr 2025 an.
„Es war mein Wunsch, dass Dieter Liebig mein Amt übernimmt als ich mit 70 Jahren aufgehört habe“,. sagt Günter Wüllner nach seinem Abschied zur WAZ. „Mit ihm habe ich gut zusammengearbeitet, bin nie von ihm enttäuscht worden.“
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Dieter Liebig lobt zurück: „Mir persönlich stand er sehr nah, wir haben eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet.“
Hattinger Wahlkampf im Jahr 1999
Seine vielleicht schwierigste Aufgabe bewältigt Liebig im Jahr 1999 – für seine Wiederwahl muss er Wahlkampf machen. Bei der ersten Direktwahl gibt es vier Kontrahenten: Michael Lunemann (CDU), Stefan Kietz-Borgwardt (Grüne/FWI), Ulrike Dieckmann (FDP) und den parteilosen Thomas Röthig. Es geht in die Stichwahl mit Lunemann: Am Ende hat Dieter Liebig 389 Stimmen Vorsprung und er wird damit auch der erste direkt gewählte Bürgermeister Hattingens.