Hattingen. „Einem allgemeinen Bedürfnis Rechnung tragend“ richtet die Stadt Hattingen ein Pissoir ein. Später steht an dieser Stelle dann der Affenfelsen.

Vom Pissoir über den Affenfelsen zum Treidelbrunnen – auf dem Obermarkt wird seit Beginn des 20. Jahrhunderts etwas für die Bürger getan. Jedes Bauwerk hat zu seiner Zeit seine Aufgabe erfüllt.

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Im Jahr 1905 handelt die Stadtspitze „einem allgemeinen Bedürfnis Rechnung tragend“. Sie stellt mitten auf dem Obermarkt eine Bedürfnisanstalt auf – ein Pissoir, natürlich nur für Männer. Eine Laterne weist den „Herren“ den Weg zur Erleichterung, der Andrang aus den gut und gerne 50 Gast- und Schankwirtschaften ist groß. Und doch wird es 1930 wieder entfernt.

Fortan kurvt nur noch die Straßenbahn über den Platz.

Blick auf den Affenfelsen, den es zwischen 1970 und 1988 auf dem Obermarkt gab.
Blick auf den Affenfelsen, den es zwischen 1970 und 1988 auf dem Obermarkt gab. © Unbekannt | Stadtarchiv

Erst als im Zuge der Stadtsanierung eine Fußgängerzone eingerichtet werden soll, sind neue Ideen gefragt. Abstrakte Kunst etwa, ein Betongebirge von Martin Einsele (1928-2000) – eine lange Sitzplastik mit der Optik von geschichteten Steinblöcken. Ja, der Affenfelsen!

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Umstritten vom ersten Tag an, schnell verlacht. Denn Zeitungsredakteur Bruno Meck erlaubt sich einen ganz besonderen Aprilscherz: Er montiert ein Foto so zusammen, dass Affen darauf sitzen – der Affenfelsen ist erfunden! (Manch Hattinger hat auch Augstein-Gebirge gesagt, frei nach Stadtdirektor Hans-Jürgen Augstein, der sich für das Werk ausgesprochen hatte.)

Das Kunstwerk wird zum Kletterwerk für Kinder. Abends treffen sich hier die jungen Menschen.

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Der Dienstag ist der Hattinger Markttag

Der Obermarkt ist untrennbar mit dem Untermarkt verbunden – denn hier spielt sich über Jahrzehnte das Marktreiben in der Stadt Hattingen ab.Hier kommen sie alle zusammen, die Handwerker und Künstler, die Krämer und Kirchspielbauer. Hier preisen sie ihre Werke an, machen gute Geschäfte.Der Dienstag ist von damals bis heute der Markttag in Hattingen geblieben, auch wenn der Markt längst nicht mehr am Unter- und Obermarkt abgehalten wird.Inzwischen findet der Dienstag-Marktauf der Großen Weilstraße statt. Zudem gibt es auch noch den Samstag-Markt auf dem Rathausplatz am Finanzamt.

Mitte der 1980er-Jahre beginnt in Hattingen die Zeit, in der die Erinnerung an die eigene Vergangenheit immer mehr Bedeutung gewinnt. Etwa die Jahrhunderte, in denen die Ruhr der am stärksten befahrene Fluss Deutschlands war – als in Hattingen noch getreidelt wurde.

Heißt: So genannte Aaken transportierten Rohstoffe wie Kohle und Eisen, Salz, Getreide und Baumwolle. Diese Schiffe wurden dann von Pferden, die auf dem Leinpfad liefen, an langen Leinen gezogen (getreidelt). Und diesem Teil der Stadtgeschichte sollte Tribut gezollt werden – mit einem Denkmal.

Der Treidelbrunnen steht heute auf dem Obermarkt. Die Sparkasse hat ihn 1988 der Stadt spendiert.
Der Treidelbrunnen steht heute auf dem Obermarkt. Die Sparkasse hat ihn 1988 der Stadt spendiert. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Gesagt, getan: Die Sparkasse Hattingen spendiert anlässlich ihres 150-jährigen Bestehens einen Brunnen für 400.000 Mark, als Künstler wird der Aachener Bildhauer und Beuys-Schüler Bonifatius Stirnberg ausgesucht.

Die Bürger genießen ihren neuen Treidelbrunnen

Im November 1987 wird der Treidelbrunnen, bei dem die zunächst angedachten Pferde nun doch fehlen, gegossen, im Juni 1988 der Öffentlichkeit vorgestellt. Und klar, auch dieses Werk ist um­stritten. Vor allem der politische Kulturausschuss spielt sich auf: Ist es Kunst, wenn Kinder auf dem Schiff herumklettern dürfen? Ist so etwas Gegenständliches überhaupt Kunst? Sollten wir nicht etwas Anderes, etwas Bedeutendes bauen?

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Diese Bedenken gehen aber an den Wünschen der Bürger vorbei. Die genießen nämlich ihren neuen Treidelbrunnen: Die Sitzbänke sind schnell voll besetzt, Kinder lieben es, in den hitzigen Sommern, in dem ums Boot herumplätschernden Wasser zu planschen. Kurz Den allgemeinen Bedürfnissen dieser Zeit wird Rechnung getragen.