Hattingen. In der Nacht zum 17. Mai 1943 trifft die Möhne-Katastrophe mit voller Wucht auf Hattingen. Augenzeugen sprechen von „schrecklichen Bildern“.

Wasser, überall ist Wasser. Meterhoch stehen in Hattingen die Fluten. Die Katastrophe trifft die Menschen im Schlaf, mitten im Krieg. Britische Lancaster-Bomber haben die Möhne-Talsperre angegriffen und mit hüpfenden Bomben zerstört – mehr als 130 Millionen Kubikmeter Wasser strömen ins Tal. Ein Drama.

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9,46 Meter hoch steht der Ruhrpegel am Vormittag des 17. Mai 1943, besagen damalige Quellen. Es ist der höchste Wasserstand, der je in Hattingen verzeichnet wurde. Bei der Badeanstalt Stolle zum Beispiel, an der das Flussbett bei normalem Durchfluss etwa 35 Meter breit ist, wächst die Ruhr auf mehrere Hundert Meter an.

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Eklig ist das Wasser, lehmbraun, voller Tierkadaver, Baumteile, Sträucher und Balken – aber eben auch voller Häuserteile und Telegrafenmasten. Die Bürger sind ebenso fasziniert wie schockiert.

Die Geschichte der jungen Hattingerin Helga B.

Augenzeugen berichten noch Jahrzehnte später von den Fluten. Heimatfreund Gerhard Wojahn etwa hat seine Erinnerungen für die WAZ aufgeschrieben, wie zum Beispiel die Geschichte der jungen Hattingerin Helga B.:

„Sie wurde von ihrem Chef gleich nach Bekanntwerden des sich nähernden Hochwassers heimgeschickt. Da die Straßenbahn den Betrieb über die Ruhrbrücke bereits eingestellt hatte, nahm ein Hattinger Soldat, der Obergefreite G., die junge Frau mit von der Baaker Seite über die Brücke und durch die steigende Flut zur Stadt. Sie schafften es aber nur bis zum Haus Wallbaum. Helga konnte sich zunächst an einen Baum ­klammern, dann wurde sie doch von der Strömung mitgerissen. Bei dem Versuch, das Mädel zu retten, ertrank der tapfere Soldat. Die in höchster Not schwebende Hat­tingerin wurde von zwei beherzten Männern mit einem Boot ge­borgen. Der tragische Tod des Soldaten löste bei allen Hattinger Bürgern tiefstes Mitgefühl aus. Er hatte von seiner Einheit Sonderurlaub erhalten und befand sich auf dem Wege von der Ostfront zur Heggerstraße. Sein Haus war bei dem Luftangriff am 14. Mai 1943 schwer beschädigt worden.“

In Gesprächen mit der Redaktion betonte er: „Die von Menschenhand ausgelöste Möhne-Katastrophe hat mich tief aufgewühlt.“

in Hattingen Wojahn Fremdbild nur zur einmaligen Verwendung
in Hattingen Wojahn Fremdbild nur zur einmaligen Verwendung © Fremdbild | Fremdbild

Die historischen Höchststände der Ruhr

Eine zuverlässige Messung des Ruhrpegels gibt es erst seit Ende der 1960er-Jahre. Sie wird durch den Ruhrverband vorgenommen.

Den höchsten Pegel erreichte die Ruhr dabei im vergangenen Jahr am 15. Juli – nach dem Sturmtief Bernd wuchs der Pegel bis auf 7,00 Meter an. Zuvor lag die höchste Pegelmessung aus dem Jahr 2007 bei 6,18 Metern.

Seit dem Sommer 2018 erinnert eine im Jahr 1966 erschaffene Steele an der Ruhrbrücke nahe der Straße „Am Wallbaum“ an drei besondere Hochwassermarken: eben die Möhne-Katastrophe am 16. und 17. Mai 1943 (9,46 Meter) sowie an die Hochwasser wegen Starkregen und Schmelzwasser in den Jahren 1890 (8,60 Meter) und 1909 (7,97 Meter).

Friedhelm Tetenberg schreibt für die frühere Hattinger Seniorenzeitung „WiR“ über einen Mann, der im Weidezaun hängen geblieben ist: „Er wollte aus dem Lebensmittel­geschäft noch schnell etwas Vorrat holen. Er wurde auf dem Rückweg zur Turbine (des Pumpwerks – die Red.) wohl von der unterschätzten Strömung mitgerissen.“ Tetenberg beobachtet „schreckliche Bilder“. Der Mann blieb am Zaun hängen und ertrank.

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Manfred Rogge berichtet, wie die Badeanstalt Kistner in Winz-Baak, die „schon für den Saisonbetrieb hergerichtet“ war, aus der Verankerung gerissen wurde und gegen den letzten noch aus dem Wasser herausragenden Teils der Ruhrbrücke knallte. Kistners Frau hatte kurz zuvor noch zu ihrem Mann gesagt: „Heinrich, lot us no Huse gon, das Water kömmt!“

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