Hattingen. Ende. Aus. Vorbei. Mönninghoff ist seit Juni 1984 ein Stück Hattinger Stadtgeschichte. Ein Tagebuch des letzten halben Jahres des Metallbetriebs.

„Radikal-Sanierung droht: Bei Mönninghoff sollen 247 gehen – Banken sperren Auszahlungen“, titelt die WAZ Hattingen am 18. Januar 1984. Nur eine Woche später kommt es dann noch schlimmer: Die ehemaligen Gottwald-Werke stürzen in die Insolvenz – das Aus für den Betrieb, das Ende von vielen Lebensträumen der Mitarbeiter. Hattingens erster großer Arbeitskampf beginnt. Ein Tagebuch.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Hattingen verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. Jeden Abend schicken wir Ihnen die Nachrichten aus der Stadt per Mail zu. +++

31. Januar 1984. Die Belegschaft beschließt in einer Betriebsversammlung einstimmig: „Wir erklären, dass wir angesichts der existenzbedrohenden Umstände für uns und unsere Familien zum Schutze der Produktionsanlagen und unserer Arbeitsplätze befristet den Betrieb besetzen.“

„Das Werk wurde von der Schließung bedroht, obwohl es intakt war und über gut gefüllte Auftragsbücher verfügte“, so der damalige Betriebsratsvorsitzende Gerd Grevel. Die Krise sei durch Missmanagement wie durch die Insolvenz der Mutter, die Bomin-Gruppe in Bochum, herbeigeführt worden.

3. Februar 1984. Hoffnung: Die Produktion des finanziell angeschlagenen Unternehmens kann mindestens bis Ende Februar laufen. Banken und Kreditverwalter haben überraschenderweise Zugeständnisse gemacht und so ein Weiterarbeiten in der Firma ermöglicht. Nun soll eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein Sanierungskonzept erarbeiten. Die Mitarbeiter führen die Produktion in Eigenregie fort.

Betriebsbesetzung bei Mönninghoff: Blick auf die Werkseinfahrt an der Gottwaldstraße.
Betriebsbesetzung bei Mönninghoff: Blick auf die Werkseinfahrt an der Gottwaldstraße. © Unbekannt | Otto König

6. Februar 1984. Die Hoffnung des IG-Metall-Bevollmächtigten Otto König, mit der Bank eine Vereinbarung treffen zu können, erfüllte sich nicht.

„Mönninghoff war ein großes Lernbeispiel“, sagt König später gegenüber der WAZ. „Es ging sofort volle Lotte los – und nicht mehr nur um Sozialpläne, sondern darum, Alternativen zu entwickeln und Ersatzarbeitsplätze zu schaffen.“ Der Kampf ist der drittgrößte in Hattingen.

>>> Mehr Nachrichten aus Hattingen und Sprockhövel

24. Februar 1984. Ein sechsstündiges Gespräch im Wirtschaftsministerium bringt einen Teilerfolg: Mönninghoff soll weiter bestehen, die Belegschaft muss aber von 800 auf 300 Mann verringert werden.

30. März 1984. Die Stadt Hattingen signalisiert, sich mit zwei Millionen DM an der Rettung der Arbeitsplätze zu beteiligen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind – sich also auch das Land NRW und die Banken sich daran beteiligen.

Die Stadtspitze – hier Stadtdirektor Hans-Jürgen Augstein – hat versucht, die Mönninghoffer im Arbeitskampf zu unterstützen. 
Die Stadtspitze – hier Stadtdirektor Hans-Jürgen Augstein – hat versucht, die Mönninghoffer im Arbeitskampf zu unterstützen.  © Unbekannt | WAZ-Archiv

8. Mai 1984. Die Banken machen dem „Hattinger Modell“ der Mönninghoffer – die Fortführung des Betriebs durch die Belegschaft – einen Strich durch die Rechnung. Sie tragen den Plan nicht mit und sorgen somit für das Aus des Mönninghoff-Werks am Beul.

Das Aktionshaus der Mönninghoffer

Der „Förderverein Mönninghoff“ baut nach der Pleite ein Aktionshaus an der Roonstraße auf – zunächst als Treffpunkt für arbeitslose Kollegen, ab dem Jahr 1990 für jedermann.Die Mönninghoffer wollen helfen – Menschen, die in Not sind oder sich nicht selbst helfen können. Sie starten eine Holzwerkstatt und arbeiten hier für Kindergärten und soziale Einrichtungen. Im Jahr 2013 löst sich der Förderverein auf – fast auf den Tag genau 29 Jahre nach dem Aus.

Was bleibt: Mönninghoff ist ein Eisbrecher in der Frage, wie Betriebsräte Berater finanzieren können. „Das Land hat am Beispiel Mönninghoff einen Topf für sowas geschaffen. Das war eine der positiven Geschichten“, so Otto König.

29. Juni 1984. Bei Mönninghoff wird die letzte Schicht gefahren. Die Beschäftigten verlassen erhobenem Hauptes den Betrieb an der Gottwaldstraße, demonstrieren in der Altstadt und ketten ihre 800 Arbeitsplätze symbolisch in Form eines schwarzen Sarges an die Bank-Filiale an der Heggerstraße.

>>> Folgen Sie unserer Redaktion auf Facebook – hier finden Sie uns

„Der Versuch, mit einer beschäftigungs- und regionalpolitischen Alternative hunderte Arbeitsplätze zu retten, scheiterte an der Angst der Vertreter des Finanzkapitals vor einem von Arbeitnehmern übernommenen Betrieb“, stellt der Betriebsrat fest. „Unser Beispiel könnte ja Schule machen“

Ende. Aus. Vorbei. Mönninghoff ist Hattinger Geschichte.

>>> Blitzlichter des 20. Jahrhundert
Til Schweigers Tage auf der Henrichshütte
„Schandmauer“: Mahnmal und Zeichen der Solidarität
7 Kilometer Luftbrücke zwischen Sprockhövel und Hattingen
Als die Scorpions die Ruhrwiesen rockten
Olympia-Gold für Hattingen: Ruderhaus wird zum Tollhaus
Los entscheidet über neuen Bürgermeister in Hattingen
Aus für Henrichshütte mit einem lauten Knall
Karneval mit Quetschkommode und Bollerwagen
Tausende strömen zum Baden in der Ruhr nach Hattingen
Als der Markenname Hill in Hattingen verschwunden ist
Was Paul Breitner und Gerd Müller in Hattingen gemacht haben
Die Invasion der Kelly-Fans auf dem Untermarkt
Für die allgemeinen Bedürfnisse der Bürger in Hattingen
Wie Hattingen in den Zwanzigern zur Hitler-Hochburg wird
Ende der Doppelspitze – Liebig kommt für Wüllner
Die Nacht, in der die Ruhr die Stadt Hattingen überflutet
Oliver Bierhoff kommt als Trauzeuge in Hattingen vorbei
Dieser Brand an der Unionstraße bleibt ein Rätsel
Frank Wagners Schuss ins Glück für den TuS Hattingen