Hattingen. Barmherzigkeit in Bredenscheid: Theresia Albers baut ein Heim für lernbehinderte Mädchen – Auftakt ihres wegweisenden Schaffens in Hattingen.
Ja, ein Heim für lernbehinderte Mädchen ist der Lebenstraum von Theresia Albers. Als sie im Jahr 1919 zufällig in der Zeitung liest, dass ein abgebrannter Bauernhof in Bredenscheid zum Verkauf steht, ist das für die 47 Jahre alte eine Art Fingerzeig Gottes und die gedankliche Grundsteinlegung für ihr Antoniusheim.
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Gelesen, getan: Die Seraphische Caritas kauft noch im selben Jahr das mehrere 100 Morgen große Hegenbergsche Gut, Albers gründet ein Jahr später den Schwestern-Orden „Zum Zeugnis der Liebe Christi“ in Bredenscheid. Die Gebäude werden instand gesetzt, das Antoniusheim wird errichtet und am 14. September 1924 eingeweiht.
Zu Beginn arbeiten hier drei Schwestern und zwei Männer für die Landwirtschaft, doch schon nach kurzer Zeit ziehen 16 minderbegabte Mädchen ein. Später auch andere hilfsbedürftige Personen.
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„Tragt mit ungebrochenem Mut die Flamme der göttlichen Liebe zu allen Menschen, mit denen euch euer Beruf zusammenführt“ ist der Leitspruch von Theresia Albers. Lange bevor es staatliche Fürsorgen gibt, kümmert sie sich um geistig behinderte Kinder und Jugendliche. Ihr Grundsatz: Kranke und Hilfsbedürftige uneingeschränkt unterstützen – ohne nach der Herkunft, Glaubenszugehörigkeit oder Bildung zu fragen.
Immer wieder fehlt Geld
Das Antoniusheim ist in Betrieb, doch es fehlt immer wieder Geld und Akzeptanz im evangelischen Bredenscheid für eine katholische Einrichtung. Und es gibt einen Rechtsstreit mit dem früheren Besitzer. Doch Theresia Albers geht unbeeindruckt ihren Weg weiter und gründet im März 1926 die „Caritasschwestern vom göttlichen Kinderfreund“ – sie ist die Oberin und hat 17 Mitschwestern.
Ihr Zimmer ist der Treffpunkt des Hauses, es ist zugleich Pfortenzimmer und Esszimmer der Schwestern. Sie ist nie allein, hört sich geduldig die Sorgen und Nöte an, hilft mit Rat und Trost. Theresia Albers ist eine Ersatzmutter für die Kinder. Schon 1930 haben 40 Mädchen hier ein neues Zuhause.
Unterkunft für Flüchtlinge
Doch dann ziehen am politischen Himmel dunkle Wolken auf. Durch die Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 gerät das Leben der Bewohnerinnen in ernsthafte Gefahr, geistig Behinderte stehen auf Hitlers „Euthanasie-Programm“ an erster Stelle. Wie durch ein Wunder bleibt das Antoniusheim im Krieg verschont. Es dient zudem vielen Flüchtlingen als Unterkunft – nach einem Bombenangriff auf das Evangelische Krankenhaus werden 1944 beispielsweise 80 Kranke aufgenommen. Es wird der Satz geprägt: „Weißt du weder aus noch ein, dann gehe zum Antoniusheim.“
Über die Theresia-Albers-Stiftung
Theresia Albers ist am 21. Januar 1949 in Bredenscheid gestorben. Später wird das Antoniusheim erweitert und 1964 in Haus Theresia umbenannt und heute von der Theresia-Albers-Stiftung verwaltet. Ihr Erbe lebt in Alten- und Behinderten-Einrichtungen der Stiftung weiter.
In Hattingen betreibt die Theresia-Albers-Stiftung beispielsweise das Altenheim St. Josef an der Brandtstraße, das Theresia Albers selbst im Jahr 1933 als Wohnstätte für obdachlose Männer eröffnet hat. Auch das Pflegeheim St. Mauritius in Niederwenigern gehört dazu.
In Entwicklung ist darüber hinaus aktuell ein Haus für geistig behinderte Menschen in Niederwenigern.
„Mutter Theresia“, wie sie von allen genannt wird, hilft so gut sie es kann – sie baut 30 Einrichtungen auf, in denen die Schwestern karitativ und seelsorgerisch tätig sind. „Sie kannte keinen Feierabend und hat so lange gearbeitet, bis ihr Gott selbst den Feierabend gebot“, schreibt Amtmann August Ackermann einem Beileidsbrief zu ihrem Tod im Jahr 1949. Auf ihrem Grabstein steht: „Ihr Leben war Liebe“!
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