Hattingen. Buddeln, bis die Hände Blasen haben: Schülerinnen und Schüler der legendären Buddel-AG legen die Reste der Isenburg-Ruine in Hattingen frei.

Ganz klar, das ist die bekannteste Arbeitsgemeinschaft einer Schule in der Hattinger Stadtgeschichte: Mit Leidenschaft und Liebe zur Heimatkunde startet Heinrich Eversberg im Jahr 1970 gemeinsam mit Schülern des Gymnasiums Waldstraße Ausgrabungen auf dem Isenberg – stets auf der Suche nach den Resten der Isenburg, die seit 1226 nur noch als Ruine existiert. Die Buddel-AG gräbt gut und gerne 15.000 Teile aus.

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Der Samstagnachmittag gehört der Burg. Erst nur für die Jungs, ab 1975 kommen auch die Mädchen hinzu. Es sind so um die 560 Menschen – Schülerinnen und Schüler, Freunde und Nachbarn, Jung und Alt –, die in 20 Jahre mit anpacken, bis die Ruine freigelegt ist. Etwa der Bergfried, der zu Beginn ein von Buchen bewachsener Erdhaufen ist.

Insgesamt rund 560 Mitglieder hatte die Buddel-AG.
Insgesamt rund 560 Mitglieder hatte die Buddel-AG. © Archiv | WAZ

Gegründet wird die Arbeitsgemeinschaft schon vier Jahre früher. „Aus dringenden archäologischen Gründen“, erklärt Eversberg der Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde, werde zunächst an der Burg Altendorf die Arbeit aufgenommen. Ziel ist aber bereits 1966 die Isenburg – denn in diesem Jahr will der Blatzheim-Konzern einen Teil des Isenbergs samt Burgruine kaufen, um dort ein Hotel zu bauen. Eversberg soll deshalb prüfen, ob es womöglich noch kulturgeschichtlich bedeutende Überreste gibt. Was tun? Der Studiendirektor gründet eine Arbeitsgemeinschaft, sie ist eine der ersten des Landes NRW. Seine Oberstufenschüler steckt er mit seiner Begeisterung für Spitz­hacke, Schaufel und Schubkarre an – und so wird losgebuddelt.

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Die Isenburg besteht gerade einmal 25 Jahre lang

Die Isenburg. Sie ist eins der Hattinger Wahrzeichen, kein Zweifel. 25 Jahre nach ihrer Fertigstellung thront sie 1225 in weißer Pracht über dem Ruhrbogen, bewohnt von den Isenbergern, einem Abzweig des Grafen von Altena. Doch der Frieden wird durch einen familiären Zwist gestört: Friedrich von Isenberg und sein Onkel zweiten Grades, Erzbischof Engelbert I. von Köln, streiten über die Vogteirechte des Reichsstifts Essen. In der Dämmerung des ersten Freitags im November 1225 lauert Friedrich seinem Onkel auf – gemeinsam mit seinen Schergen meuchelt er ihn. Der Graf flüchtet, doch die Isenburg – eine der größten und wehrhaftesten Anlagen im Land, strategisch ideal am Hilinciweg und dessen Übergang über die Ruhr an einer Furt gelegen – wird im Winter 1225/26 durch Schleifen bis auf die Grundmauern zerstört.

Die Isenburg: Aus Ober- und Unterburg bestand die Anlage, die eine Gesamtlänge von 240 Metern aufwies.
Die Isenburg: Aus Ober- und Unterburg bestand die Anlage, die eine Gesamtlänge von 240 Metern aufwies. © Funke Foto Services GmbH | Repro: Fischer

Mehr als 700 Jahre später wird hier gebuddelt, bis die Hände Blasen haben. Mit Enthusiasmus entdecken die jungen Hobby-Archäologen immer wieder neue Teile, sichern ein Stück Stadtgeschichte des damaligen Hatneghens. Der Rekord sind dabei 140 Schubkarren voller Schutt, die an nur einem Tag zusammengetragen werden.

2002: Höchste Denkmal-Auszeichnung

Heinrich Eversberg gründet im Jahr 1976 den Verein zur Erhaltung der Isenburg. Es ist eine Notlösung, weil sein Ruhestand als Lehrer bevorsteht – und die Buddel-AG ist an eben diese Tätigkeit gebunden.Zweimal in der Woche darf Eversberg die Buddler bis zum Jahr 1980 noch weiter anleiten. Danach wird er Vorsitzender des Vereins, der im Jahr 1990 seinen ersten Vorstand ohne den Gründer der Buddel-AG wählt.Im Jahr 2002 bekommt der Verein in Berlin den höchsten deutschen Denkmalschutzpreis verliehen. Für die Mitglieder bedeutet dies die Anerkennung ihrer eigenen Arbeit – sie halten die Anlage in Schuss und haben im Haus Custodis, das 1855 auf der Ruine errichtet wurde, eine Ausstellung zusammengestellt.

Nachdem das Haus Custodis am 26. August 1985 in Flammen steht, zieht sich Henrich Eversberg aber zurück. Vier Jahre später, nach der Veröffentlichung des Abschlussberichtes, erklärt er das Projekt für beendet. Er kehrt nie wieder auf den Isenberg zurück.

Stattdessen findet Jürgen Uphues samt Familie hier seine Heimat: 1973 hat er hier als Schüler seinen ersten „Arbeitstag“ als Buddler – rund 20 Jahre später zieht er end­gültig ein. Der städtische Denkmalpfleger hegt und pflegt mit seinen Vereinskollegen das erhabene Anwesen – einen besseren Burgwart kann es nicht geben.

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