Hattingen. Groß ist das Geschubse, auf der neuen Fußgängerbrücke wird es gefährlich eng. Hundert wollen sehen, wie der erste Zug in Hattingen-Mitte ankommt.

Bahnbrechendes an der B 51: Gleich neben der Hauptverkehrsader der Stadt rollt an diesem Freitag um 14.37 Uhr der erste Zug zum neuen Bahnhof Hattingen Mitte. Hunderte drängen auf den Bahnsteig und sind dabei, als Bürgermeister Günter Wüllner diesen historischen Tag würdigt: „In unserem Kampf um die Arbeitsplätze auf der Hütte ist die Eröffnung des S-Bahnhofs ein Ereignis, dass uns hoffnungsvoll stimmt!“

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Ganz langsam gleitet der orange-weiße Zug der Bahn am 3. Juli 1987 in den Kopfbahnhof, mit quietschenden Rädern kommt er zum Stillstand. Hochmodern öffnen sich die Schiebetüren automatisch, Ehrengäste und andere Bahnfahrende steigen aus, genießen kurz die angenehme Kühle des unterirdischen Bahnhofs. Die verfliegt durch die Enge der vielen Menschen schnell. Auch weil immer mehr Besucher zum Altstadtfest kommen, das parallel eröffnet wird und wieder mit dem beliebten Mittelaltermarkt auf dem Kirchplatz die Massen lockt.

Letzte Verschönerungsarbeiten: Noch am Morgen wird daran gearbeitet, dass zur großen Eröffnung alles fertig ist.
Letzte Verschönerungsarbeiten: Noch am Morgen wird daran gearbeitet, dass zur großen Eröffnung alles fertig ist. © WAZ | Michael Korte

21,7 Millionen Mark sind seit dem ersten Rammenschlag am 19. April 1985 für Trasse und Bahnhof verbaut worden. 37.000 Kubikmeter Boden wurden bewegt und 2000 Meter Leitungen verlegt, 7000 Kubikmeter Beton waren nötig und 1000 Tonnen Stahl, zudem 1200 Meter Gleise und Fahrleitungen. 850 Quadratmeter Bahnsteig sind fertig gepflastert, 1100 Quadratmeter Wand und Decken verkleidet. Für den Parkplatz (100 Stellplätze) wurden acht Großbäume versetzt und 4000 Quadratmeter Grünfläche angelegt.

Kosmetische Korrekturen am letzten Morgen

Noch am Morgen des 3. Juli 1987 wird fieberhaft an der Fertigstellung gewerkelt. Hier ein paar Glasarbeiten, da einige kosmetische Korrekturen. Plakate und Transparente werden festgenagelt, Infostände der Bundesbahn aufgebaut. Dienststellenleiter Erich Bimpage hat alles fest im Blick.

Bürgermeister Günter Wüllner (vorne links) und Ehrengäste bei der Eröffnung des Bahnhofs Hattingen Mitte.
Bürgermeister Günter Wüllner (vorne links) und Ehrengäste bei der Eröffnung des Bahnhofs Hattingen Mitte. © WAZ | Michael Korte

Die Hattingerinnen und Hattinger sind voller Vorfreude. Denn endlich sieht man bei einer Großveranstaltung auch mal wieder lachende Gesichter – das war bei der Großdemonstration auf dem Rathausplatz im März („Aufschrei der 30.000“) oder auch der Menschenkette quer durch die Stadt von der Ruhr- bis zur Kosterbrücke im April noch ganz anders aus. Der Hüttenkampf prägt die Menschen.

Ausbau „zu einem attraktiven Mittelzentrum im Revier“

Deshalb ist es umso schöner, dass an diesem Tag so viel Freude in der Stadt ist. Hattingen könne sich neben der Basis Stahl und Stahlverarbeitung ein „zweites Standbein schaffen“, meint der Bürgermeister – nämlich den Ausbau „zu einem attraktiven Mittelzentrum im Revier“. Günter Wüllner: „Unsere Altstadt soll darüber hinaus ein beliebter Anziehungspunkt im Städtetourismus sein.“

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Altstadtfest 1987

Wer so kämpft, darf auch mal drei Tage feiern – das sagen sich die Hattingerinnen und Hattinger vom 3. bis 5. Juli 1987 mit Blick auf den Hüttenkampf.

150.000 Besucher zählt die Polizei beim 13. Altstadtfest, alleine am Samstagabend sind es rund 70.000 Einheimische und Gäste, die sich durch die engen Sträßchen und Gässchen der Altstadt schieben.

Auch die Bundesbahn hofft auf eine Belebung: 2000 Personen sollen künftig jeden Tag mit der S-Bahn fahren. Die direkte Anbindung zum Busbahnhof sorgt für eine Viertelstunde Zeitersparnis – das ist der wohl größte Pluspunkt. Die Fahrt zum Essener Hauptbahnhof dauert nun 19 Minuten.

Dichtes Gedränge: Hunderte wollen in Hattingen Mitte mit dabei sein.
Dichtes Gedränge: Hunderte wollen in Hattingen Mitte mit dabei sein. © WAZ | Michael Korte

Groß ist das Geschubse an der Station, als der erste Zug ankommt. Auf der Rolltreppe und der neuen Fußgängerbrücke – 67 Meter klang, 3,50 Meter breit, 91 Tonnen schwer und etwa zwei Millionen Mark teuer – wird es gefährlich eng. Hattingen begeistert sich für die Deutsche Bundesbahn.

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Ein bisschen Verspätung hatte sie am Ende aber doch. Denn eigentlich sollte der Bahnhof bereits zum Fahrplanwechsel im Winter in Betrieb genommen werden – doch eine der Baufirmen meldete Insolvenz an und „der schwierige Winter“ sorgte für Verzögerungen. Dafür sind alle Fahrten an diesem ersten Tag bis 19 Uhr dann kostenfrei. Und es wollen so viele aus dem Gedränge mitfahren, dass die erste Bahn schon nach nur 60 Sekunden wieder zurück nach Essen rollt.

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