Mülheim. Die Raadter ZUE, ein umstrittener Fahrplanwechsel und weitere Debatten haben Mülheim 2023 bestimmt. Ein Überblick über wichtige Themen.

Das Jahr 2023 ist absehbar Geschichte. Zeit, um zurückzublicken. Auf Debatten, die sich fast über die gesamten zwölf Monate gezogen haben, oder auf Ereignisse, die einmalig Schlagzeilen gemacht haben. Ein Mülheimer Jahresrückblick.

Ein solcher kommt seit einigen Jahren nicht ohne das Thema Flüchtlinge aus. Die Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes - kurz ZUE - hält Anwohnerinnen und Anwohner seit Jahresbeginn in Atem, spätestens aber seit Mitte Juni 650 geflüchtete Menschen dort untergebracht sind. Politik und Verwaltung hinterließen einen gespaltenen Stadtteil. Etliche Fehlalarme und zwei verlegte Bewohner aufgrund eines mutmaßlichen Einbruchs, der sich am Ende nicht als ein solcher entpuppte, sorgten in Raadt für Aufregung.

Pläne für die Unterbringung weiterer Flüchtlinge, aber auch Rückbau von Plätzen

Um die ZUE auf lange Frist überflüssig zu machen, treiben die Stadt und das Wohnungsbauunternehmen MWB ihre Pläne auf dem Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei voran, elf Wohnblöcke mit 135 Wohnungen zu errichten. Zudem soll auch eine Fläche an der Heißener Blücherstraße vorgehalten werden. Dort formierte sich im April ein deutlicher Protest. Es gehe dabei aber in erster Linie um Naturschutz und den Erhalt der Freifläche, hieß es.

Gaben die Harbecke-Sporthalle im August an den Sport zurück: Nicole Nußbicker und Frank Esser vom Mülheimer Sportbund, Martina Ellerwald vom Mülheimer Sportservice, Sozialdezernentin Daniela Grobe und Oberbürgermeister Marc Buchholz (v.l.).
Gaben die Harbecke-Sporthalle im August an den Sport zurück: Nicole Nußbicker und Frank Esser vom Mülheimer Sportbund, Martina Ellerwald vom Mülheimer Sportservice, Sozialdezernentin Daniela Grobe und Oberbürgermeister Marc Buchholz (v.l.). © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Doch es geht auch andersherum: Pünktlich zum neuen Schuljahr gab die Stadt die Harbecke-Halle nach 16 Monaten als Flüchtlingsunterkunft wieder an den Sport zurück. Außerdem hat die Stadt mit dem Freiziehen der Einrichtung an der Oberheidstraße begonnen.

Nahverkehrsplan: Ruhrbahn musste schon mehrfach nachbessern

Ein großes Streitthema war der neue Nahverkehrsplan, der Anfang August in Kraft trat. Schon wenige Tage später musste die Ruhrbahn aus Personalmangel ihr Angebot kürzen, vor allem im Bereich der Einsatzbusse für den Verkehr zu den Mülheimer Schulen wurde schon mehrfach nachgebessert, im Januar erneut. An einer neuen Mobilstation an der Düsseldorfer Straße in Saarn sollen Nutzerinnen und Nutzer künftig noch schneller auf andere Verkehrsmittel wechseln können.

Auch der Flughafen Essen-Mülheim ist Dauergast in Mülheimer Jahresrückblicken. Für das Areal auf den Raadter Höhen stellte die Stadt im Januar den Siegerentwurf eines Wettbewerbsverfahrens vor. Präsentiert wurden zwei Szenarien – mit und ohne Flugbetrieb nach 2034. Dass sich viele Beteiligten eher auf Option eins vorbereiten, zeigte etwa der erste Start eines von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit zugelassenen Elektroflugzeugs im Februar. Richtfest feierte im September derweil der neue benachbarte Bürokomplex „DOQ 52“. Auf dem rund 7600 Quadratmeter großen Grundstück entstehen Bürokomplexe sowie ein Parkhaus.

Vermarktung der Parkstadt schreitet weiter voran – Debatte um Wohnungen

Auch andere Stadtentwicklungsprojekte blieben Thema: Während die Vermarktung der Parkstadt auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal weiter voranschreitet, läuft die Debatte um eine mögliche Wohnbebauung, in deren Folge vier Bürgervertretungen aus dem Projektbeirat austraten. Investor Soravia ruderte im Mai in Sachen Höhe und Anzahl der Wohnungen zurück. Zuletzt sorgten die Pläne für ein mögliches neues Kino auf dem Gelände für Aufsehen.

Wolfgang Kurzacz-Dörflinger (Soravia) blickt auf den neu gebauten Lichthof im ehemaligen Mülheimer Tengelmann-Gebäude hinab.
Wolfgang Kurzacz-Dörflinger (Soravia) blickt auf den neu gebauten Lichthof im ehemaligen Mülheimer Tengelmann-Gebäude hinab. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Im Bereich Mülheim-West zwischen Ruhrbania und Styrum gibt es seit März zwar die ersten Pläne, plötzlich geriet dabei aber die Zukunft der Friedrich-Wilhelms-Hütte in Gefahr. Nachdem sich eine breite politische Mehrheit pro Hütte formiert hatte, bekannten sich auch die Grundstückseigentümer schließlich zum Industriestandort.

Neues Handlungskonzept will Styrum nach vorne bringen

Auch in Styrum selbst könnte sich in Zukunft etwas tun. Das verspricht zumindest ein im März vorgestelltes Handlungskonzept mit 69 konkreten Maßnahmen, das Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe nach sich zöge. Im benachbarten Dümpten sollen derweil ein neues Gewerbequartier sowie 60 bis 70 Wohnungen dort entstehen, wo heute noch das Hotel und Freibad Kämpgens Hof existieren. Beide würden absehbar schließen, vermutlich auch deswegen hatte das Bad bis zu einem Hilferuf in diesem Sommer kaum Besucher.

Etliche Male war in diesem Jahr auch der Rathausmarkt Inhalt unserer Berichterstattung. Der mittlerweile heruntergekommene Kiosk erstrahlte seit Anfang Mai plötzlich in bunten Farben – Hintergrund war ein Kunstprojekt. Neue Pläne sollen den Bereich vor dem Rathaus künftig autofrei machen, sie fallen aber wohl kleiner aus als zunächst gedacht.

Baurecht für Lindgens, erste Pläne für die Hauptpost

Weitergehen könnte es bald auch an zwei weiteren Stellen: Auf dem ehemaligen Lindgens-Areal in Saarn wurde Baurecht für 250 Wohnungen geschaffen – Streit gab es nur um einen Straßennamen. Für den 11.000 Quadratmeter großen Bereich der alten Hauptpost hinter dem Bahnhof wurden Ende August erste Pläne vorgestellt – inklusive Hochhaus. In Heißen gab das städtische Wohnungsbauunternehmen SWB Mitte November den Startschuss für einen weiteren wichtigen Teil seiner „Eichbaumsiedlung“. 126 Wohnungen sollen ab April 2024 an der Filchnerstraße entstehen.

Ein Modell der geplanten Bebauung zur Neugestaltung der Eichbaumsiedlung in Mülheim-Heißen.
Ein Modell der geplanten Bebauung zur Neugestaltung der Eichbaumsiedlung in Mülheim-Heißen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wirtschaftlich begann das Jahr mit einer schlechten Nachricht: Das „Dienstleistungszentrum Arbeit“ der Paritätischen Initiative für Arbeit (PIA) war pleite. 24 Beraterinnen und Berater in der Arbeitslosenvermittlung mussten nun selber um ihren Job bangen. Im Mai musste auch die PIA Stadtdienste gGmbH ein Insolvenzverfahren einleiten. Über 100 Mitarbeitende betreuten etwa die Radstationen, den Arche-Park im Witthausbusch oder das Naturbad. Nicht alles war zu retten.

Bei Vallourec fiel das letzte Rohr, neuer Investor steht in den Startlöchern

Im Fokus der Mülheimer Wirtschafts- und Planungspolitik stand in diesem Jahr die Vallourec-Fläche zwischen Dümpten und Styrum. Deutlich über 20 Artikel haben wir in 2023 zu diesem Thema veröffentlicht. Im August wurde dort das letzte Rohr produziert, der französische Hersteller trennt sich bekanntlich von seinen Standorten in Mülheim und Düsseldorf-Rath. Viele Beschäftigte sind mittlerweile schon in anderen Jobs. Im Februar wurde ein Käufer des Areals präsentiert, doch „Logicor“ fiel bei der Mülheimer Politik durch. Stattdessen haben sich mittlerweile die Stadt und der niederländische Investor CTP auf einen Vertrag geeinigt.

Keine leichte Zeit für die großen Röhrenhersteller in Mülheim.
Keine leichte Zeit für die großen Röhrenhersteller in Mülheim. © Mülheim | Martin Möller

Apropos Rohrherstellung: Europipe verkaufte im April seine US-amerikanische Tochterfirma „Berg Pipe“ für 162 Millionen Dollar an Borusan Mannesmann mit Hauptsitz in Istanbul. Für den Standort in Mülheim hatte das keine Auswirkungen. Dennoch waren auch Europipe-Beschäftigte dabei, als rund 10.000 Stahlarbeiter aus großen Mülheimer Betrieben in Duisburg unter dem Motto „Brückenstrompreis jetzt“ für gezielte Hilfen des Bundes zur Sicherung von Arbeitsplätzen demonstrierten.

Bei Siemens in Mülheim läuft es wieder – was die Euphorie trübt

Bei Siemens Energy brummt es nach vielen schwierigen Jahren aktuell wieder. Allerdings fehlen nach massivem Stellenabbau in der jüngeren Vergangenheit nun etliche Stellen. Außerdem drücken die riesigen Verluste aus der Siemens-Windkraft-Sparte auf die Euphorie.

Von seinem ehemaligen Techno-Park zwischen Epping- und Mellinghofen hatte sich Siemens schon 2016 getrennt. Der jetzige Eigentümer will schon ab April die Bagger rollen lassen, um dem in die Jahre gekommenen Standort neues Leben einzuhauchen.

Aldi steigt in die Reihe der Lieferdienste ein

Mit Aldi Süd machte einer der anderen großen Player in Mülheim Ende des Jahres auf sich aufmerksam. Mit dem Angebot „Mein Aldi“ macht der Discounter den bisherigen Lieferdiensten Konkurrenz. Wir haben den Dienst getestet.

Per E-Auto werden die Einkäufe von Aldi ausgeliefert. Der Mindestbestellwert beträgt 20 Euro.
Per E-Auto werden die Einkäufe von Aldi ausgeliefert. Der Mindestbestellwert beträgt 20 Euro. © WAZ | Fabienne Piepiora

Der Bereich Handel wurde 2023 geprägt vom Umbau der beiden großen Einkaufszentren. Nachdem das Cinemaxx-Kino im Rhein-Ruhr-Zentrum Auszugsgerüchten trotzte und stattdessen einen größeren Umbau ankündigte, schwebte im Frühjahr die unklare Karstadt-Zukunft über dem RRZ. Im Juni wurde das gesamte Center schließlich verkauft, die neuen Eigentümer stellten Pläne für 180 Millionen Euro vor. Begleiten wird den Umbau ein neues Management, wie im Dezember bekannt wurde.

Ratskeller und Folkenborn schließen, zwei Umzüge aus der Nachbarschaft

In der Innenstadt wollen die Eisbar Sorelli‘s und der Concept Store Good Life den Standort am Rathausmarkt aufwerten. Beide sind vom Kohlenkamp in den alten Standort von Elektro Folkenborn gezogen. In unmittelbarer Nachbarschaft musste Dennis Kleischmann den traditionsreichen Ratskeller nach nur einem Jahr wieder aufgeben. Die Zukunft des Restaurants ist weiterhin ungeklärt.

Aktuell hält das Hochwasser Mülheim wieder in Atem. Auch im Juli wütete ein Unwetter über der Stadt, in Folge dessen bei Bernskötter in Heißen ein Rohr platzte und 4500 Quadratmeter des Möbelhauses unter Wasser setzte. Nach der Flut 2021 ist die Schleuseninsel in der Stadtmitte wieder hergerichtet. Während die Zukunft des Wasserbahnhofs weiter ungeklärt ist, entstand eine leidenschaftliche Debatte um die Bepflanzung rund um die berühmte Blumenuhr, die der im März gegründete Mülheimer Verschönerungsverein initiiert hatte. Die Uhr wurde bepflanzt, der restliche Bereich hingegen nur mit Rollrasen ausgelegt.

Personalmangel im Jugendamt: Mülheim sagt „Voll die Ruhr“ ab

Sorgen gab es aber nicht nur am Ufer, sondern auch in der Ruhr selbst. Denn Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR, NDR und Le Monde legten auch entlang der Ruhr Kontaminierungen durch sogenannte „Polyfluorierte Alkylsubstanzen“ (PFAS) offen.

Mit selbst gebauten Flößen wurde bei „Voll die Ruhr“ traditionell über die Ruhr geschippert.
Mit selbst gebauten Flößen wurde bei „Voll die Ruhr“ traditionell über die Ruhr geschippert. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zurück zur Schleuseninsel: Dort fanden bis 2019 stets die beliebten Jugendfestspiele „Voll die Ruhr“ statt. Wegen Personalmangels im Amt für Kinder, Jugend und Schule musste das Event aber in diesem Jahr abgesagt werden. Die Personalnot zog sich wie ein roter Faden durch die Verwaltung und führte unter anderem zu unzumutbaren Zuständen beim Bürgeramt oder der Ausländerbehörde. Auch die Pflege der Mülheimer Wälder wurde stark vernachlässigt, sie wird in Zukunft vom Regionalverband Ruhr Grün übernommen.

Mülheim macht 69 Millionen Euro Überschuss

Gute Nachrichten verkündete hingegen Stadtkämmerer Frank Mendack gleich zu Beginn des Jahres: Mülheim hatte einen Überschuss von 69 Millionen Euro erwirtschaftet. Wer schon von großen Investitionen träumte, wurde aber enttäuscht. Das Geld wurde in die Schuldentilgung gesteckt. Auch für 2024 hat Mendack einen Überschuss von 1,8 Millionen Euro prognostiziert, wodurch der im Dezember beschlossene Haushalt auch einige Extras enthalten wird. Hingegen kommen deutliche Erhöhungen von Gebühren – unter anderem für Müll, Abwasser und Straßenreinigung – auf die Bürger zu.

Auch durch zahlreiche Baustellen geht es Mülheimer Bürgerinnen und Bürger an das Nervenkostüm. In Speldorf sorgte die Großbaustelle rund um das geplante Speldorfer Karree für anhaltenden Ärger. Gleich mehrere Tagesbrüche hielten die Anwohnerinnen und Anwohner an der Hügelstraße in Winkhausen,an der Kleiststraße und an der Udostraße in Heißen, an der Boverstraße in Winkhausen und an der Riemelsbeck im Rumbachtal in Atem.

Stadt macht langjährige Mountainbike-Strecke an der Riemelsbeck platt

An der Riemelsbeck wurde die Stadt auch in anderer Mission tätig. Sie beseitigte eine viele Jahre existierende Mountainbike-Strecke. Ähnliches war zuvor schon im Broicher Wald geschehen. Dort läuft aktuell der Aufbau für einen legalen Bike-Spot. Um die neue Anlage gibt es nicht nur viele Diskussionen, sondern auch Schwierigkeiten wie Vandalismus.

Von Generation zu Generation wurde die MTB-Strecke im Naturschutzgebiet an der Riemelsbeck weitergegeben. Nun ist sie Geschichte.
Von Generation zu Generation wurde die MTB-Strecke im Naturschutzgebiet an der Riemelsbeck weitergegeben. Nun ist sie Geschichte. © WAZ

Für den Bike-Park waren zuvor auch Bäume gefällt worden, damit war der Uhlenhorst allerdings nicht alleine. Im Witthausbusch und im Saarner Dennebusch sorgten viele markierte Bäume für Aufregung. Tatsächlich sollten 47 Bäume in Holthausen, gar 96 in Saarn gefällt werden.

AfD schmeißt ihren einstigen Fraktionsvorsitzenden raus

Ärger gab es 2023 auch in der Mülheimer Politik. Oberbürgermeister Marc Buchholz handelte sich Kritik ein, weil er nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien an einer Gedenkveranstaltung teilnahm, an der auch türkische Organisationen beteiligt waren, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. In Mülheims AfD-Ratsfraktion hat es schon seit der Demission Alexander von Wreses als Fraktionschef interne Streitigkeiten gegeben. Anfang Dezember schmiss die übrige Fraktion ihren ehemaligen Vorsitzenden endgültig raus.

Ende Februar fand in der Innenstadt der erste Rosenmontagszug seit der Corona-Pandemie statt. Über den Berg sind die hiesigen Jecken aber noch nicht: In Mülheim herrscht eine Saal-Not. Im Januar musste der Hauptausschuss sein Auftaktevent in der Alten Dreherei wegen zu hohen Heizkosten absagen. Gute Nachrichten aus der Kultur gab es aber auch: Die Ausstellung „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“ lockte insgesamt 72.500 Besucherinnen und Besucher ins Technikum in Speldorf.

Weitere Mülheimer Jahresrückblicke

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