Mülheim. Das neue ÖPNV-Netz ist noch keinen Tag alt, da ziehen Stadt Mülheim und Ruhrbahn schon Bilanz. Was sie zur aufkommenden Kritik sagen.
Seit dem frühen Montagmorgen folgen die Busse und Bahnen in Mülheim dem neuen Nahverkehrsplan. Schon am Nachmittag zogen Stadt und Ruhrbahn ein erstes Fazit nach der umfangreichen Umstellung. Es fiel durchweg positiv aus. Aber wird das neue Netz auch neue Fahrgäste anlocken?
„Es ist der größte Fahrplanwechsel im Busbereich in der Geschichte der Stadt Mülheim“, sagte Ruhrbahn-Geschäftsführer Michael Feller, der das Bild von einer „OP am offenen Herzen“ wählte. „Man kann es nicht vorher üben“, erklärte er. Das Fahrpersonal sei im Vorfeld geschult worden, um die neuen Streckenverläufe zu verinnerlichen. In die Bordcomputer seien kleine „ÖPNV-Navis“ eingespielt worden.
Ein Drittel der Fahrplanaushänge noch nicht ausgetauscht
1700 Fahrplanaushänge galt es auszutauschen. Ein Drittel davon sind allerdings noch auf dem alten Stand. „Das geht vom Zeitablauf nicht anders“, argumentierte Feller. Die Stadt hatte noch am Freitag alle Schulen angeschrieben und noch einmal auf die ÖPNV-Änderungen aufmerksam gemacht. In einem Fall seien am Montag schon Schülerinnen und Schüler zu spät gekommen.
Und warum das Ganze? Zwei Millionen Euro möchte die Stadt Mülheim durch das neue Netz einsparen. Darüber hinaus soll der ÖNPV als Verkehrsträger gestärkt werden. Verfolgt man speziell die Diskussionen in den sozialen Netzwerken, scheint das aktuell zumindest fraglich.
ÖPNV in Mülheim: Weitere Nachrichten
- Längerer Schulweg durch neuen ÖPNV: Mülheimer sind frustriert
- Neuer Nahverkehr mit alten Problemen: Aufgeben wäre fatal
- 20 Busse pro Stunde: Droht Mülheimer Viertel Stau und Lärm?
„Wir gehen davon aus, dass wir mit dem neuen System kaum Fahrgastverlust haben werden, wir gewinnen aber laut eines Gutachtens auch keine dazu“, musste Stadtplanungsdezernent Felix Blasch im Rahmen der Bilanz-Pressekonferenz überraschend eingestehen. „Ich schließe aber nicht aus, dass es gelingen kann, zusätzliche Fahrgäste über die Zeit zu gewinnen, wenn es sich einmal rumgesprochen hat“, so Blasch.
Ein Tag Mülheim-Netz: Ruhrbahn und Stadt sind zufrieden
Grundsätzlich waren sowohl der Verkehrsbetrieb als auch die Stadt mit dem ersten Tag zufrieden. „Wir haben einen positiven Eindruck. Es hat besser funktioniert als alle bisherigen Umstellungen“, bilanzierte Feller. Er blicke mit gutem Gefühl auf den ersten Tag.
Auch Planungsdezernent Felix Blasch äußerte sich „froh, dass die Mülheimerinnen und Mülheimer das neue System offenbar gut annehmen und sich auch zurechtfinden.“
Neues Netz: Einzelheiten sollen sich noch einspielen
„Wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir heute auf die Straße gebracht haben“, meinte ebenso Georg Grindau, Bereichsleiter Verkehrsmanagement bei der Ruhrbahn. Dass noch nicht alle Nutzerinnen und Nutzer die neuen Linien und Umstiege verinnerlicht haben, begründet er auch damit, dass sich die meisten doch recht spät mit einem solchen Thema beschäftigten. „Es dauert ein paar Wochen, bis sich die letzten Einzelheiten eingespielt haben“, meinte auch Feller.
Um den Druck vom Personal zu nehmen, wurden alle Fahrerinnen und Fahrer mit bierdeckelartigen Karten ausgestattet, auf denen Bürgerinnen und Bürger die Nummern des Beschwerdemanagements finden. „Die Fahrenden sollen sich ja auf ihre Arbeit konzentrieren können und keine Kritikgespräche führen“, sagt Feller.
Stadt und Ruhrbahn wollen von Kritik nicht viel wissen
Wenngleich sowohl bei der Ruhrbahn (Feller: „Die Fragen dazu halten sich in Grenzen“) als auch bei der Stadt (Blasch: „Wir hatten am Vormittag zwei Anrufe“) nur wenig Kritik entgegengenommen wird, macht sich diese vor allem in den sozialen Netzwerken breit. In Saarn wurden zu volle Busse durch den neuen 15-Minuten-Takt bemängelt, andere sehen die Anbindung an Nachbarstädte wie Oberhausen kritisch, viel Gegenwind gab es speziell aus Styrum.
Zum einen, so Felix Blasch, sei die Planung im Vorfeld mit der Stadt Oberhausen abgestimmt worden. Zum anderen sieht er Styrum nach wie vor gut an die Innenstadt angebunden. „Man kann theoretisch sogar bis zum Rhein-Ruhr-Zentrum durchfahren“, so Blasch.
Stadt und Verkehrsbetrieb raten zu Alternativstrecken
Sein Rat: Betroffene sollten nach individuellen Alternativen schauen. Für Berufspendler könne speziell die Anbindung an den Bahnhof Styrum attraktiv sein. Grundsätzlich seien durch das neue Netz auch Bereiche bedacht worden, die bisher kaum abgedeckt waren. „Es gibt also auch Positives. Es ist uns gelungen, trotz aller Sparzwänge gute Verbindungen herzustellen“, so Blasch.
Ähnlich äußerte sich der Ruhrbahn-Chef: „Man muss sich dem Thema jetzt auch öffnen und die Fahrtbeziehungen für sich durchspielen.“ Gerne hätte er gerade Eltern von jüngeren Schulkindern die Möglichkeit geboten, die neuen Wege einmal vor dem Schulstart zu üben. „Wenn die Möglichkeit da gewesen wäre, hätten wir sie sehr gerne genutzt. Aber der Zeitraum von der Beschlussfassung bis zur Umsetzung war schon sehr knapp bemessen, außerdem mussten wir uns ja auch mit anderen Städten und Verkehrsbetrieben abstimmen.
Mülheims neuer ÖPNV: Das ändert sich in den Stadtteilen
- Heißen wird zur Drehscheibe
- In siebeneinhalb Minuten nach Saarn
- Straßenbahnlinien bleiben in Broich
- Das ändert sich in Mülheim-Speldorf
- Dümpten: Nur noch ein Bus aus der City
- Die Neuerungen in Winkhausen
- Holthausen und das Ende der 104
- Was sich in Menden und Ickten ändert
- Selbeck: Eine Linie endet künftig in Saarn
- Mintard: In neun Minuten nach Kettwig