Mülheim. Paukenschlag für das Mülheimer Großprojekt: Vier Bürgervereine verlassen enttäuscht den Parkstadt-Beirat. Das sind die Gründe und Reaktionen.

Das Projekt „Parkstadt“ hat einen plötzlichen Dämpfer erhalten: Mit sofortiger Wirkung verlassen vier Bürgervertretungen den Projektbeirat. Ihr Fazit nach drei Sitzungen ist deutlich: Die Versuche, Stadt und Investor zu mehr Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu bewegen, seien gescheitert. Man habe die Grundlagendaten für die angestrebten Planungen bislang nicht erhalten, es bestehe aufseiten von Stadt und Investor hingegen keine Bereitschaft, den „sogenannten Siegerentwurf“ kritisch zu hinterfragen.

Fehlende Transparenz und Veränderungswille? Genau dagegen war der Beirat zum Jahresbeginn ins Leben gerufen worden: Kritiker, die sich zu den ersten Präsentationen des Speldorfer Großprojekts massiv gegen die Bebauungspläne aussprachen sowie eine Online-Petition, die schnell gut 4000 protestierende Bürgerinnen und Bürger erreichte, sollten über Bürgerinitiativen und -vereine ins Boot geholt und beteiligt werden.

Gefühl der Kontrolle schon nach kurzer Zeit

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So stiegen der Broicher Bürgerverein, die IG Speldorf, das Netzwerk Parkstadt - aber richtig, der Speldorfer Bürger- und Kurverein sowie die Broicher Interessengemeinschaft (BIG) mit ein. Vier Sitzungen waren für das erste Halbjahr vorgesehen – die vorerst letzte am kommenden Dienstag, 25. April.

Wer allerdings auf die Zwischentöne hörte, machte erstes Unbehagen schnell aus: Anstelle von Transparenz wurde im Beirat um Vertrauen und Diskretion gebeten, Protokolle mussten unter allen Beteiligten abgestimmt werden – was für zwei von drei Sitzungen bisher nicht gelang. Das Gefühl von „Kontrolle“ sei bei manchem aufgekommen, heißt es. Mehrfach wurden die erbetenen Grundlagen für konkrete Mülheimer Zielgruppen, Wohnbedarfe angefragt sowie Auswirkungen auf Verkehr, Boden, aufs Grundwasser, aufs Klima. Ohne Ergebnis.

„Sie haben nicht zu fordern“, soll der Investor beim Nachhaken schließlich deutlich geworden sein. Es sei doch alles „in guter Hand“, habe die Stadt versichert.

Im September 2022 schauten sich Bürgerinnen und Bürger im Casino der ehemaligen Tengelmann-Hauptverwaltung die Pläne des Investors Soravia genau an.
Im September 2022 schauten sich Bürgerinnen und Bürger im Casino der ehemaligen Tengelmann-Hauptverwaltung die Pläne des Investors Soravia genau an. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Streit um Begriff „Urbanes Gebiet“ als ein Auslöser

Mitte März schließlich hatte das Netzwerk Parkstadt doch das Schweigen gebrochen und öffentlich Bedenken zur Absicht der Stadt geäußert, das Areal als „Urbanes Gebiet“ erklären zu wollen. Solche Äußerungen seien von Stadt und Investor als „Vertrauensbruch“ gewertet worden, wie es von Insidern heißt, aber auf die Bedenken sei man nicht weiter eingegangen. Im Gegenteil, sagen die ausgeschiedenen Bürgervereine: „Stadt, Politik und Investor wollen die Ausweisung als Urbanes Gebiet durch einen vorgezogenen Beschluss über die Änderung des Regionalen Flächennutzungsplanes sogar verfestigen.“

Die Gründe für ihren Bruch mit dem Beirat erläutern die vier Bürgergruppen – Broicher Bürgerverein, IG Speldorf, Netzwerk Parkstadt und Speldorfer Bürger- und Kurverein – auf zwei DIN-A4-Seiten. Man wolle – so das Fazit – „nicht nicht in den Verdacht geraten, jenseits der betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in Hinterzimmern Vereinbarungen getroffen zu haben“.

Der Siegerentwurf des Studios Vlay Steeruwitz in seiner Fassung von 2021. Die Stadt will nun einen „stark modifizierten Entwurf“ vorlegen.
Der Siegerentwurf des Studios Vlay Steeruwitz in seiner Fassung von 2021. Die Stadt will nun einen „stark modifizierten Entwurf“ vorlegen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Planungsdezernent will „stark modifizierten Entwurf“ vorlegen

„Das ist schade“, äußert Planungsdezernent Felix Blasch Bedauern. Denn gerade für die kommende Sitzung wolle die Stadt einen „stark modifizierten Entwurf“ zeigen. Die Bedenken wolle man gerade nicht „unter den Tisch fallen“ lassen, erwidert Blasch noch einmal den Vorwurf der „Hinterzimmergespräche“. Die Stadt wolle das Vorhaben selbst kritisch prüfen, etwa den zu erwartenden Verkehr, da komme „nicht einfach ein Stempel drauf“.

Auch habe er im Planungsausschuss berichtet – „jeder, der wollte, konnte dort alles erfahren“. Das soll auch weiterhin für die ausgestiegenen Bürgervereine und -initiativen gelten. „Meine Tür steht offen“, versichert Blasch. Und auch die breite Öffentlichkeit soll bald einen Zwischenentwurf zu sehen bekommen, der Grundlage für die Gutachten des Investors werden soll. Auf den jedoch müsse man sich im Beirat und vor allem im Planungsausschuss per politischem Beschluss noch einigen.

Mülheims Parkstadt – so lief bisher die Debatte

Rund zwei Jahre rechnet Blasch noch für die Planung mit Gutachten und Überarbeitungen. „Vielleicht“, überlegt der Planungsdezernent, „haben wir die Beiratssitzungen zu schnell hintereinander gemacht.“

Ausstieg sei Bürgervereinen „nicht leicht gefallen“

„Wir haben es uns mit dem Ausstieg aus dem Beirat nicht leicht gemacht“, sagt Dennis Weiler, Vorsitzender der IG Speldorf. An drei Wochenenden haben sich die vier Gruppen beraten, ihre Ergebnisse mit den jeweiligen Vorständen besprochen. Die beschlossen dann: Raus aus dem Beirat – „Wir können ohne Grundlagen die Weiterentwicklung des Geländes nicht mitmachen.“ Die Sorge, am Ende von Stadt, Politik und Investor vereinnahmt zu werden, als Bürger-Legitimation für einen Entwurf zu dienen, den man nicht tragen konnte, sei zu groß gewesen.

„Und für den wir auch kein offizielles Mandat haben“, weist Weiler darauf hin, dass am Ende nicht nur Parteien und Vereine, sondern auch die 33.000 Bürgerinnen und Bürger im Stadtteil beteiligt werden müssten, die mit den Auswirkungen einer Parkstadt leben können müssen.

Sperren die vier Gruppierungen sich damit nicht selbst aus? Die Arbeit gehe weiter, versichert der Vorsitzende der IG-Speldorf: „Wir werden trotz Ausstieg keine Stimmung machen, sondern uns weiterhin sehr sachlich mit der Parkstadt auseinandersetzen.“