Politikwissenschaftler: Corona-Krise ist tiefer Einschnitt

Oberhausen. Politikwissenschaftler Martin Florack aus Oberhausen ist sich sicher, dass in der gesellschaftlichen Debatte ein neues Kapitel aufgeschlagen wird.

Die Corona-Krise ist auch politisch gesehen ein tiefer Einschnitt. Die gesellschaftliche Debatte auf vielen Themenfeldern von der Gesundheitspolitik bis zur Globalisierung wird unter neuen Vorzeichen geführt werden. Das sagte der Oberhausener Dr. Martin Florack, Politikwissenschaftler an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Wie kann das Gesundheitswesen für solche Ausnahmesituationen künftig besser aufgestellt sein? Wo sind die Grenzen der Globalisierung, wenn es darum geht, unverzichtbare medizinische Produkte wie etwa Atemschutzmasken stets vorrätig und verfügbar zu haben? Muss der Föderalismus neu justiert werden? Wie sehen die ökonomischen Langzeitfolgen aus? All diese Fragen werden in den prägenden Debatten der nächsten Jahre eine wichtige Rolle spielen, so der Politikwissenschaftler aus Oberhausen.

Mehr Solidarität und Sachlichkeit

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Dabei könne es durchaus sein, dass die Corona-Krise zu mehr Sachlichkeit und vielleicht auch Solidarität im Umgang miteinander führe. Martin Florack ist allerdings skeptisch, dass dies von langer und nachhaltiger Wirkung sein wird, weil sich absehbarerweise zugleich die ökonomische Situation in der Bundesrepublik verschlechtern werde. „Viele Unternehmen fahren jetzt ihre Produktion herunter. Schlüsselbranchen wie die Autoindustrie sind massiv betroffen. Man kann derzeit noch gar nicht absehen, was das bedeutet. Auf jeden Fall werden wohl viele bislang sicher geglaubte Arbeitsplätze betroffen sein.“

Stunde der Exekutive

In der Corona-Krise habe sich zudem wieder einmal gezeigt, dass solche Ausnahmesituationen die Stunde der Exekutive seien, von der Bundesregierung bis zur kommunalen Ebene, von Gesundheitsminister Jens Spahn bis zum Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz. Martin Florack unterstreicht: „Die Menschen erwarten in so einer Lage sachgerechte Orientierung und blicken in solchen Situationen auf die Regierenden.“ Wenn sich die gewählten Politiker in einer solchen Situation bewährten, könne das durchaus zu mehr Vertrauen in die etablierten Institutionen und zu einer Schwächung des Populismus führen, wobei fraglich sei, wie lange dieser Effekt in Zeiten von Facebook und Twitter wirklich anhalte.

Im lokalen Umfeld präsent

Dr. Martin Florack ist als Politikwissenschaftler immer wieder auch im lokalen Oberhausener Umfeld präsent.

Derzeit läuft zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der NRW School of Governance mit der Stadt Oberhausen ein Bürgerbeteiligungsprojekt zum Thema Holten.

Ideen werden per Zufallsstichprobe gesammelt, um frische Anregungen für die Zukunft im Stadtteil zu gewinnen.

Der Politikwissenschaftler hält es nicht für ausgeschlossen, dass sich irgendwann höchste Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit den Folgen der Corona-Krise beschäftigen werden müssen. In den vergangenen Jahren sei es darum gegangen, die liberale Demokratie zu stützen und zu verteidigen. Jetzt habe diese Krise ausgereicht, um grundlegende Freiheitsrechte kurzfristig massiv einzuschränken, sagt Florack mit Blick auf die eindringlichen Appelle an die Bevölkerung, zu Hause zu bleiben oder auf jeden Fall zumindest ins Home Office zu wechseln.

Corona wird also viele Jahre nachwirken – nicht nur gesundheitspolitisch, wie Martin Florack unterstreicht. Und die Debatten der neuen Zwanziger Jahre werden nicht denen der 2010er-Jahre gleichen.