Mülheim. Mülheims Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) ist seit einem Jahr im Amt. Eine Zwischenbilanz zu seinem Auftreten und Wirken zieht die Politik.
Im ersten Wahlgang betrug sein Vorsprung auf seine Kontrahentin Monika Griefahn (SPD) noch hauchdünne 94 Stimmen, bei der OB-Stichwahl zwei Wochen später triumphierte Marc Buchholz (CDU) Ende September 2020 mit 56,9 Prozent im Duell mit der bundespolitisch erfahrenen Sozialdemokratin. Ein Jahr ist Buchholz nun im Amt. So ziehen die Ratsfraktionen Bilanz.
Die Vorsitzenden der Oppositionsfraktionen haben bis zur Stunde gegenüber der Redaktion eine Wertung zu Buchholz’ erstem Jahr abgegeben. SPD-Fraktionschefin Margarete Wietelmann nannte Buchholz „eifrig-bemüht“, doch sei es noch zu früh für eine inhaltliche Bewertung. „Man muss Marc Buchholz eine Chance geben, er kann nicht in einem Jahr alle Dinge von innen nach außen kehren.“ In jedem Fall kommt Wietelmann nicht umhin, Buchholz zu attestieren, dass er sich engagierter als sein SPD-Vorgänger im Amt, Ulrich Scholten, präsentiere. Doch sie geht so weit zu sagen, „dass den Vergleich zum Vorgänger jeder gewinnen würde“. Es schmerze sie heute immer noch, dass es der SPD nicht gelungen sei, Ex-OB Scholten dazu zu bewegen, sich frühzeitig zurückzuziehen.
SPD-Fraktionschefin Wietelmann fordert mehr konstruktive Zusammenarbeit ein
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Buchholz’ Start nannte Wietelmann holprig und blickt kritisch auf die Haushaltsentscheidung aus dem Februar zurück, als „in einer Nacht- und Nebelaktion“ die Stadtteilbibliotheken zur Disposition gestellt worden seien. Wie zu dieser Thematik habe der OB es ebenso zu den geplanten Einsparungen im Offenen Ganztag versäumt, Betroffene in die Entscheidungsfindung einzubinden. Auch in der Frage, welche Tablets für Schulen angeschafft werden sollten, habe Buchholz sich allzu selbstbewusst als Fachmann aufgespielt, ohne dieser zu sein und ohne Warnungen von Lehrern oder Eltern aufzunehmen.
„Marc Buchholz muss erkennen, dass verschiedene Meinungen bessere Ergebnisse bringen, als wenn ich versuche, alles alleine zu entscheiden“, sagt Wietelmann, sieht allerdings auch Besserung beim OB, auch wenn dieser auf Kritik häufig dünnhäutig und damit wenig professionell reagiere. Wietelmann wünscht sich mehr konstruktive Zusammenarbeit auch mit der Opposition. Kopfschütteln löst bei ihr aus, dass manche SPD-Vorschläge im ersten Buchholz-Jahr zunächst vom OB und Schwarz-Grün abgelehnt worden seien, um sie dann doch auf eigenem Ticket umzusetzen, etwa die Schaffung einer zusätzlichen Streetworker-Stelle,die Installation von Luftfiltern in Schulen oder auch den Einsatz von Mülldetektiven.
Mülheims AfD lobt Dialogkultur von Buchholz, kritisiert aber inhaltlichen Kurs
Alexander von Wrese (AfD), Chef der viertstärksten Ratsfraktion, lobt die Dialogkultur, die Buchholz im Umgang auch mit der AfD pflege, das seien „Gespräche auf Augenhöhe, sachlich und konstruktiv“. Wahrnehmbar sei durchaus, dass Buchholz dem Rathaus „frischen Wind“ eingehaucht habe, gleichwohl sei festzustellen, dass von den Versprechungen und Plänen des OB noch nicht viel umgesetzt sei. Ein Urteil zu fällen, sei nach dem ersten von fünf Amtsjahren jedoch verfrüht.
Gleichwohl ist laut von Wrese festzuhalten, dass der OB einen Kurs fahre, bei dem die AfD inhaltlich häufig „fundamental anderer Meinung“ sei: etwa bei den Entscheidungen zuletzt, afghanischen Ortskräften der Nato in Mülheim eine Bleibe zu bieten oder eine zusätzliche Dezernentenstelle im Rathaus zu schaffen.
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Lothar Reinhard (MBI): Der OB ist fleißig und fair, aber. . .
MBI-Faktionssprecher Lothar Reinhard übermittelte seine OB-Bilanz aus Kamerun, wo er derzeit bei Hochzeitsfeierlichkeiten weilt. „Vorab das Positive“, schrieb Reinhard der Redaktion: „Er ist sehr fleißig, sucht auch selbst Kontakt zu vielen unterschiedlichen Menschen und leitet die Ratssitzungen recht ordentlich und fair.“
Die MBI, die 2020 ihren Wählern für die OB-Stichwahl Buchholz’ Kontrahentin Monika Griefahn (SPD) empfohlen hatten, üben aber auch Kritik am OB. „Auch Monate nach dem holprigen Start ist noch keine Strategie erkennbar, ob und wie die gravierenden strukturellen Probleme Mülheims angegangen werden sollen“, so Reinhard. Die Problemberge würden dadurch höher. Bedenklich sei etwa die Personalpolitik des OB mit der Schaffung der fünften Dezernentenstelle oder die Anstellung einer zusätzlichen Referentin in Person von Sabine Gründges von der Bürgerinitiative „Fulerumer Feld“.
MBI: Umgang des OB mit dem VHS-Bürgerentscheid ist „ein Skandal“
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Und natürlich ist für die MBI auch die VHS ein Thema, am 6. Oktober läuft die Bindungsfrist für den Bürgerentscheid zur Reaktivierung des Gebäudes in der Müga ab, ohne dass die vom OB gelenkte Verwaltung der Politik vorgezeichnet hätte, wie der Bürgerwillen umgesetzt werden soll. Für Reinhard ein „Skandal: Der OB hätte direkt nach der Wahl aktiv werden müssen.“ Auch zur Etat-Frage der Zukunft von Stadtteilbüchereien und Rentenberatung habe der OB „Fingerspitzengefühl vermissen lassen“.
Menschlich passt’s – so kann zusammengefasst werden, was FDP-Fraktionsvorsitzender Peter Beitz nach einem Jahr OB Buchholz konstatiert. Der OB bekomme es „ganz gut hin, die Interessen anderer zu berücksichtigen“, am politischen Umgang sei nichts auszusetzen, ebenso nicht am Informationsfluss von der Rathausführung hin auch zu Mini-Fraktionen wie der FDP.
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FDP-Fraktionschef: Hat der OB in der Haushaltsplanung die Übersicht verloren?
Die FDP hatte den ersten Haushalt von Buchholz’ schwarz-grüner Ratsmehrheit mitbeschlossen, weil er keine Steuererhöhungen vorsah. In der jetzigen Etat-Debatte ist Beitz aber skeptisch, ob Buchholz die nötige Übersicht hat, wenn seine Verwaltung einen Doppelhaushalt für 2022/23 ins Spiel bringt. Zu riskant, sagt Beitz mit dem Blick darauf, dass unklar ist, ob Mülheim 2022 seine millionenschweren Extra-Ausgaben zur Bewältigung der Corona-Pandemie weiter in einem Sonderposten verschwinden lassen kann. Andernfalls droht, dass zusätzliche Sparzwänge entstehen für die überschuldete Stadt. Dass der OB in dieser unsicheren Lage einen Doppel-Etat anstrebe, komme der „Hoffnung auf den Weihnachtsmann“ gleich, entbehre einer soliden Basis.
Lobend hebt Beitz indes hervor, dass es Buchholz als erfahrenem Verwaltungsmann „trickreich gelungen“ sei, an der Politik vorbei die Verwaltung neu zu organisieren, etwa den Bereich Planung und Stadtentwicklung mit der Wirtschaftsförderung zusammen in ein Amt unter seiner Führung zu ziehen. Den Umbau der Sozialverwaltung treibe der OB zügig voran, er pflege anders als Verantwortliche vor ihm auch den Dialog mit den Industriebetrieben.
Beitz (FDP): Ich würde ihm nach dem ersten Jahr ein gutes Zeugnis geben
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Ich würde ihm nach dem ersten Jahr ein gutes Zeugnis geben“, sagt Beitz. „Marc Buchholz muss aber schauen, dass die CDU nicht zu sehr von den Grünen dominiert wird“, blickt er etwa auf die lokale Verkehrspolitik: „Wir werden doch sehr fahrradlastig. Wir müssen aufpassen, dass wir den Wirtschaftsstandort für die Leute, die mit dem Auto fahren müssen, nicht kaputtplanen, indem wir nur noch eine Fahrspur für Autos vorhalten.“
Für die von Beitz angesprochenen Grünen, den Bündnispartnern der CDU im Stadtrat, zieht Fraktionssprecher Tim Giesbert wenig überraschend eine positive Jahresbilanz: Die Amtsführung von Buchholz gegenüber der seines skandalumwitterten Vorgängers Ulrich Scholten (SPD) sei „merklich erkennbar und wohltuend. Nach Jahren des Stillstands ist eine spürbare Dynamik in die Stadtentwicklung gekommen. Es wird entschieden und umgesetzt“, so Giesbert.
Grünen-Fraktionssprecher Giesbert: Weichen für große Themen sind gestellt
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Zu nennen sei exemplarisch der Umbau der Wirtschaftsförderung, „ein wichtiger Baustein bei der Haushaltssanierung“. Seit Jahren sei es nun erstmals möglich, einen Haushalt ohne schmerzvolle Einschnitte, Belastungen und höheren Steuern zu beschließen. Der Etat zeige, „dass Politik in Mülheim auch keine One-Man-Show ist, sondern Entscheidungen gemeinsam getroffen werden“.
Der inhaltliche Austausch zwischen Buchholz und und schwarz-grüner „Verantwortungsgemeinschaft“ sei „offen, lebendig, zielorientiert und verläuft auf Augenhöhe, trotz unserer Unterschiedlichkeit“. Giesbert sieht eine positive Leistungsbilanz, Schwarz-Grün sei „ein gutes Team“. Weichen für große Themen wie die Zukunft auf dem Tengelmann-Areal,dem Gelände der Friedrich-Wilhelms-Hütte und dem Flughafen seien gestellt. Auch in die Innenstadt sei Bewegung gekommen, das Wallviertel sorge für Belebung und mit einer Begrünungsoffensive sollten sich Aufenthaltsqualität und Mikroklima verbessern.
Giesbert (Grüne): Buchholz „zupackend und ideenreich auch bei kleinen Dingen“
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„Auch bei den Beratungen zum Nahverkehrsplan versuchen wir gerade den Stillstand der vergangenen Jahre zu überwinden“, so Giesbert. Zupackend und ideenreich sei Buchholz auch bei kleineren Dingen. Seine Idee, die Großplakat-Aufbauten nach der Wahl für eine Impfkampagne zu nutzen, sei „durchaus originell“.
CDU-Fraktionschefin Christina Küsters stellt Buchholz „ein sehr gutes Arbeitszeugnis“ aus. Der Stillstand in der Stadt sei beendet, „wir haben endlich wieder einen Oberbürgermeister, der sich kümmert, das Beste für diese Stadt erreichen möchte, Vorbild ist und Vertrauen in die Verwaltung schafft“, so Küsters. Buchholz pflege den Dialog in alle Richtungen und nutze jede Gelegenheit, die Belange von Mülheim zu positionieren, er sei „Kümmerer und Fürsprecher“.
CDU-Fraktionschefin: Der OB baut Brücken und bringt Menschen an einen Tisch
Als besondere Eigenschaften zeichnet den OB laut Küsters aus, „dass er Brücken baut und die Menschen an einen Tisch bringt, Probleme anspricht, Lösungen sucht und hierbei durchaus auch unkonventionell denkt.“ Dass er zudem im Gegensatz zu Amtsvorgänger Scholten verbindlich auftrete und Zusagen einhalte, zeige ein Blick auf das, was der OB im ersten Jahr bereits umgesetzt habe.
Küsters nennt hier die Neuaufstellung von Wirtschaftsförderung und Jobcenter, Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung, die Etablierung von Mülldetektiven und Buchholz’ „besonderes Augenmerk auf Klimaschutz und Freiflächen“, das sie erkennt. Auch in der Stadtentwicklung komme man voran, wichtige Projekte wie die Entwicklung des Tengelmann-Geländes und der Friedrich Wilhelms-Hütte seien auf sehr gutem Wege.
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