Mülheim. Corona hält Mülheim in Atem. Doch OB Buchholz will deutlich machen, dass auch “das normale Leben“ in seinem Blickfeld ist. Seine 100-Tage-Bilanz.

Der Spiegelsaal der alten Tengelmann-Zentrale: Der Ort, an dem Marc Buchholz am Freitag seine 100-Tage-Bilanz präsentiert, ist für Mülheims neuen Oberbürgermeister wohl voller Symbolkraft: Bedeutungsvoll, weil hier neben den Größen der Unternehmerfamilie Haub schon Konrad Adenauer und Angela Merkel aufgetreten sind. Aber auch ein Fingerzeig in Mülheims Zukunft, weil das Tengelmann-Areal mit seinen Entwicklungspotenzialen für Buchholz "ein ungeschliffener Diamant" ist, der in dieser Wahlperiode noch manch eine gute Nachricht über die Stadtgrenzen Mülheims hinaus verspricht.

CDU-OB Buchholz weiß nach 100 Tagen im Amt zwar noch keine fest verankerte schwarz-grüne Koalition im Stadtrat hinter sich, doch auch daran wird weiter gefeilt. So wie Buchholz für sich reklamiert, seine Wahlversprechen nach Amtsübernahme nicht aus den Augen, aus dem Sinn verloren zu haben.

Erstes Versprechen eingelöst: Ab Februar sind Mülldetektive im Einsatz

Buchholz nimmt dort selbst seinen Neun-Punkte-Plan zum Maßstab, mit dem er im Wahlkampf unterwegs war. Auch wenn er naturgemäß nach 100 Tagen nicht schon viele Lösungen drängender Probleme in der überschuldeten, von der Affäre um seinen OB-Vorgänger Ulrich Scholten arg gebeutelten Stadt präsentieren kann, ist es Buchholz doch besonders wichtig aufzuzeigen, dass er als Chef des Rathauses die Zügel beherzt in die Hand genommen habe. Es gehe darum "Vertrauen in die Verwaltungsspitze, in den Oberbürgermeister zurückzugewinnen".

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Sein erstes Versprechen, Mülldetektive einzusetzen, konnte Buchholz mit Ratsmehrheit durchsetzen. Im Februar startet die zunächst auf dieses Jahr beschränkte Testphase. Ansonsten hat der OB insbesondere organisatorisch Pflöcke eingeschlagen, Schwerpunktthemen besetzt.

Wirtschaftsförderung: OB will zeigen, dass es ohne neue Gewerbeflächen geht

Allem voran steht das Zusammenziehen von Wirtschaftsförderung und Stadtplanung unter dem Dach seines OB-Referates. Buchholz hat initiiert, dass die Kooperation mit heimischer Wirtschaft, mit Handwerk und Hochschule intensiviert wird. Mit seiner Festlegung, kein Grün für Gewerbeflächen opfern zu wollen, will Buchholz das Unternehmertum nicht im Regen stehen lassen. Noch für März/April verspricht er eine Auswertung aller Ansiedlungspotenziale, die bestehende, zum Teil stark unter Wert genutzte Wirtschaftsflächen in der Stadt bieten sollen.

Wirtschaftsförderung soll Chefsache sein; Buchholz unterstreicht das mit Besuchen bei der Friedrich-Wilhelms-Hütte, bei Europipe oder Siemens. Dieser Tage stattete der OB dem Duisburger Unternehmen "Standardkessel Baumgarte" einen Besuch ab, das absehbar auf das Tengelmann-Areal umziehen wird.

OB-Referat übernimmt die Steuerung mehrerer Themen

Buchholz will mit seinem Mitarbeiterstab gleich auf mehreren Feldern die Steuerung übernehmen. So ist Guido Brücker als ehemaliger Chef der Stadtkanzlei abgestellt, um dem Aufregerthema Müll mit einem Konzept zu begegnen, bei dem Bürger nicht länger mit einem Wirrwarr an Zuständigkeiten konfrontiert sind. Zur Digitalisierung, zum Klimaschutz, zur Neuorganisation des Jobcenters als Hartz-IV-Verwaltung, auch zum Akquirieren von Fördermitteln soll die Steuerung zentral aus dem OB-Referat erfolgen.

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Einiges wird schon konkreter. Etwa will Buchholz dem Stadtrat noch im Frühjahr ein Papier vorlegen, das das Jobcenter als eigenes Amt vorsieht. Ein von der Gemeindeprüfungsanstalt finanziertes Gutachten soll dies nahegelegt haben.

Jobcenter soll personell besser aufgestellt werden

In dem Zuge soll auch ein eklatanter Mangel in der Hartz-Behörde angegangen werden: Im Vergleich zu anderen Städten sei das Jobcenter personell schlecht aufgestellt, so Buchholz. Mitarbeiter etwa auch im Fallmanagement, bei dem es um die Vermittlung in Arbeit und in der Folge auch um einzusparende Sozialtransfers geht, müssten sich in der Mülheimer Behörde vergleichsweise um zu viele Probanden gleichzeitig kümmern. Das schmälere auch die Aussichten auf eine erfolgreiche Vermittlung. Weil der Bund sogar 84,8 Prozent dieser Personalkosten trage, sieht Buchholz hier schon länger Handlungsdruck.

Zu den Finanzen: Noch einmal hob der OB hervor, dass Mülheim wegen seiner Flaute bei den Gewerbesteuereinnahmen aktuell "doppelt bestraft" sei, weil bei der Erstattung der corona-bedingten Steuerausfälle die vergangenen Jahre als Maßstab angesetzt werden. Er wolle beim Land stark dafür werben, dass Kompensation stattfinde, etwa über eine wohlwollende Prüfung bei Förderanträgen wie zuletzt bei der 100-Prozent-Förderung für die Kunststofflaufbahn am Wenderfeld, was einen seit Jahrzehnten beklagten Mangel im Sportbereich beheben helfe.

ÖPNV und Masterplan zur Digitalisierung in Schulen bleiben Mammutaufgaben

Im Fördermittel-Management sieht der OB Verbesserungsbedarf. Die Stadt müsse in die Lage versetzt werden, Anträge just dann aus der Schublade zu ziehen, wenn sich eine Förderkulisse auftue, sieht Buchholz hier offenbar für die Vergangenheit Mängel.

Zu den Themen aus dem Neun-Punkte-Programm, die noch nicht weit vorangeschritten sind, zählt neben der ÖPNV-Umorganisation etwa der Masterplan zur Digitalisierung der Schulen. Zwar rechnet Buchholz für nächste Woche mit den Ergebnissen zur Ausschreibung von 5000 digitalen Endgeräten, die die Stadt für die Schulen anschaffen will. Klar ist aber auch, dass ein Masterplan mehr bieten muss als die Bereitstellung von Hardware, die zahlenmäßig auch noch ausbaufähig ist. Bedarfe von Schulen seien abgefragt, sagt der OB.

Bewältigung der Corona-Pandemie bleibt bestimmendes Thema

Die Bewältigung der Corona-Pandemie werde diese Wahlperiode noch lange bestimmendes Thema bleiben, sagt der OB. Er habe zwar die Hoffnung für die Bürger, "dass es am Ende des Jahres besser wird". Er mahne aber auch, im Vertrauen auf den Impfstoff nicht in Leichtsinn zu verfallen, wenn der Lockdown ein Ende finden werde. Auch mit Blick auf die Virus-Mutationen bleibt Buchholz skeptisch, ob der Sommer 2021 zumindest wieder so werden kann wie der im Jahr eins von Corona.