Mülheim. Im Endspurt vor der OB-Stichwahl präsentiert SPD-Kandidatin Griefahn ihre Ideen für einen Mülheimer Klimaplan. Was die Konkurrenz dazu sagt.

Auf den letzten Metern vor der OB-Stichwahl am Sonntag hat die OB-Kandidatin der SPD, Monika Griefahn, ihr Konzept für einen Mülheimer Klimaplan vorgelegt. Vorbild soll Hamburg sein.

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„Viel zu lange wurde der Klimakrise nicht der nötige Stellenwert eingeräumt. Sie ist Aufgabe höchster Priorität“, sagt Griefahn zur Präsentation ihres Papiers. Bisherige Bemühungen der Stadt seien „nicht ausreichend und nicht ambitioniert genug“, greife das im Februar vom Stadtrat beschlossene Klimaanpassungskonzept zu kurz, auch dessen Umsetzung sei bislang unzureichend seitens Verwaltung und politischen Mitbewerbern geplant.

Ziel: Mülheim soll spätestens 2035 klimaneutral sein

Griefahn will auch die Klimawende, neben Wirtschaftsförderung und der Bekämpfung der Kinderarmut, zur Chefsache machen, sollte sie am Sonntag gewählt werden. Vorbild für den Klimaplan soll dabei Hamburg sein. Dort hatte der Senat im Dezember 2019 einen neuen Klimaplan aufgelegt, der nicht nur klare Ziele zur CO2-Reduzierung formuliert, sondern quer durch alle Sektoren Maßnahmen und Ziele zur Klimawende festschreibt.

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Die SPD-Kandidatin skizziert nun, wie ein solcher Klimaplan für Mülheim aussehen könnte, mit Maßnahmen für die Handlungsfelder Wärme und Gebäude, Verkehrswende, Wirtschaft und Klimaanpassung. Der Plan soll laut Griefahn gewährleisten, die Stadt bis spätestens 2035 klimaneutral zu machen, bis 2040 gar klimapositiv, sprich: in der Lage sein, mehr CO2 aus der Atmosphäre zurückzuholen beziehungsweise einzusparen als die Stadt emittiert.

Griefahn fordert Ausbau des Nahverkehrs und 1000-Dächer-Solarprogramm

Sektorengenaue Zielvorgaben will Griefahn in einen Klimaplan eingearbeitet sehen: für private Haushalte, Verkehr und Wirtschaftsbereiche. In ihrem Konzeptpapier listet die OB-Kandidatin der SPD bereits zahlreiche Einzelmaßnahmen auf: etwa ein 1000-Solardächer-Sofortprogramm, einen Radkurierdienst für die Innenstadt, der auch den lokalen Einzelhandel stärke, die Prüfung, die Medl zu einem „ganzheitlichen Stadtwerk“ weiterzuentwickeln, um soziale und ökologische Entwicklungen zu forcieren. . .

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Im Fokus dabei stehen auch Radverkehr und ÖPNV, die attraktiver gemacht werden sollen. Zu pauschalen Kürzungen etwa im ÖPNV, wie zuletzt immer wieder diskutiert und von ihrer eigenen Partei 2018 als Einsparbeschluss mit CDU und Grünen verabschiedet, will es Griefahn nicht kommen lassen. „Das Angebot muss ausgeweitet werden“, sagt sie. „Steigen dann mehr Menschen auf den ÖPNV um, steigen automatisch auch die Einnahmen.“ Um Anreize für den Wechsel zum ÖPNV zu geben, solle er jährlich für eine Woche kostenfrei nutzbar sein.

Griefahn will eine Bürger-Klima-Genossenschaft initiieren

Griefahn will Auflagen für soziales und nachhaltiges Bauen machen, sie will für Klimaschutz und Klimaanpassung auch die Bürger ins Boot holen. Dafür sei die seitens der Verwaltung zur Disposition gestellte Mülheimer Initiative für Klimaschutz dringend zu erhalten und „wirklich zu einem Forum der Ideen für gemeinsame Klima- und Umweltprojekte der Stadtgesellschaft“ zu entwickeln.

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Darüber hinaus will Griefahn eine Bürger-Klima-Genossenschaft initiieren, das Engagement von Bürgerinitiativen gebündelt werden soll, um Klima- und Naturschutzprojekte anzustoßen, zu finanzieren und Flächen zur eigenständigen Entwicklung zu erwerben – „ob Bio-Garten, Bio-Landwirtschaft, Bio-Streuobstwiese, Entwicklung von Bürgerparks, Förderung von erneuerbaren Energien gemeinsam mit der Bürgerenergiegenossenschaft und Broich Strom“.

Stichwahl-Kontrahent Marc Buchholz (CDU) kontert mit scharfer Kritik

Kurz vor der Stichwahl am Sonntag setzt Griefahn, insbesondere im Kampf um die Gunst der Grünen-Wähler, noch eine Duftmarke. Stichwahl-Konkurrent Marc Buchholz (CDU) kontert das Griefahn-Papier mit scharfer Kritik. Es enthalte „jede Menge Selbstverständlichkeiten“, suggeriere dazu, dass Mülheim (inklusive SPD) „die ganze Zeit geschlafen hat und fast bei Null in der Klimaschutzpolitik beginnen müsste“.

Griefahns Kontrahent um das OB-Amt, Marc Buchholz (CDU), kontert den Vorstoß für einen Klimaplan scharf.
Griefahns Kontrahent um das OB-Amt, Marc Buchholz (CDU), kontert den Vorstoß für einen Klimaplan scharf. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Buchholz verwies auf den Energetischen Stadtentwicklungsplan von 2016 als „wichtigen Eckpfeiler der Klimaschutzpolitik“, auch auf das „wegweisende“ Klimaanpassungskonzept von Anfang dieses Jahres. Viele der von Griefahn skizzierten Maßnahmen seien schon seitens der Stadtverwaltung in Arbeit. Die Idee einer Bürger-Klima-Genossenschaft lehnt Buchholz als „versuchte Bevormundung der Bürger-Genossenschaften“ ab. Er verweist darauf, dass es bereits die Klimaschutzinitiative und einen Klimaschutzbeirat gebe.

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Buchholz verspricht „Task Force Klimawandel“

Griefahns Papier sei auch nicht zu entnehmen, wie eine solche Kooperation künftig ausgestaltet sein solle. Buchholz kritisiert darüber hinaus, dass Griefahn nichts zur Finanzierung der gelisteten Projekte sage, und wiederholte seine inhaltlich nicht näher bestimmte Ankündigung, nach seiner möglichen Wahl zum OB selbst eine „Task Force Klimaschutz“ über das OB-Büro bilden zu wollen.

„Der jetzt erschienene Klimaplan von Frau Dr. Griefahn greift anscheinend einige Aspekte aus unserem Grünen Kommunalwahlprogramm 2020 auf“, reagierte Grünen-Vorstandssprecherin Kathrin-Rosa Rose. Dennoch bleibe der Klimaplan „in einigen Punkten vage“, auch bleibe unklar, wie Griefahn die einzelnen Innovationsfelder finanzieren wolle. Rose übte auch Kritik daran, Hamburg zum Vorbild zu nehmen. Mülheim brauche ein eigenes Konzept, das der Lage, der Größe, dem Strukturwandel und der finanziellen Situation der Stadt gerecht werde.

Grünen-Sprecherin: Klimaplan hoffentlich nicht nur Wahlkampfgeplänkel

Grünen-Vorstandssprecherin Kathrin-Rosa Rose (hier links neben Fabian Jaskolla) äußerte am Donnerstag Vorbehalte gegen die Pläne der SPD-OB-Kandidatin.
Grünen-Vorstandssprecherin Kathrin-Rosa Rose (hier links neben Fabian Jaskolla) äußerte am Donnerstag Vorbehalte gegen die Pläne der SPD-OB-Kandidatin. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

„Wir hoffen, dass es sich bei dem Klimaplan nicht nur um Wahlkampfgeplänkel handelt, um kurz vor der Stichwahl Wählerstimmen zu gewinnen“, so Rose. In der Vergangenheit seien Punkte aus dem Griefahn-Konzept von der SPD im Rat abgelehnt worden, als sie von den Grünen eingebracht worden seien, etwa das ÖPNV-Konzept mit Ringbuslinie.

Positiv zu Griefahns Vorstoß äußert sich hingegen Hans-Peter Winkelmann, Mit-Initiator der Privatinitiative zum Klimaquartier Broich, das auch Projektpartner der Stadt für das Klimaanpassungsprogramm ist. „In Mülheims Klimapolitik ist über Jahre ja nichts passiert, deswegen haben wir ja damals die Privatinitiative gegründet“, sagt er. Andere Städte hätten längst einen Klimaplan, das Energetische Stadtentwicklungskonzept greife viel zu kurz, sei „nur eine Blaupause für das Geschäftsmodell der Medl“.

Klima-Experte lobt Griefahns Vorstoß: Weiteren Stillstand können wir uns nicht leisten

Raumplaner Winkelmann, der schon vor 30 Jahren als Sachverständiger der Bundesregierung für den Klimawandel tätig war und seit fast 15 Jahren in Brüssel EU-Projekte zum Thema bearbeitet, hält auch das aktuelle Klimaanpassungskonzept der Stadt nicht für ausreichend. Es stehe allein für die Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels. Ein Klimaplan, übrigens seit August zu 100 Prozent gefördert durch den Bund, sei eigentlich voranzustellen, weil er konkretisiere, wie CO2-Emissionen reduziert werden sollen.

Winkelmann hat jüngst auch ein Video in den sozialen Netzwerken verbreitet, mit einer Wahlempfehlung für Griefahn. Nicht, weil er partout der SPD nahestehe, sondern „weil wir uns einen weiteren Stillstand in diesem Bereich nicht leisten können“.