Mülheim. Das schwarz-grüne Bündnis in Mülheims Stadtrat ist seit dieser Woche besiegelt. Das haben die Koalitionäre in den nächsten knapp fünf Jahren vor.
Sie waren in den vergangenen Monaten nach den Kommunalwahlen bereits als designierte Partner in Mülheims Stadtrat aufgetreten, hatten gemeinsame Anträge eingebracht und Initiativen. Seit dieser Woche ist die Kooperationsvereinbarung zwischen CDU und Grünen ratifiziert. In elf Politikfeldern hat die künftige Ratskoalition unter dem Leitsatz "Gemeinsam geht es besser" Ziele formuliert. Hier eine Übersicht.
1. Finanzen. Die Sanierung des maroden Haushalts enge ein, sei aber unausweichlich, stellen CDU und Grüne in ihrem Papier fest. Zu den aktuellen Sparvorschlägen bei Kita und OGS sagt das Papier nichts.
Es skizziert derweil andere Bereiche, die finanziell etwas bringen könnten: etwa die Optimierung von Fördermittel- und Finanzmanagement, die Beteiligung der Stadt an "Planungsgewinnen", wenn sie Flächen zu Bauland aufwertet, oder auch eine "optimierte Kosten-Nutzen-Balance beim Personaleinsatz der Stadtverwaltung". Jede städtische Gesellschaft auf den Prüfstand zu stellen, wie es OB Marc Buchholz in seinem 100-Tage-Programm angekündigt hatte, findet sich im Bündnispapier nicht wieder.
Steuererhöhungen sollen - "wann immer möglich" - vermieden werden
Weitere Steuererhöhungen seien, "wann immer möglich", zu vermeiden, heißt es. Die begrenzten Investitionsmittel gelte es "klug" einzusetzen. Schwerpunkte dabei sollen sein: Bildung, digitale Infrastruktur, Sportanlagen, Radwege, Straßensanierung und energetische Gebäudesanierung.
2. Wirtschaft. Die Wirtschaftspolitik soll zusätzlich eine ökologische Note bekommen, Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit sollen handlungsleitend werden. Den Schwerpunkt will Schwarz-Grün auf eine Entwicklung des Wirtschaftsstandortes für innovative Geschäftsideen aus Wissenschaft, aber auch aus dem Handwerk heraus legen.
In der Wirtschaftsflächen-Frage bleibt es bei der Festlegung aus Sommer 2020, dass keine Flächen im Grünen angefasst, sondern vorhandene Flächen besser genutzt werden sollen - im Fokus dabei sind insbesondere der Hafen und das nördliche Mannesmann-Areal (mit einer Erschließung über die seit Jahrzehnten diskutierte "Styrumer Tangente"). Zur Entwicklung am Flughafen bleiben die Koalitionäre vage: Den Masterplan-Prozess mit Essen gelte es fortzuführen, die zukünftige Nutzung sei "ergebnisoffen zu beraten".
Weitere Standorte für Windkraft sollen gesucht werden
3. Umwelt und Energie. Betont wird das Ziel, Mülheim bis 2035 klimaneutral aufzustellen. Die neue Stabstelle für Klimaschutz im OB-Referat soll helfen, um entsprechend Fördermittel nach Mülheim zu lotsen, etwa für eine energetische Sanierung städtischer Gebäude. Das Thema Nachhaltigkeit soll stärker verankert werden.
Wilde Vermüllung soll bekanntlich ab Februar durch den Einsatz von Mülldetektiven bekämpft werden. Es soll einen Runden Tisch zur Landwirtschaft geben, ebenso einen Arbeitskreis, der das Ziel verfolgt, Müll zu vermeiden. Weitere Standorte für Windkraft sollen, wie von den Grünen verlangt, unter Beteiligung von Bürgern bestimmt werden.
Mülheims Stadtplanung soll den Gedanken der Nachhaltigkeit verinnerlichen
4. Stadtplanung. Sie soll sich am Nachhaltigkeitsprinzip orientieren und keinen ökologischen Schaden anrichten. So steht die Reaktivierung von Brachflächen im Fokus, Flächen im Grünen sollen unbebaut bleiben. In Bebauungsplänen sollen ökologische Standards gesetzt werden. Mehrgenerationen-Wohnen, aber auch andere innovative Wohnungsbaukonzepte sollen mehr Raum gewinnen, auch sei "bei passenden Planungen" der geförderte Wohnungsbau stärker in den Blick zu nehmen.
Nach jahrelangem Veto gegen die SPD-Initiative zur Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft will Schwarz-Grün eben diese nun doch auf den Weg bringen. Noch ein Punkt: Friedhöfe sollen grundsätzlich als Grünflächen erhalten bleiben.
Im Mülheimer Rathaus soll es einen "Nahmobilitätsmanager" geben
5. Mobilität. CDU und Grüne haben festgeschrieben, über ihre Mobilitätspolitik den CO2-Ausstoß in der Stadt "signifikant reduzieren" zu wollen. Planungen im Bereich der Mobilität sollen nicht primär fokussiert bleiben auf den Autoverkehr, sondern die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer verfolgen. So stehen weitere Tempo-30-Zonen in Rede.
Ein "Nahmobilitätsmanager" soll im Rathaus verantwortlich sein für den Ausbau von Rad- und Fußwegen. Das Bündnis fordert etwa eine regionale Radwegeverbindung von Oberhausen über Mülheim nach Ratingen, wie sie dem Regionalverband Ruhr vorschwebt.
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Zur seit Jahren nicht beantworteten Frage, wie der öffentliche Nahverkehr kostenoptimiert, aber auch zukunftsgerichtet aufgestellt werden soll, bleiben die Aussagen vage. Ein gemeinsamer Nahverkehrsplan mit der Stadt Essen werde angestrebt, heißt es da. Neben ÖPNV-Angeboten auf Anforderung ("on demand") soll es ein neues Busnetz geben, "zum Beispiel mit einer Ringbuslinie", heißt es da zurückhaltend zur Forderung der Grünen. Die Straßenbahn-Zukunft bleibt offen. Auch zum Kahlenbergast gibt es keine Festlegung, ob dort künftig Straßenbahn oder Bus verkehren soll. Vor einer Entscheidung sollen noch mal Kostenkalkulationen vorgelegt werden.
Schwarz-Grün will den Kommunalen Ordnungsdienst ausweiten
6. Sicherheit und Ordnung. Das Bündnis will das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger gestärkt sehen. Dafür soll etwa der Kommunale Ordnungsdienst ausgebaut werden, er soll mehr Präsenz auch in den Stadteilen zeigen. Die Stadtwache an der Ruhrpromenade (Polizei und Ordnungsamt) soll bis in die Abendstunden und an Wochenenden geöffnet sein. Geprüft werden sollen "Interventionsstreifen", die "Ordnungswidrigkeiten unmittelbar ahnden".
Gegen "rechtsfreie Räume" und Angsträume soll verstärkt etwas unternommen werden, öffentliche Plätze sollen bei Bedarf mehr Licht und Farbe bekommen, wie für den Nordeingang des Hauptbahnhofs für dieses Jahr eingeplant. Das Bündnis will auch ein Sicherheitskonzept für Friedhöfe schaffen.
Schwarz-Grün will Ausbau qualitativ hochwertiger Betreuungsplätze vorantreiben
7. Kinder und Jugend. Der Ausbau "qualitativ hochwertiger Betreuungsplätze" soll etwa mit Blick auf den zu erwartenden Rechtsanspruch auf eine OGS-Betreuung vorangetrieben werden. Dabei soll Eltern "eine Vielfalt von pädagogischen Konzepten, Trägern und Betreuungsstrukturen" offenstehen, ausdrücklich auch Hortplätze.
Über das bereits geschaffene Bündnis sollen Kinderarmut und deren Folgen bekämpft werden, heißt es global. Im Bereich der Jugendhilfe plant Schwarz-Grün eine Umorganisation: Alle Aufgaben sollen zurück unter das Dach des Jugendamtes. Zur anstehenden Debatte um die künftige Förderung der Jugendzentren betont das Bündnis den Willen zur Gleichbehandlung. Die CDU hatte in der Vergangenheit eine Bevorteilung des Alternativen Zentrums gesehen.
Neue weiterführende Schule: Prüfung ohne Festlegung auf Schulform
8. Bildung. Das Zukunftsthema sei die Digitalisierung, so Schwarz-Grün. Zeitnah und flächendeckend sei für eine WLAN-Versorgung der Einrichtungen zu sorgen.
Die Gründung einer neuen weiterführenden Schule soll geprüft werden, auf eine bestimmte Schulform legt sich das Bündnis nicht fest. Geprüft werden soll auch, "ob es in Mülheim, außerhalb städtischer Einrichtungen, den Bedarf für weitere Schulformen, wie zum Beispiel eine Montessori-Schule, gibt".
Zum Bürgerentscheid für den Erhalt des seit Jahren stillgelegten VHS-Gebäudes in der Müga heißt es zurückhaltend, Schwarz-Grün wolle "unter den schwierigen Rahmenbedingungen eine Nutzung des Gebäudes an der Bergstraße auch als VHS wieder ermöglichen".
Mülheim soll 50 Menschen aus Flüchtlingslagern aufnehmen
9. Soziales, Arbeit und Gesundheit. Im Sozialbereich wollen CDU und Grüne noch mehr auf die Expertise von Organisationen und Institutionen außerhalb des Rathauses setzen, um etwa in der Gesundheitsfürsorge und Pflege auf Höhe der Zeit zu sein.
Gleich mehrere Punkte der Kooperationsvereinbarung widmen sich geflüchteten Menschen. Zeitnah will das Bündnis der Forderung des Evangelischen Kirchenkreises nachkommen, 50 Menschen aus Flüchtlingslagern aufzunehmen, vor allem Minderjährige, die auf sich gestellt sind. Für die Verwaltung soll die Einrichtung einer Stelle geprüft werden, die Geflüchteten helfen soll, in Ausbildung zu kommen. Die Koalition will dafür einstehen, dass gut integrierte Migranten im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nicht abgeschoben werden.
Was die Stadt bei Hartz-IV-Empfängern für Mietkosten akzeptiert, soll alle zwei Jahren anhand eines neuen Mietspiegels überprüft werden. Es soll in Zukunft eine Antidiskriminierungs- und Anti-Rassismus-Stelle geben. Für alle Altersgruppen will das Bündnis neue Bewegungs- und Sportangebote schaffen.
Mülheims vielfältige Kulturlandschaft mit allen Mitteln erhalten
10. Kultur und Tourismus. Die vielfältige Kulturlandschaft zu erhalten, sei ihnen "ein besonderes Anliegen", stellen die Koalitionäre heraus. Mülheims Kultur soll stärker als Standort- und Wirtschaftsfaktor zur Geltung gebracht werden. Um die Kultur zu stützen, soll nach mehr Fördermitteln gefahndet werden. Auch soll ein Kultur-Förderkreis initiiert werden.
Es soll eine Kultur-App geben, die Digitalisierung der Kultureinrichtungen befördert werden, auch weitergehende Kooperationen zwischen Schulen und Kultureinrichtungen. Ausdrücklich stellt sich Schwarz-Grün hinter die Pläne eines privaten Investors, in Styrum ein Kunsthaus entstehen zu lassen als einen Ort für Begegnung und Bildung, aber auch für Kunst- und Kulturhandel.
Neubau des Wennmann-Bades soll endlich Realität werden
11. Sport. Die Koalition will die Sanierung und Erweiterung von Sportanlagen und Bädern vorantreiben, "möglichst zeitnah", heißt es. So solle auch der längst beschlossene Neubau des Heißener Wennmann-Bades endlich Realität werden. "Mittel- bis langfristig", also nicht in dieser Ratsperiode, solle auch ein Schwimmbad-Bau links der Ruhr möglich gemacht werden.
Das Bündnis will darüber hinaus eine Anlage für Parkour, Outdoor-Gym oder BMX bauen, die Skater-Anlage in Saarn erhalten, endlich eine Badestelle an der Ruhr einrichten und nach dem Förderbescheid für die Leichtathletik-Anlage am Wenderfeld in Dümpten auch den Sack zumachen für eine Kunststofflaufbahn an der Mintarder Straße.