Mülheim. Eine Indiskretion und das für Mülheims Kommunalwahl geschmiedete schwarz-grüne Bündnis wankt. Kann die CDU mit einem grünen OB-Kandidaten leben?

Die offizielle Mitteilung der Mülheimer Grünen zur ersten Video-Mitgliederversammlung in der Geschichte des Kreisverbandes fiel knapp aus, das Signal aber ist deutlich: Zwar betonen Mülheims Grüne mit Blick auf die Kommunalwahl weiterhin den Willen zur Zusammenarbeit mit der CDU. Doch wenn es nach ihnen geht, soll nach dem Aus von CDU-Kandidatin Diane Jägers an der Spitze eines schwarz-grünen OB-Wahlkampfes nun ein Grüner stehen: Wilhelm Steitz (65).

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Am Donnerstagsabend zeigte Bewerber Steitz in einer digitalen Mitgliederversammlung per Videoschalte Gesicht. Steitz, aktuell noch stellvertretender Präsident der Bezirksregierung Köln, war vom Kreisvorstand der Grünen nach dem Rückzieher der schwarz-grünen OB-Kandidatin Diane Jägers noch einmal kontaktiert worden, um seinen Willen zu einer OB-Kandidatur abzuklopfen. Steitz, der bis in die späten 90er-Jahre für die Grünen auch im Stadtrat aktiv war, zeigte sich bereit.

Grünen-Parteivorstand: Deutlicher Rückenwind für Wilhelm Steitz

Zur Videokonferenz, zu der sich auch Felix Banaszak als Landesvorsitzender der Grünen zugeschaltet hatte, stellte der Parteivorstand anschließend fest, dass die Mitglieder auf die Bewerbung von Steitz „ausschließlich positiv“ reagiert hätten. Banaszak habe die Bewerbung des verwaltungserfahrenen Steitz „ausdrücklich begrüßt“. Das Stimmungsbild an der Basis sei „als deutlicher Rückenwind für Wilhelm Steitz zu verstehen“.

Zur Person: Wilhelm Steitz

Wilhelm Steitz ist Jahrgang 1954, er entstammt einer Mülheimer Handwerkerfamilie. Nach seiner juristischen Ausbildung gründete er 1983 ein Anwaltsbüro, das er bis 1998 betrieb.

1998 wechselte Steitz in den öffentlichen Dienst. Er war Beigeordneter der Stadt Rösrath im Rheinisch-Bergischen Kreis, später dann in Dortmund, bevor er 2013 als Vizepräsident zur Bezirksregierung Köln wechselte.

Schon dass sich der Landesvorsitzende zur Videoschalte der Mülheimer Grünen zugeschaltet hatte, macht wohl deutlich, wie ernst es die Grünen plötzlich meinen mit einem eigenen Bewerber für das höchste Amt in der Stadt. Während sich die CDU-Chefin Astrid Timmermann-Fechter zuletzt noch bedeckt gehalten hatte, mit welchen potenziellen Bewerbern aus den eigenen Reihen sie aktuell Gespräche führt, ist das neue grüne Selbstbewusstsein nun Faktum.

Wilhelm Steitz zur CDU: Wir warten gelassen ab

Ein Faktum, das die Gespräche zwischen CDU und Grünen belasten dürfte, weil Vertrauliches aus Parteikreisen heraus an die Öffentlichkeit gelangt ist. Die Grünen haben ihre Trumpfkarte nun offen ausgespielt, die CDU ist unter Zugzwang gesetzt: Kann sie ihren Mitgliedern vermitteln, einen grünen Kandidaten mitzutragen?

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Der Bewerber der Grünen gab sich im Gespräch mit dieser Redaktion am Freitagmorgen jedenfalls selbstbewusst: „Ich habe großen Zuspruch verspürt für mich als Person“, sagte Steitz. Weiter betont er auch seinen Willen zur Zusammenarbeit mit der CDU. In seinem kommunalpolitischen Wirken in den 1990er-Jahren hat Steitz ein schwarz-grünes Bündnis selbst schon mal mit Leben gefüllt. Wie sich die CDU nun zu seiner Person positioniere, „warten wir gelassen ab“, sagte er.

Belastende Themen für ein schwarz-grünes Bündnis: Vom ÖPNV bis zur Flughafen-Frage

Steitz hat sich dem eigenen Bekunden nach in der Videoschalte mit der Basis inhaltlich noch nicht tiefgehend eingelassen. Da gelte es für ihn, sich nach 22 Jahren politischer Abstinenz in Mülheim noch in die Themen einzuarbeiten.

Belastende Themen für ein schwarz-grünes Bündnis sind sicher die Zukunft des ÖPNV, die Gewerbeflächenpolitik und auch eine gemeinsame Positionierung in der Flughafen-Frage. Darauf angesprochen, gibt Steitz durchaus schon Grundgedanken preis. Zum umstrittenen Frage etwa, ob Mülheim in großem Stil neue Gewerbeflächen ausweisen sollte. Für Steitz ist es „zu kurz gegriffen“, die Frage der Ansiedlungspolitik auf das Flächen-Thema zu reduzieren.

Steitz: Ansiedlungspolitik nicht nur an der Flächen-Frage festmachen

Der Digital-Atlas NRW etwa weise für Mülheim aus, dass der Gigabit-Ausbau zum schnellen Internet mit Anschlussqualitäten von mehr als 1000 Mbit/s reichlich hinterherhinke. Habe Mülheim erst einen Ausbaustandard von zwei Prozent erreicht, komme Düsseldorf auf 85 Prozent. „Das ist ein klarer Standort-Nachteil“, sagt Steitz. Allein dies könne ansiedlungswillige Unternehmen abschrecken, nicht nur jener vermeintliche Flächenmangel, den die Regionalplaner für Mülheim „abstrakt berechnet“ hätten.

Auch zum Flughafen äußerte sich Steitz. Er konstatiert, dass sich seit seinem Ausscheiden aus der Kommunalpolitik 1998 nicht viel getan habe, es herrsche immer noch die „Situation des gegenseitigen Blockierens“ vor. Nach wie vor sei Grundlagenarbeit erforderlich, um eine vernünftige Entscheidung vorzubereiten. Selbst bei den Grünen sei die Meinung nicht einheitlich. Es gebe auch Stimmen, die sagten: Lieber die Kröte eines fortwährenden Flugverkehrs schlucken als Freiflächen dort für eine Bebauung zu opfern.