Mülheim. Mit der drastischen Abwertung der RWE-Aktien verliert die Stadt Mülheim rund eine halbe Milliarde Euro, damit liegen die Schulden 120 Millionen höher als das Vermögen. Der Kämmerer betont, dass das keine direkten Folgen nach sich zieht. Aber der Spardruck bleibt.

Nun ist die Stadt Mülheim überschuldet. Vier Jahre früher als erwartet liegen die Schulden höher als das Vermögen in Finanzanlagen, Grundstücken und Steinen. Ursache ist der große Wertverlust der RWE-Aktien, von denen die Stadt 9,4 Millionen besitzt. Im kommunalen Jahresabschlussbericht für 2013 musste der Kämmerer jetzt den Börsenkurs vom Jahresende zugrunde legen: Da war die Aktie als eine Folge der Energiewende nur noch 26,61 Euro wert, nahezu mit dem Dreifachen stand sie bis dahin auf der Habenseite der Stadt. Damit ist Mülheim mit 120 Mio. Euro überschuldet.

Was droht? Kämmerer Uwe Bonan sieht darin zunächst nur einen rein buchhalterischen Vorgang. „Auf den Haushalt der Stadt hat dies keine Auswirkungen.“ Er gehe davon aus, dass dieser von Düsseldorf genehmigt werde – trotz erneut fehlender 89 Mio. Euro. Sparkommissar? Wird nicht erwartet, weil der auch bei anderen Kommunen in ähnlicher Situation nicht auf der Matte stand. Und aus der Kämmerei wird vorsichtshalber auch betont: „Die Stadt wird natürlich weiterhin allen Zahlungsverpflichtungen nachkommen.“ Städte gingen nun mal nicht Pleite.

Höhere Zinsen verlangen

Auswirkungen könnte es höchstens dann geben, wenn die Banken angesichts der Überschuldung für die Kredite an die Stadt höhere Zinsen verlangen. „Aber sicher wissen wir das auch nicht.“

Zwei Aufgaben sind für Bonan weiterhin zwingend: Der jährliche Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben. 2021 will er das nach wie vor erreichen. „Danach müssen wir durch Gewinne das Eigenkapital der Stadt aufbauen.“ Ausgeschlossen hat Bonan, weiter Steuern für Grundbesitzer oder Unternehmen zu erhöhen. Aus der Politik kamen gestern umgehend Forderungen: Peter Beitz (FDP) plädierte dafür, nur noch die Pflichtaufgaben zu erfüllen. „Wir müssen uns auf das Überlebensnotwendige beschränken.“ Der Neubau der Bezirkssportanlage in Heißen für 14 Mio. ist für Beitz ein klassischer Fall: „Umgehend streichen.“

CDU wiederholt ihre Forderung

Die CDU wiederholt ihre Forderung an Bund und Land: „Gebt den Kommunen endlich Geld, damit sie ihre sozialen Aufgaben erfüllen können“, so Wolfgang Michels. Er appelliert aber auch an den Rat der Stadt: „Einen echten konsequenten Sparwillen vermisse ich nach wie vor bei vielen.“ Überschuldet, so Michels, sei die Stadt doch schon lange.

Der Titel ,überschuldete Stadt’ hätte aus Sicht von Bonan nicht sein müssen, wenn das Land eine schrittweise Abwertung des Aktienbesitzes erlaubt hätte. Zumindest besteht jetzt die Hoffnung, dass das nun überschuldete Mülheim bei der nächsten Stärkungspaktrunde des Landes berücksichtigt wird. In zwei Jahren könnte dies der Fall sein.

Grüne: Kein Fahrplan für Kehrtwende

1. Für die Grünen ist die Überschuldung keine Überraschung. „Im Grunde sind wir es schon lange“, sagt Tim Giesbert. Für ihn sei es vor allem beunruhigend, dass es „keinen Fahrplan gibt, wie die Stadt aus dieser Situation jemals wieder herauskommen kann.“
2. Die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) sehen die Stadt als bankrott an – wie manche Länder. „Es ist eben nicht nur eine Zahl auf dem Papier“, warnt Lothar Reinhard. Er sorgt sich, dass Kreditaufnahmen jetzt wegen fehlender Sicherheiten teurer werden könnten.
3. „Wir haben die Überschuldung schon lange diskutiert“, sagt Claus Schindler (SPD). Es sei nun kein Grund in Panik zu verfallen. „Luft zum Sparen“ sieht er in Mülheim kaum noch. Für ihn führt kein Weg an einem Schuldenfonds für Kommunen vorbei.