Mülheim. Die SPD stürzt bei der Kommunalwahl in Mülheim auf Platz drei ab. Die CDU ist nun stärkste Kraft. Gewinner sind die Grünen. Die Bilanz der Wahl.

Der Stadtrat wird neu justiert: Bei den Kommunalwahlen erlitten die Sozialdemokraten kräftige Verluste und rutschten im Vergleich zu 2014 auf 21,3 Prozent ab (-10,2). Stärkste Kraft ist nun die CDU, die auf 26,3 Prozent kam, aber auch 0,9 Prozentpunkte einbüßte. Wahlgewinner sind die Grünen, die ihr Ergebnis von 2014 mehr als verdoppeln konnten auf 23,4 Prozent und gar die SPD überholten.

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Ein historisches Ergebnis bei der Ratswahl haben die Grünen gleich mit mehreren Direktmandaten am Kahlenberg, in Heißen-Süd, Holthausen-Nord, Stadtmitte-Ost und -Zentrum eingefahren. Kathrin-Rosa Rose sieht das Team als Grund dafür, nun als zweitstärkste Kraft in den Rat zu ziehen: „Wir haben glaubwürdig vermittelt, wofür wir stehen.“ Man habe als junge Partei aber noch nicht wie andere Parteien Verbindungen in Organisationen und Vereine in der Stadt. „Ein Problem war, dass etwa der Unternehmerverband und die Wirtschaftsförderung kurz vor der Wahl noch Werbung für Griefahn gemacht haben. Man hat uns die Kompetenz Wirtschaft nicht zugetraut. Da müssen wir progressiver werden.“

Mülheims CDU-Chefin: Die Wähler haben unsere Arbeit honoriert

„Wir haben ein tolles Ergebnis eingefahren. Die Wähler haben unsere Arbeit honoriert“, sagte CDU-Chefin Astrid Timmermann-Fechter trotz leichter Verluste, die die CDU trotzdem die Führungsrolle im Rat einnehmen lässt. „Als stärkste Fraktion des Rates könne die CDU in Zukunft gute Politik gestalten. „Dazu werden wir uns verlässliche Partner suchen“, kündigte Timmermann-Fechter an. Für die abgestürzte SPD konstatierte am Abend Parteichef Rodion Bakum „eine schwierige Situation“. Bundes- und Landestrend, auch „die Mülheimer Diskussionen der vergangenen Jahre“ machte er für das schlechte Abschneiden der SPD verantwortlich.

Seine Partei müsse nun „einen offenen Zukunftsprozess starten, um Vertrauen wiederzugewinnen“. Bakum sieht dafür nach personeller Neuaufstellung und inhaltlichen Impulsen der OB-Kandidatin Monika Griefahn den Boden bereitet. Auch habe sich die SPD im Wahlkampf trotz aller Unkenrufe kampagnenfähig gezeigt. Es gelte aber, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Als viertstärkste Kraft zieht die AfD in den Stadtrat ein

Als viertstärkste Kraft zieht die AfD in den Stadtrat ein. Sie erzielte 7,2 Prozent. Hohe Verluste fuhren die Mülheimer Bürgerinitiativen ein, die wie die FDP mit einem Ergebnis unter fünf Prozent nur knapp den Fraktionsstatus im Stadtrat halten. Vor sechs Jahren lagen die MBI noch bei 10,1 Prozent, nun haben sie nur knapp die Hälfte der Wähler erreicht. „Wir sind nicht glücklich“, sagt Spitzenkandidat Lothar Reinhard, „aber das kommt auch nicht überraschend.“ Die kommunalen Themen seien bei der Wahl in den Hintergrund gerückt. Die MBI wollen nun mit den Stichwahl-Kandidaten Marc Buchholz und Monika Griefahn ins Gespräch kommen, „ob sie sich noch konkreter zu Mülheim-Themen äußern“.

Nur knapp hinter MBI und FDP landete Satirepartei „Die Partei“ bei ihrer ersten Kommunalwahl. Sie erzielte 4,5 Prozent und damit mehr Zuspruch als die Linken, die mit 2,7 Prozent noch mal deutlich hinter ihrem Ergebnis von 2014 blieben und nur knapp vor dem Bündnis Wir aus Mülheim landete.

SPD: Parteichef und Fraktionsgeschäftsführer nicht mehr im Stadtrat

Bei der Vergabe der Wahlkreismandate hat es manch ein prominenter Lokalpolitiker nicht wieder in den Stadtrat geschafft. Absehbar war, dass es SPD-Parteichef Rodion Bakum nach seinem Wahlkreis-Wechsel von Eppinghofen nach Broich-Süd schwer haben würde. Er verlor deutlich gegen CDU-Kandidat Heiko Hendriks. Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Claus Schindler wird nicht mehr im Rat sitzen. Er verlor sein Mandat in Heißen-Süd/Heimaterde an Daniela Grobe (Grüne).

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Bei der OB-Wahl qualifizierten sich Marc Buchholz (CDU) und Monika Griefahn (SPD) für die Stichwahl am 27. September. Bei der Auszählung hatte Griefahn lange die Nase vorn, auf den letzten Metern setzte sich Buchholz knapp mit 25,4 zu 25,3 Prozent an die Spitze.

OB-Wahl: Buchholz (CDU) und Griefahn (SPD) schwören ihre Teams auf Stichwahl ein

„Das ist ein tolles Ergebnis, das ich mit meinem tollen Team erreicht habe. Das Vertrauen der Menschen zeigt mir, dass sie meine Arbeit schätzen“, erklärte Marc Buchholz. „Nun müssen wir für die Stichwahl auch die Menschen überzeugen, die bisher andere Kandidaten gewählt haben. Das sollte gelingen.“ Auch SPD-Kandidatin Monika Griefahn dankte ihren Wahlkämpfern: „Es war ein großer Spaß bislang mit Euch. Wir müssen jetzt durchhalten und Dampf drauflegen. 100 Prozent reichen nicht. Es wird kein Spaziergang.“, appellierte sie, weiter so engagiert Wahlkampf zu machen wie bislang.

Franziska Krumwiede-Steiner (links) und Tim Giesbert (Mitte), Fraktionssprecher der Grünen, applaudieren OB-Kandidat Wilhelm Steitz, der aber ins Rennen um die OB-Stichwahl nicht eingreifen konnte.
Franziska Krumwiede-Steiner (links) und Tim Giesbert (Mitte), Fraktionssprecher der Grünen, applaudieren OB-Kandidat Wilhelm Steitz, der aber ins Rennen um die OB-Stichwahl nicht eingreifen konnte. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Grünen-Kandidat Wilhelm Steitz blieb chancenlos. Er landete bei 15,7 Prozent. „Wilhelm Steitz war ein Zugpferd für unseren Wahlkampf. Er hat unserer Partei ein Gesicht gegeben. Und er bleibt uns erhalten“, kündigte der Fraktionsvorsitzende Tim Giesbert an. Steitz will als sachkundiger Bürger in den Ausschüssen mitwirken. „Ich würde mich freuen, wenn ich den einen oder anderen Beitrag in das Team einbringen kann“, so Steitz. Die anderen sieben Kandidaten schafften nicht den Sprung über die Zehn-Prozent-Marke. Am besten von ihnen schnitt der parteilose Horst Bilo ab (8,3 Prozent). Bilo hatte die Live-Übertragung der Ergebnisse gar nicht verfolgt, sondern auf seiner Terrasse entspannt. „Sehr schön“, kommentierte er den Zuspruch für sich.

Alexander von Wrese (AfD) holt in Styrum-Süd 12,1 Prozent

Die AfD geht gestärkt aus der Kommunalwahl hervor. Frontmann Alexander von Wrese hat bei der OB-Wahl sechs Prozent geholt. Das Ergebnis kommentiert er lässig: „Wer als AfD-Kandidat bei der OB-Wahl antritt, glaubt nicht wirklich daran, dass er gewinnt.“ Bei einem so engen Feld mit zehn Kandidaten sei es auch klar, dass sich die Bewerber gegenseitig Stimmen wegnehmen.

„Unser Schwerpunkt lag auf der Wahl zum Stadtrat“, sagt von Wrese, der zugleich AfD-Vorsitzender in Mülheim ist. „Und wenn wir dort in Fraktionsstärke einziehen, haben wir unser Ziel erreicht.“ In seinem Wahlkreis Styrum-Süd holte von Wrese 12,09 Prozent – das beste AfD-Ergebnis der Stadt.

Horst Bilo: Parteiloser OB-Kandidat landet auf viertem Platz

Der unabhängige OB-Kandidat Horst Bilo verbrachte den Wahlabend ganz entspannt auf seiner Terrasse mit Blick in den Garten. Lange Zeit verfolgte er die Ergebnisse überhaupt nicht. Letztendlich schaffte es der Parteilose sogar an vierter Stelle im Rennen um das Rathaus. 8,32 Prozent bedeuteten mehr Stimmen als AfD-Kandidat Alexander von Wrese. „Sehr schön“, kommentiert Bilo das Resultat. „Ich freue mich, dass ich so viele Menschen erreicht habe.“

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Allgegenwärtig im OB-Wahlkampf war Rockmusiker Andy Brings. Für die „Partei“, der er übrigens gar nicht angehört, landete er bei sechs Prozent. Für ihn absolut okay: „OB der Herzen bin ich so oder so“, erklärt Brings. „Wer mich gewählt hat, für den verkörpere ich die Sehnsucht nach Wandel.“ Zu seinem direkten Rivalen wurde am Sonntagabend ausgerechnet der OB-Kandidat der AfD, Alexander von Wrese, mit dem sich Andy Brings ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferte, das letztlich 6,08 zu 6,05 Prozent für Brings ausging.

Beitz (FDP) fürchtet: Jetzt wird der Rat noch komplizierter

Das Fernduell heizte die Stimmung im „Alten Schilderhaus“, wo die bunte Anhängerschaft der „Partei“ den Abend bei Currywurst und Muffins verbrachte, immer wieder an. Für beste Laune sorgte dann die Tatsache, dass die „Partei“ mit 4,5 Prozent der Stimmen ab sofort im Stadtrat mitreden kann: „So sehen Sieger aus!“, wurde schon lange vor Einbruch der Dunkelheit gesungen. Parteivorsitzender Dominik Messink stimmte ein: „Wir sind super zufrieden, dass wir aus dem Stand direkt zwei Mandate holen. Für die anderen Parteien ist es eigentlich ein Trauerspiel, was wir da geschafft haben.“

Amrei Debatin, OB-Kandidatin der FDP, musste sich mit 2,86 Prozent zufriedengeben. Auch ihre Partei verlor erneut.
Amrei Debatin, OB-Kandidatin der FDP, musste sich mit 2,86 Prozent zufriedengeben. Auch ihre Partei verlor erneut. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Zu den Verlierern gehörte auf jeden Fall die FDP mit nunmehr 4,7 Prozent. Nachdenklich klang Fraktionschef Peter Beitz – aber nicht ohne eine Prise schonungslosen, bittersüßen Humors: „Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass wir das schlechte Ergebnis von 2014 noch unterbieten werden.“ Der jahrelange Sprecher der Liberalen ist aber auch sauer und weiß nicht, wohin mit dem Frust: „Eigentlich haben wir alles richtig gemacht. Wir sind mit einer frischen Truppe angetreten, haben gute Themen besetzt, wenig Fehler gemacht.“

Mobini (Linke): „Etwas enttäuscht bin ich schon“

Beitz glaubt, dass auch der schlechte Bundestrend, die Äußerungen von Parteichef Christian Lindner, mit in die Kommunalwahl spielten. „Jetzt wird der Rat mit vielen verschiedenen Parteien noch komplizierter“, fürchtet Beitz, und dass die Probleme der Stadt nun erst recht nicht angefasst werden. Stabile Verhältnisse wünscht sich der FDP-Mann und spekuliert: Vielleicht eine Ampelkoalition?

Auch für die Linke ist es nicht gut gelaufen: Hatten es vor sechs Jahren mit 4,1 Prozent noch für zwei Ratsmandate gereicht, landet die personell grundlegend veränderte Partei nun gerade noch bei 2,7 Prozent. Spitzenkandidatin Andrea Mobini wird im Rat künftig wohl alleine die Stellung halten. „Etwas enttäuscht bin ich schon“, sagt sie, „aber auch realistisch. Die Vergangenheit der letzten Ratsgruppe, die ja überhaupt nichts getan hat, drückt sicher das Ergebnis.“

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BAMH hätte sich deutlich mehr ausgerechnet

„Wir sind total enttäuscht, total leer. Wir hatten uns deutlich mehr ausgerechnet“, bilanziert der Vorsitzende des Bürgerlichen Aufbruchs (BAMH), Frank Wagner, das schlechte Abschneiden bei OB- und Ratswahl. Wagner meinte, dass sein BAMH bei seiner Premiere einen guten Wahlkampf gemacht habe.

Woran die schlechten Resultate festzumachen seien, werde sein Bündnis bei einem Treffen am Dienstag analysieren. Die Entscheidung, im Frühjahr Fraktionschef Jochen Hartmann das Misstrauen deutlich zu machen, sei aber richtig gewesen. „Die Mülheimer haben gewählt wie immer, wenn auch mit einem stärkeren Fokus auf die Grünen. Das ist nicht nachvollziehbar. Diese drei Parteien haben die Politik der Vergangenheit maßgeblich geprägt. Wohin das geführt hat, sieht man ja“, so Wagner, der am Abend mit seinem Listenplatz 2 schon davon ausgehen musste, selbst auch nicht mehr als Stadtverordneter im Rat dabei zu sein. So kam es dann auch. Ramona Baßfeld wird es alleine richten müssen.

Jochen Hartmann: Ich glaube nicht, dass ich mich jetzt schlafen lege

Mit 2,4 Prozent der Stimmen ist Cevat Bicici, Ratsherr von Wir aus Mülheim, zufrieden: „Das sind gut 50 Prozent mehr, als wir in der vergangenen Kommunalwahl erzielt haben. Die Menschen haben uns wegen unserer gradlinigen Politik ihre Stimme gegeben.“ Warum reichte es nicht für mehr? „Die Wahlen waren stark auf die OB-Wahl zugeschnitten“, glaubt er.

Der parteilose OB-Kandidat Jochen Hartmann nimmt seinen vorletzten Platz mit knapp 1,5 Prozent der Stimmen gelassen. Dafür, dass er für seinen Wahlkampf insgesamt nur 300 Euro ausgegeben habe, sei er sehr zufrieden. „Dass ich besser abgeschnitten habe als der Vertreter des BAMH, erfüllt mich mit besonderer Genugtuung“, so Hartmann. Wie seine persönliche politische Zukunft weitergeht, werde er in Ruhe überlegen. „Ich glaube nicht, dass ich mich jetzt schlafen lege.“