Siegerland. Die eine wird endlich fertig, die andere beginnt endlich: 2023 wird in Siegen gebaut. Nicht nur im Straßenverkehr, auch in der Innenstadt.
Wie eigentlich jedes Jahr (außer vielleicht die Corona-Zwangspause) war auch 2023 ziemlich ereignisreich. Hier sind zehn Themen und Geschichten, die Hendrik Schulz besonders in Erinnerung geblieben sind.
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1. Dauerbaustellen. Die eine geht, die andere kommt. Als die HTS-Rampe an der Eintracht wirklich fertig war, taten es viele zunächst als „Ente“ ab: Zu oft war die Fertigstellung schon verkündet und dann wieder verschoben worden. Nach fünf Jahren war es dann so weit. Womöglich zu „spät“ – als Synonym für eine Siegener Dauerbaustelle galt die Rampe da schon längst. Anders ist das beim Kreisel Schleifmühlchen: Da wurde zwar auch gewartet, jahrzehntelang sogar - aber darauf, dass es endlich losgeht. Dieses Jahr war‘s dann endlich so weit und dass es Jahre dauern würde, hatte die Stadt von vornherein klargemacht. Wie auch die Verkehrsbelastungen durch die Baustelle: Das Chaos ist nämlich ausgeblieben. Das war keineswegs vorprogrammiert – es wäre ja nicht die erste Sperrung, die ein Großteil der Verkehrsteilnehmer erst registriert, wenn sie schon im Stau stehen...
2. Innenstadtverkehr. Da, wo besonders wenig Platz ist, wollen oder müssen besonders viele hin: ins Zentrum. Und auch in die Stadtteilzentren. Siegen hat zwar eine komfortable Stadtautobahn, nach der sich andere Städte die Finger lecken würden, viele fahren trotzdem durch die Stadt, restriktive Ampelschaltungen hin oder her. Hier wird langsam aber stetig weiter umgedacht: Das Auto ist nicht mehr der alleinige Verkehrsmaßstab, auch gegen alle – erwartbaren – Widerstände. Die Stadt baut Radwege, weist Schutzstreifen aus, beschließt eine Umweltspur. Das alles sind nicht die Maximalforderungen – aber die kann es wohl auch nicht geben in einer Stadt, die jahrzehntelang aufs Auto fokussiert war. Auch wenn’s länger dauert: Vielleicht ist es nachhaltiger, die Menschen langsam umzugewöhnen. Und die Parkgebühren auch erst wieder etwas zu senken, bevor zu viele auf einmal zu verärgert sind.
Siegen entwickelt sich: In der Innenstadt und nach der Cyberattacke auch digital, ganz bestimmt
3. Stadtentwicklung. Auch baulich tut sich weiter einiges. Die Uni hat mit dem ehemaligen Möbelhaus Wonnemann (SSC) ihr erstes Gebäude an einem der neuen Teilcampus so gut wie fertig. Und weitere sind schon ziemlich konkret geworden: Als nächstes sind das Haus Hettlage und die ehemalige Druckerei am Häutebachweg an der Reihe; die Innenstadt wird ihr Gesicht rund ums Untere Schloss noch deutlich verändern, noch jahrelang. Verändern wird sich auch der Heidenberg: Mit dem geplanten Naturgarten-Center. Auch wenn‘s nicht unumstritten ist: Hier dürfte etwas entstehen, von dem die Stadt wirklich profitiert. Die Kremer-Märkte sind durchaus Ausflugsziele – und besser als eine Gewerbe-Brache ist das allemal. Apropos Gewerbegebiete: Da hat Siegen das vorläufige Ende der Fahnenstange erreicht. Nach Martinshardt II kommt nichts mehr, Oberschelden/Seelbach ist vom Tisch. Das hat gute Gründe, aber hier muss Siegen für die Zukunft Hausaufgaben erledigen, denn ohne Entwicklungsmöglichkeiten für die Wirtschaft sieht es wirklich finster aus.
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4. Hackerangriff. Wenigstens liegt in der Krise eine Chance: Wenn die Folgen der Cyberattacke von Ende Oktober denn eines Tages komplett behoben sein werden, dann wird vieles digital besser funktionieren als vorher, ganz sicher. Denn das ist immer so: Wenn man’s neu machen muss, macht man‘s direkt gut. Allein das Nicht-Funktionieren der Verwaltungsapparate zwingt die Kommunen dazu, sich zu überlegen, wie es besser geht. Erstmal auf Papier, inzwischen auch immer mehr eigenständig online. Dabei auch mal unkonventionell und „um die Ecke“ denken, Fünfe gerade sein lassen, innovative Lösungen erarbeiten: sicher keine „deutsche Beamtentugenden“. Aber es geht ja, offensichtlich, wenn man muss. Und das hoffentlich auch dann noch, wenn nach der langen analogen Durststrecke alles wieder klappt – egal wie die Städte und Gemeinden dann online aufgestellt sind; ob mit Südwestfalen-IT oder ohne.
Krise durch Hangrutsch in Siegen: Durch schnelles Handeln schnell beendet
5. Hangrutsch. Zum Glück wurde niemand verletzt, das ist das Wichtigste. In einer Stadt mit Bergbau-Geschichte, die sich über viele Berge und Täler erstreckt, kann so etwas passieren: Im Leimbachtal löste sich im Februar Felsgestein – oben auf dem Hang stehen Häuser. Die durften die Bewohner eine ganze Weile nicht betreten, zu groß die Gefahr, dass da noch mehr rutscht. Die Krise wurde vorbildlich schnell gelöst: Nicht binnen Tagen, aber binnen weniger Wochen. Nach gut einem Monat, viel schneller als gedacht, konnten die Menschen zurück in ihre Wohnungen, weil mit großen Anstrengungen ein gewaltiger Stütz-Hang vor der Unglücksstelle aufgeschichtet wurde. Der ist immer noch da, was nicht allen gefällt. Aber besser, als dass Wohnhäuser einstürzen.
6. Bunker. Verborgene Welten, Relikte der Vergangenheit faszinieren. Höhlen, Stollen und Gänge gibt es im Siegerland viele, allein schon wegen des Bergbaus. Im Krieg wurden viele davon zu Bunkern ausgebaut. So etwas zu erkunden ist wie ein Blick in die Geschichte. Sich vor Ort auszumalen, wie hier Bergleute schufteten, sich Menschen während Bombenangriffen zusammendrängten. Eine Unterwelt komplett von Menschenhand geschaffen hat Wilnsdorf: Ein
Gefechtsstand aus Beton, tief in die Erde eingegraben, atombombensicher
. Eigentlich schade, dass das Erkunden nur nicht ganz so legal möglich ist ...
Siegen: Schwer zu verstehen, dass manchmal gerade Kirchenvertreter Menschen abweisen
7. „Taffe Mädels vermöbeln Einbrecher“. Die Geschichte hat einfach alles – zwei Studentinnen merken, dass sich einer Julinacht jemand an ihrem Auto zu schaffen macht und drehen den Spieß um: Sie verkriechen sich nicht, bleiben nicht im Haus, sondern gehen zum Gegenangriff über. Sie fixieren den Täter und übergeben ihn der Polizei. Nachher merken sie, dass das vielleicht auch hätte schiefgehen können, aber auch das bringen sie so witzig und selbstironisch rüber – die Polizei kann im Grunde kaum anders, als sie für ihre Zivilcourage zu ehren. Einfach eine saucoole Aktion, die Ehrung war auf jeden Fall angemessen.
8. Kirchenskandale. Manchmal ist es schwer zu glauben, dass manche, die das Evangelium predigen, so wenig danach handeln. Jesus Christus hat sich laut biblischer Überlieferung besonders um die gekümmert, die „mühselig und beladen sind“, „die letzten werden die ersten sein“, Huren und Sünder und so. Und was machen manche von denen, die die frohe Botschaft unter die Menschen bringen sollen: Sie weisen Menschen ab. Verurteilen sie. Weil sie ein Leben führen, das dem Pfarrer persönlich nicht gefällt, will er die Tochter eines schwulen Paars nicht taufen. Und das Erzbistum lässt einen Mann auflaufen, dessen ganzes Leben schon als Kind von einem ihrer Priester ruiniert wurde. Wie war das noch mit Barmherzigkeit und Nächstenliebe? „Der Kern der christlichen Religion rührt nach ihrem Selbstverständnis aus der bedingungslosen Liebe Gottes gegenüber den Menschen und der gesamten Schöpfung“, steht zum Beispiel in der Wikipedia. Wohlgemerkt: Bedingungslos. Der gesamten Schöpfung gegenüber.
Gericht, Gewalt, Mord und Totschlag: Hoffentlich wird hier 2024 in Siegen ein besseres Jahr
9. Baumopferprozess. Noch so ein Siegener Dauer-Thema, das jetzt endlich abgeschlossen ist. 2021 hatten Lena Hugger und Hagen Keller die inzwischen fast schon berühmte Silberweide am Siegufer umgesägt und damit eine Empörung ausgelöst, die sonst wohl nur bei flächendeckendem Parkverbot für ganz Siegen erreicht worden wäre. Nach zwei Jahren und einigen Verzögerungen wurden sie wegen Sachbeschädigung verurteilt, Schadenersatz hatten sie da bereits längst geleistet. Der Prozess selbst und auch das Drumherum war, wie im Grunde die ganze Aktion und die folgende öffentliche Debatte, noch einmal ziemliches Getöse von allen Seiten. Die neue Silberweide an der Stufenanlage gedeiht derweil prächtig.
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10. Tötungen. Jeder Mensch, der ums Leben kommt, ist einer zu viel, ob durch Unfälle oder die Hand anderer. 2023 war, was das angeht, kein gutes Jahr. Frauen, Männer und Kinder wurden aus dem Leben gerissen. Die kleine Luise aus Freudenberg. Die junge Mutter aus Dreis-Tiefenbach, wohl erstochen von ihrem Ex-Partner. Der 71-jährige Hilchenbacher, ebenfalls erstochen, vom eigenen Sohn. Der 28-jährige Siegener, getötet im Familienstreit von einem Verwandten. Andere Tötungsversuche scheitern, wie bei dem Mann, der am Gasometer niedergestochen wird oder dem Siegener, den sein Nachbar im Wahn mit einer Axt erschlagen wollte. Die Verletzten haben hoffentlich genauso viel Kraft, diese Taten zu verarbeiten wie die Angehörigen der Opfer, um mit ihren Verlusten und der Trauer umzugehen. Hoffen darf man ja: Auch, dass 2024 so etwas nicht passiert. Nicht nur bei uns nicht.