Oberschelden/Seelbach. Der Verkehr im Ort hätte sich verdoppelt: Ein neuer Gewerbepark mit eigenem Autobahnanschluss würden Oberschelden und Gosenbach nicht verkraften.

Schon für sich würden neue Gewerbegebiete in Oberschelden und Seelbach zu deutlich mehr Verkehr in und durch die umliegenden Ortschaften führen. Ein neuer Autobahnanschluss würde das Ganze dann noch weiter steigern. Zu diesem Ergebnis kommt ein von der Stadt Siegen in Auftrag gegebenes Gutachten; die Verwaltung zieht daraus die Konsequenz, dass weder die Gewerbegebiete noch der zusätzliche A-45-Anschluss umgesetzt werden sollen. Sie schlägt dem Ausschuss für Stadtplanung (Stea) vor, die weiteren Planungen einzustellen.

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Die Sache hat eine lange Vorgeschichte. Mehr als 20 Jahre sind die Pläne alt, im Bereich Seelbach und Oberschelden – zwischen den Ortschaften führt die A 45 entlang – ein Gewerbegebiet auszuweisen. Der Bereich ist eine der wenigen Reserven, die die Stadt Siegen noch hat. So alt die Idee inzwischen ist, so alt ist auch der Protest dagegen. Der Plan sah einen gut 20 Hektar großen Gewerbe- und Industriepark nördlich und südlich der Autobahn vor: Im Bereich der Raststätte Siegerland-Ost Richtung Seelbach und nördlich von Oberschelden. Die Verkehrsanbindung konnte den damaligen Überlegungen zufolge sowohl über eine neue Anschlussstelle als auch über das bestehende Straßennetz erfolgen.

Neue Anschlussstelle an A 45 wäre für Siegener Westen viel besser erreichbar

Die Stadt Siegen hatte es zur Bedingung gemacht, auch aus Rücksicht auf die Menschen in den umliegenden Ortschaften, dass ein eigener Autobahnanschluss gebaut wird, um den Verkehr aus und zum Gewerbegebiet möglichst direkt auf die A 45 zu leiten. Andernfalls wäre er vor allem durch Oberschelden und Gosenbach Richtung Siegen geflossen, mit entsprechenden Belastungen, vor allem durch Lkw, für Menschen und Straßen.

„Mit der Anschlussstelle werden die erwarteten und oftmals benannten Verkehrsentlastungen in den betroffenen Ortsteilen nicht eintreten.
Verwaltungsvorlage

Das neue Gutachten kommt nun zu dem Ergebnis, dass „mit der Anschlussstelle die erwarteten und oftmals benannten Verkehrsentlastungen in den betroffenen Ortsteilen nicht eintreten werden“, heißt es in der Vorlage für den Stea. Ganz im Gegenteil: Gerade auf der Landstraße 907 in den Ortsdurchfahrten Oberschelden und Gosenbach – darauf war schon vor 13 Jahren in einem Verkehrsgutachten hingewiesen worden – dürfte es demnach zu höheren Verkehrsbelastungen kommen: durch ein Gewerbegebiet ohne Anschlussstelle um 93 Prozent, mit Anschlussstelle sogar um 124 Prozent. Weil die neue Auffahrt von den westlichen Siegener Stadtteilen aus deutlich besser erreichbar wäre als die bestehenden (Freudenberg-Wilhelmshöhe und Siegen-Mitte), würde sich auch der normale Autoverkehr verlagern, prognostizieren die Fachleute und bestätigen damit die Befürchtung; damit ist eine entscheidende Voraussetzung für das Vorhaben nicht gegeben.

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Zudem sei die L 907 für solche (Schwer-)Verkehrsmengen auch gar nicht ausgelegt, heißt es weiter: Die Landstraße ist vielfach sehr schmal, hat keine richtigen Gehwege, „die verträgliche Verkehrsmenge auf dieser Strecke muss daher so gering wie möglich gehalten werden“. Den Straßenquerschnitt will die Stadt auch unabhängig davon entsprechend verändern, aber mehr als 10.000 Fahrzeuge am Tag verkrafte die Stecke dennoch nicht. Ein Fahrverbot für Lkw würde da auch nicht viel nützen.

Grundproblem: Siegen hat zu wenig Gewerbeflächen für die Wirtschaft

Einmal mehr zeigt sich hier die Grundproblematik mit Flächen, die für Gewerbe und Industrie entwickelt werden können. Der Bedarf in Siegen ist nach wie vor hoch, das bestätigt auch die Vorlage, die der zuständige Abteilungsleiter Wirtschaftsförderung, Thomas Runge, mit unterzeichnet hat. Die Stadt hat eine theoretische Reserve, aber oftmals nur auf dem Papier. Neben Ikea beispielsweise: Wie berichtet war das Grundstück des geplanten Gartenmarkts Kremer eigentlich als Gewerbefläche gedacht, eine Konkretisierung scheiterte aber am mangelnden Verkaufswillen des Möbelriesen, der in seiner Nachbarschaft keine „laute“ Firma wollte. Die Stadt stimmte zu, das Areal umzuwidmen – es hätte ja ohnehin nicht zur Verfügung gestanden.

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Seit Jahrzehnten versucht Siegen, der Wirtschaft dringend benötigte Flächen zur Expansion oder Neuansiedlung zur Verfügung zu stellen, was nicht zuletzt aufgrund der Topografie oft sehr kompliziert ist – oder wie nun in Oberschelden/Seelbach der dort ansässigen Bevölkerung nicht zugemutet werden soll. Nachdem für die benachbarten Gewerbegebiete Oberes Leimbachtal und Martinshardt I bereits enorme Bodeneingriffe unternommen worden und die Grundstücke dort sehr schnell vergriffen waren, bemüht sich die Stadt, mit der Entwicklung des riesigen Gebiets Martinshardt II den Knoten zu durchschlagen. Dazu soll oberhalb des „Summit“ die ganze Bergkuppe abgetragen werden, um ab 2027 fast doppelt so viel Fläche wie in den beiden bestehenden anbieten zu können.