Netphen. Zwei Väter? Dann will der Pfarrer Yamina, 10 Jahre, nicht taufen. Ihre Freundin Janie (11) auch nicht: Wohl weil ihre Mutter alleinerziehend ist.
„Ich fand’s ein bisschen traurig“, sagt Yamina. „Ich wusste, dass er mich nicht taufen möchte, weil ich zwei Väter habe. Aber für mich ist das ganz normal.“ Der Fall der 10-Jährigen aus Netphen sorgt für Empörung: Als der Gemeindepfarrer hörte, dass Yamina die Tochter eines schwulen Ehepaars ist, lehnte er das Taufgespräch ab. Laut Kirchenordnung kann der Geistliche aber eine Taufe nicht aus Gewissensgründen ablehnen – anders als etwa bei der gleichgeschlechtlichen Trauung.
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Klaus J. Stanek und Daniel Nierenz, Yaminas Väter, waren immer der Ansicht, dass ihre Taufe Yaminas Entscheidung ist, wenn sie alt genug ist, wenn sie versteht, was das bedeutet. Ihre Tochter hatte sich früh für Religion interessiert, erzählt Klaus J. Stanek. Yamina fragte nach Gott und Jesus, nach Christentum und Islam. „Irgendwann fragte sie wieder und wieder nach ihrer Taufe.“ Daniel Nierenz rief den Pfarrer an, um ein Taufgespräch zu vereinbaren. Das ist bei Kindern unter 14 Jahren auch mit dem Täufling vorgesehen. Wie das denn seine Frau sehe, habe der Pastor gefragt. Nierenz antwortete, dass seine Frau ein Mann und auch für Yaminas Taufe sei. Damit sei das Gespräch beendet, habe der Theologe nach einer längeren Pause gesagt. Sie, die Eltern, würden nicht nach den Vorgaben Gottes leben, Kinder bräuchten laut der Bibel Vater und Mutter, also könne das Kind erst getauft werden, wenn es mit 14 Jahren religionsmündig sei.
Yamina sagt: „Ich habe doch entschieden, dass ich getauft werden möchte“
Die beiden Juristen sind seit 30 Jahren ein Paar, heirateten offiziell, sobald das rechtlich möglich war. Daniel Nierenz ist Rechtsanwalt und Notar, Stanek sein Büroleiter. „Das diskriminiert das Kind und schließt es aus der christlichen Gemeinschaft aus“, finden sie. Die Männer selbst kennen Diskriminierung aufgrund ihrer Homosexualität, auch wenn sie den Eindruck hatten, dass sich das in den vergangenen Jahren deutlich entspannt habe. Sie erzählten ihrer Tochter davon. „Ich weiß nicht, was er in der Kirche macht, wenn er so etwas sagt“, sagt Yamina im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich habe doch entschieden, dass ich getauft werden möchte.“ Danach mochte der Pfarrer aber nichtmal fragen.
Der Theologe bestätigt das am Telefon im Wesentlichen, möchte sich aber ansonsten nicht weiter äußern. Das Kind sei ja nun getauft, alle könnten doch zufrieden sein, meint er noch.
Kirchenkreis Siegen: Lebensform der Familie des Täuflings kein Grund gegen Taufe
Die Evangelische Kirche hat dazu eine klare Meinung, von der der Netphener Pfarrer gründlich abweicht. „Die Taufe bedeutet, dass einem Menschen Gottes Liebe und sein Segen ohne jede Voraussetzung zugesprochen werden. Das kann in jedem Alter geschehen“, schreibt der Kirchenkreis Siegen in einer Stellungnahme. Bei Kindern unter 14 Jahren entscheiden die Eltern über deren Taufe. Genaueres regelt die Kirchenordnung: Der Pfarrer müsse entscheiden, ob ein Grund gegen die vorzeitige Taufe vorliegt – beide Elternteile gehören nicht der evangelischen Kirche an; die evangelische Erziehung des Kindes ist nicht gewährleistet; die Eltern lehnen das Taufgespräch ab und sorgen nicht für geeignete Paten. All das trifft in Yaminas Fall nicht zu. „Die Lebensform der Familie des Täuflings ist kein Kriterium für die Ermöglichung seiner Taufe“, betont der Kirchenkreis. Der Pfarrer habe wohl eine Analogie zur gleichgeschlechtlichen Ehe gezogen, hierüber sei man mit ihm im Gespräch. Auch aus der Gemeinde wurden bereits Stimmen laut, die das Verhalten des Geistlichen nicht nachvollziehen können.
Mit seiner Haltung dürfte der Netphener Pastor in der Kirche ziemlich allein dastehen. Klaus J. Stanek bekam durch Zufall Kontakt zu einer Berleburger Pfarrerin, „das war für sie überhaupt kein Problem“, sagt er. Nach den Taufgesprächen fand am Ostermontag Yaminas Taufe in der Stadtkirche in Bad Berleburg statt, was der Kirchenkreis ausdrücklich begrüßt. Ihr Taufspruch ist Matthäus 7, 1: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“.
Pfarrer lehnt weitere Taufe ab: Weil die Mutter alleinerziehend und nicht evangelisch ist
Es war eine schöne Taufe, findet Yamina. Vor allem, weil sie zusammen mit ihrer besten Freundin Janie getauft wurde: Auch die 11-Jährige wollte sich gern taufen lassen – und auch sie lehnte der Netphener Gemeindepfarrer ab. Auch hier wegen der Lebensverhältnisse der Eltern. Janies Mutter Xenia Fourniadis ist alleinerziehend, ihr Ex-Partner lehnt den Kontakt zu seiner Tochter ab, sagt sie im Gespräch, ihren Lebensgefährten habe der Pfarrer nicht akzeptiert. Auch ihre Abstammung, sie ist Halbgriechin, sei demnach ein Problem für den Theologen gewesen, und dass sie der griechisch-orthodoxen Kirche angehört. Laut Kirchenordnung könnte man das als Grund anführen. Für eine Stellungnahme dazu ist der Pfarrer nicht erreichbar.
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Für die Pfarrerin aus Bad Berleburg war das offensichtlich kein Grund. Xenia Fourniadis kommen die Tränen, wenn sie erzählt, wie herzlich ihre Tochter und sie empfangen worden seien. „Ich möchte mein Kind in die Gemeinde bringen und bekomme Steine in den Weg gelegt“ – für sie völlig unverständlich. Sie wurde Patentante von Yamina, Klaus J. Stanek der Patenonkel von Janie.