Siegen. In Siegen darf man links über zwei Gegenverkehr-Fahrspuren abbiegen und an Hauptstraßen parken. Warten hinter Autos gehört zum Alltag. Warum?
Ums Parken wird in vielen Städten gerungen – in Siegen vielleicht noch mehr als anderswo. Das Thema Verkehr hat durchaus eine gewisse Brisanz in einer Stadt, in der Flächen für fast alles begrenzt sind: Wohnen, Arbeiten, Infrastruktur, eben auch Verkehr, fahrend wie parkend. Dass auf Hauptverkehrsachsen quer über zwei entgegenkommende Fahrbahnen links abgebogen werden darf, während sich der Verkehr hinter dem wartenden Fahrzeug naturgemäß staut, gibt es nicht in vielen deutschen (Groß-)Städten. Seltenheitswert hat auch die Siegener Eigenheit, dass an sehr vielen Straßenrändern geparkt werden darf, ob in Wohngebieten oder an Landesstraßen. Warten im Begegnungsverkehr gehört zum Siegener Verkehrsalltag.
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Das hat die Ursachen zum Teil in der Topografie. In dicht bebauten Wohngebieten wie etwa dem Giersberg fehlen auf den Grundstücken am Hang Flächen, um Fahrzeuge abzustellen – die Halter weichen also erlaubterweise auf den Straßenraum vor den Häusern aus, wo zwangsläufig der Platz auf Gehwegen und Fahrbahnen schrumpft.
Autofahrer-Lobby hat in Siegen nach wie vor Einfluss
In Siegen hat die Autofahr-Lobby aber auch gewissen Einfluss. Jahrzehnte wurde das Fahrzeug stadtplanerisch begünstigt; die Stadt an vielen Stellen so „gestrickt“, dass sie möglichst bequem „erfahren“ werden kann. Das ändert sich seit einiger Zeit, zumindest punktuell – Fahrzeuge raus, Menschen rein. Ein Meilenstein war dabei die Entfernung der Siegplatte und der Parkplätze darauf („Siegen zu neuen Ufern“) – für kaum etwas seien er und die Stadt so gescholten worden wie die Fluss-Freilegung, hatte Bürgermeister Steffen Mues danach verschiedentlich angemerkt. Die Entwicklung Richtung autofreier Innenstadt setzt sich mit dem Bürgerpark Herrengarten fort, anderen Verkehrsmitteln wird mehr Platz zugestanden, wie bei der geplante Umweltspur auf der Hauptachse Siegen-Geisweid, bei der dem Auto über weite Strecken eine Fahrspur pro Richtung zugunsten von Bus und Fahrrad entzogen wird. Was auch auf erheblichen Widerstand stößt. Oder die kürzliche Anhebung der Parkgebühren auf ein Niveau, das immer noch deutlich unter dem anderer Städte liegt, für Siegener Verhältnisse aber verschiedentlich als exponentiell wahrgenommen wurde. Dazu wird in der Ratssitzung am Mittwoch, 13. Dezember, berichtet.
Gänzlich ohne Autos oder andere motorisierte Fahrzeuge geht es aber auch nicht in Siegen, dafür sind die Entfernungen zu groß, die Verkehrsbeziehungen zu komplex, der öffentliche Nahverkehr vor allem in die Außenbezirke nicht verdichtet genug. Die Interessen und Bedürfnisse aller Verkehrsträger auszutarieren ist weder für die Kommunalpolitik noch die zuständige Abteilung Straße und Verkehr eine einfache Aufgabe.
Mehr Lebensqualität für alle
Mehr Lebensqualität für viele Menschen versprechen sich CDU und SPD von abgesenkten Bordsteinen an sämtlichen Kreuzungen Siegens. Denn die gebe es an vielen Kreuzungsbereichen der Stadt gerade nicht – für Personen mit eingeschränkter Mobilität ein nicht unerheblicher Nachteil. Mit Rollator- oder Rollstuhl oder auch Kinderwagen seien hohe Bordsteine durchaus eine Hürde.
Die FDP, die sich traditionell auch als Auto-Partei versteht, unternimmt zum Beispiel den Versuch, das halbseitige Parken auf der Achenbacher Straße auf dem Gehweg zu erlauben. Das führe dazu, dass Fahrzeuge mit kompletter Breite auf der Straße stehen – in einem schlecht einsehbaren Kurvenbereich in der Tat ein gefährlicher Umstand, argumentieren die Liberalen. Dies könne sehr leicht abgestellt werden, indem auf dem Bürgersteig geparkt werde, der an dieser Stelle breit genug sei – beispielsweise auch für Kinderwagen. Die Freidemokraten stören sich auch am Durchfahrverbot für Motorräder in der Oberstadt: Die dürfen zwischen 20 und 6 Uhr hier nicht herfahren, wegen Lärmbelästigung. Biker, so die FDP in einer Anfrage für den (ausgefallenen und verschobenen) Verkehrsausschuss, fühlten sich dadurch „ausgegrenzt und benachteiligt“, Autos mit Klappenauspuffanlagen seien „in der Regel deutlich lauter“ als herkömmliche Motorräder und würden genauso eine „erhebliche Lärmbelästigung“ bedeuten. Kontrollen würden indes auch für „reguläre Fahrzeuge“ stattfinden, so die Verwaltung in ihrer Antwort.
Nahe Siegener Innenstadt: Angespannte Parksituation – belastend für werdende Mütter
CDU und SPD nehmen in ihren aktuellen Anträgen dagegen eher die Fußgänger in den Blick oder wollen die Nutzung allgemein verfügbarer Parkplätze einschränken: Im Quartier am Fuß des Siegbergs, zwischen St.-Marien-Krankenhaus und Zentrum, herrscht entlang der Friedrichstraße „eine insgesamt angespannte Parkplatzsituation“, so die Kooperationsgemeinschaft. Anwohner dürfen in dem Bereich parken, es gibt noch wenige kostenlose Parkplätze und entsprechenden Suchverkehr. Da nun auch ein Geburtshaus an der Friedrichstraße entstanden ist, steige der Druck auf gebärende Frauen weiter: Wenn sie zur Geburt dorthin oder ins Krankenhaus gefahren werden, stünden „fast zu keiner Zeit“ ausreichend öffentliche Parkplätze zur Verfügung. In dieser Situation, so CDU und SPD, „eine große Belastung für Frauen“. Zwei sogenannte „Storchenparkplätze“ sollen daher laut Beschlussvorschlag vor der Klinik am Kampen und dem Geburtshaus an der Friedrichstraße eingerichtet werden – weder für Anwohner noch Kurzzeitparker würden sich dafür Flächen reduzieren.
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Angespannt, so die beiden Fraktionen, sei die Parksituation auch im Bereich Herrenfeld- und Brückenstraße in Weidenau, nahe (Kreis-)Klinikum. Sie beantragen eine Hol- und Bringzone für die evangelische Kita und die DRK-Großtagespflege. Eltern seien gezwungen, verkehrswidrig zu parken oder das teure Klinikum-Parkhaus zu nutzen. „Im Sinne einer familienfreundlichen Kommune ist dies nicht zeitgemäß“.