Kaan-Marienborn. Studentinnen erwischen Einbrecher und gehen auf ihn los: Sie sperren ihn nach kurzem Kampf ins Auto, das er ausrauben wollte. Und spendieren Bier

Es war vielleicht unüberlegt und bescheuert und hätte auch gefährlich werden können. Aber es war auch verdammt cool. Joana Krawinkel und Jana Bargmann, 26 und 27 Jahre alt, Studentinnen an der Uni Siegen, haben mitten in der Nacht einen Einbrecher an ihrem WG-Haus erwischt. Und ihn fertiggemacht: Sie sperrten ihn nach kurzem Kampf in das Auto ein, das er grade ausräumen wollte. Er winselte um Gnade – keine Chance. Die beiden spendierten ihm noch ein Bier und übergaben ihn der Polizei. „Das hätte echt gefährlich werden können“, sagt Jana Bargmann. „Zum Glück war er eigentlich ganz nett und friedlich. Aber das wussten wir ja vorher nicht.“

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Die Hauptstraße in Kaan-Marienborn, 2.30 Uhr in der Nacht auf den 25. Juli. Jana Bargmann kommt nach Hause und wundert sich, dass das Auto ihrer Freundin offensteht: alle Türen, der Tankdeckel, Sachen überall verstreut. Sie weckt ihre Freundin und nach ein bisschen Gefrotzel geht ihnen ein Licht auf: Da wurde geklaut. Wie sich nachher herausstellt, hat der Täter beim ersten Haus angefangen und sich die Reihe entlang gearbeitet. Jana Bargmann sieht aus dem Fenster, bemerkt Licht auf einem Nachbargrundstück – Bewegungsmelder. Da ist jemand. „Jana hat sich auf der Hacke umgedreht und ist raus, ich barfuß im Nachthemd hinterher“, erzählt Joana Krawinkel und muss grinsen. Sie grinsen viel, wenn sie die Geschichte erzählen.

Siegen: Sie entdecken Fremden im Auto – „Alter, was soll die Scheiße?!“

Irgendwie ist Joana da schon klar: Das ist vielleicht keine gute Idee. Aber ihre Freundin ist im „Kampfmodus“ losgestürmt, „ich lasse sie doch in der Gefahr nicht allein. Dann verrecken wir wenigstens zusammen.“ Grinsen.

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Sie gehen näher. Im Auto unterm Carport ist jemand. „Jana rief ‘Alter, was soll die Scheiße?’“, sagt Joana lachend. Jana Bargmann muss wieder grinsen: „Ich wollte nicht zu nah ran, aber er wollte raus. Da haben wir ihn ins Auto zurückgetreten“. Der Dieb will fliehen, sie rangeln, nageln ihn fest. Die Freundinnen lassen ihn nicht aus dem Auto.

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Er verlegt sich aufs Betteln: „Können wir das nicht so klären?“ – „Gar nichts können wir klären“, faucht ihn Joana an. „Du bist grade in mein Auto eingebrochen.“ Wieder will er abhauen, die Freundinnen halten dagegen, fangen an zu schreien – nicht „Hilfe“, sondern „Feuer, es brennt“, wie sie es in der Grundschule mal gelernt haben. Es funktioniert, die Nachbarn werden aufgeschreckt, Notrufe gehen bei der Polizei ein. Der Dieb gibt auf. „Der war nicht aggressiv“, erinnert sich Jana, „Typ Kifferstudent. Bisschen verpeilt. Vielleicht etwas zugedröhnt“. Wie sich später herausstellt, war er in der Tat vergangenes Jahr selber noch an der Uni. Es tue ihm voll leid, sagt er, scheiß Tag, schlechte Zeit, kein Geld. „Ich hab auch kein Geld“, staucht Joana ihn zusammen, „du kannst doch anderen Leuten deswegen nicht ihre Sachen wegnehmen!“ Er will sich im Auto eine Zigarette anzünden, Joana reicht es jetzt: Sie wirft seine Kippe weg. Er fragt, ob er sie wiederhaben kann. „Du hältst jetzt die Klappe und wartest auf die Polizei.“ Joana bewacht weiter die halboffene Autotür, krallt sich an der Dachreling fest, dass er nicht doch noch abhaut; Jana geht die Polizei in Empfang nehmen.

Siegener (28) ist Dauergast bei der Polizei – immer wieder klaut er aus Autos

„Ach, du schon wieder“, sagt ein Beamter als erstes zum Einbrecher – er ist „polizeibekannt“, wie es im Behördenjargon heißt. Immer wieder klaut der 28-Jährige Wertsachen aus Autos, hauptsächlich in der Siegener Oberstadt. Die Polizei kann ihm inzwischen mehrere Straftaten nachweisen, er ist quasi „Dauergast“ auf der Wache. Er wird gefilzt und der Rucksack ausgeleert: Autoradio, Werkzeug, Glühbirne. Habe er alles gefunden oder gehöre ihm. Ja klar. Außerdem eine Plastiktüte mit Resten von der letzten WG-Sommerparty: Tischtennisschläger, Wasserpistolen, Seifenblasen, eine Dose Red Bull und zwei Erzquell Pils. Da wären auch wertvollere Sachen gewesen, aber die ließ er liegen. „Das Bier wollten wir ihm schenken, aber das war für die Polizei dann zu viel“, sagt Joana.

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Jana Bargmann und Joana Krawinkel wird klar, dass das auch anders hätte ausgehen können. „Wir waren voll unter Strom, im Gefahrenmodus“, erinnert sich Joana. „Was, wenn er eine Waffe gehabt hätte und jemand verletzt worden wäre?“, ergänzt Jana. An Schlaf ist erstmal nicht mehr zu denken, dazu sind sie zu aufgewühlt. Den ersten Rüffel gibt es von den Nachbarn: Egal wie spät, klingelt uns raus, aber macht so eine Aktion nicht noch mal. Ob sie lebensmüde gewesen seien, fragt Joanas Vater sie später: „Einem Einbrecher hinterher – das könnt ihr doch nicht machen!“ Aber sie sind auch alle stolz.

Polizei Siegen rät davon ab, Einbrecher zu stellen – trotzdem Lob für die Studentinnen

Das sind auch die Beamtinnen und Beamten vor Ort, obwohl die Polizei dringend davon abrät, Einbrecher selber schnappen zu wollen: Sofort den Notruf wählen; wenn er abhaut, vielleicht noch mit Abstand verfolgen, aber keinesfalls selber eingreifen. Bevor es zum Handgemenge kommt: Fersengeld geben. Im Nachhinein finden Jana Bargmann und Joana Krawinkel es schon komisch, dass die Polizei sie dafür so gelobt hat. Und auch noch ein paar andere Sachen. „Sie haben uns das Gefühl gegeben, dass sie uns nicht ernst nehmen“, sagt Jana. „Für den Polizeialltag ist das vielleicht nicht so eine krasse Sache wie für uns“, ergänzt Joana: Während sie noch den Täter bewachte, hätten sich die Beamtinnen und Beamten für ihren Geschmack etwas zu viel Zeit mit der „Ablösung“ gelassen. Und ihren Werkzeugkasten – den er angeblich „gefunden“ habe, hätte sie auch zurückfordern müssen, „das haben sie ihm offenbar erstmal geglaubt“. Schade, dass nachher niemand in der Nachbarschaft informiert worden sei, was passiert ist, wie es weitergeht, findet Jana.

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Sei’s drum. Joana Krawinkel und Jana Bargmann stehen kurz vor ihren Abschlüssen, werden Siegen und ihr verschiefertes Häuschen mit der 8er-WG wohl bald verlassen. Ihre Heldinnengeschichte nehmen sie mit und die Erinnerung daran, wie sie einen völlig überrumpelten Einbrecher „verhaftet“ haben. Jana, grinsend: „Der hat nicht damit gerechnet, dass nachts zwei kampfbereite Mädels schreiend auf ihn losgehen.“