Siegen. Haus Hettlage wird für den neuen Uni-Campus abgerissen und eine Bibliothek neu gebaut. Davon soll auch die Siegener Bevölkerung profitieren.
Eine riesige Baustelle, mitten im Zentrum: „Operation am offenen Zahn“, nennt das der betreuende Ingenieur Oliver Voitl. Wo heute das als Haus Hettlage bekannte Gebäude zwischen Kölner- und Friedrichstraße steht und den „Topografiesprung“ zwischen Unter- und Oberstadt überbrückt, wird in wenigen Jahren eine 12 Meter tiefe Baulücke klaffen, in die die neue Universitätsbibliothek für den Teilcampus Nord errichtet wird. Ein hochkomplexes Vorhaben. Die Hochschule hat nun die Siegerentwürfe des Architektenwettbewerbs vorgestellt.
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Die Aufgabe, grob umrissen: In die entstehende Baugrube, genau zwischen die Bestandsgebäude, ein neues Bauwerk hineinzirkeln, das die Uni gut als Bibliothek nutzen kann, das nachhaltig errichtet und architektonisch ansprechend ist und städtebaulich die Friedrichstraße am Fuß mit der Kölner Straße auf dem Siegberg verbindet („Scharnier“ zwischen Unter- und Oberstadt und den Campusbereichen Nord und Unteres Schloss), dabei die Öffentlichkeit anspricht, die es mitnutzen soll, betont Kanzler Ulf Richter. Keine einfache Aufgabe – umso mehr habe er sich gefreut, dass sich das „who is who“ der deutschen und europäischen Architektenszene beteiligte, sagt Oliver Voitl, dessen Büro Hitzler Ingenieure den Wettbewerb für die Uni betreut.
Projekt Haus Hettlage Siegen: Damit Zeitplan klappt, darf kein Tag verschwendet sein
Einen ganzen Tag lang tagte das Preisgericht, beriet über die Konzepte und Anforderungen, die die Siegerentwürfe in hoher Qualität, aber durchaus unterschiedlicher Gewichtung erfüllen. „Bei so einem Projekt ist solch ein Wettbewerb nicht selbstverständlich“, sagt Baudezernent Jörg Münker – und eröffne ganz neue Möglichkeiten, weil so unterschiedliche Ansätze, Ideen und Inspirationen vorliegen. Das soll nicht bei allen, aber wichtigen neuen Gebäuden in der Stadt so gehandhabt werden. Neben Nachhaltigkeit sei vor allem der Aspekt „Nutzung durch die Bevölkerung“ ein Schwerpunkt, so Kanzler Richter: „Wir möchten Offenheit signalisieren, einladen ins Gebäude.“ Die Bibliothek in der ehemaligen JVA im Unteren Schloss werde bereits sehr gut angenommen, das hoffe er für diese noch prominentere Stelle auch – mit Veranstaltungen, Lesungen, Ausstellungen etwa. „Das wird eine besondere Adresse sein.“
Welche Variante es tatsächlich wird, entscheidet sich noch: Die Uni steigt nun in die Verhandlungen ein – die Entwürfe wurden überwiegend von Kooperationen aus Architektur- und Tragwerkstatikbüros eingereicht. Kein Entwurf ist perfekt, Details am und im Gebäude spielen dabei eine Rolle, ebenso Geld und ob die Büros überhaupt die Kapazitäten haben, ein solches Vorhaben zu stemmen. Richter: „Die Aufgabe ist sehr, sehr groß.“
Anfang 2024 soll das Verfahren abgeschlossen sein, für die technische Gebäudeausstattung hat die Projekleitung des Baudezernats das Vergabeverfahren gestartet, „es gibt bereits Bewerber“, sagt Sandra Hülpüsch. Dann folgen bis Mitte des Jahres der „Feinschliff“ am Vorentwurf, die Baugenehmigung Ende 2025, Generalunternehmer Anfang 2026, Baustart mit Abriss dann im Herbst. Fertigstellung: Vermutlich Ende 2028, Anfang 2029. „Da muss jedes Rädchen ineinandergreifen, damit das so funktioniert“, so ihre Kollege Felix Fiedler, kein Tag dürfe verschwendet werden. Der Wettbewerb kostete eine sechsstellige Summe, das gesamte Projekt einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.
Die Entwürfe fürs Haus Hettlage in Siegen: Zurückhaltend bis auffällig
1. Architektonisch zurückhaltend, als Neubau auf Anhieb vielleicht gar nicht erkennbar – „tut nicht weh“, kommentiert Christian Vitt. Filigran ausgearbeitete Natursteinfassade mit großen Fenstern, transparentem Erdgeschoss, guter Funktionalität – als Bibliothek und für auch öffentlich genutzte Räume. „Leicht, luftig, offen, einladend“, findet Kanzler Richter den Entwurf, der die Menschen hinziehen soll in den völlig untergenutzten Bereich Siegstraße, wo die große Freitreppe von unten heraufkommt. Im unteren Teil passt sich das Gebäude der bestehenden Architektur an, in der das bestehende Haus eher als Fremdkörper wirkt. Um dort eine „Straßenschlucht“ zu verhindern, ziehen sich die Etagen des durchaus brachial wirkenden Gebäudes gestaffelt nach hinten zurück.
2. Auffällig, vor allem von unten, mit viel Glas, die Etagen ziehen sich wie Terrassen den Hang hoch – hohe, helle Räume im Innern. Statt die Siegbergstraße mit einem Trakt zu überbauen gibt es eine transparente Verbindungsbrücke zur Kölner Straße, wo ein turmartiges, hochaufragendes Bauwerk ein Art Gegenpunkt zum Dicken Turm setzt. Womöglich der Entwurf, über den am meisten diskutiert werden wird.
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3. Wirkung von der Kölner Straße: Die Architektur soll ins Gebäude hineinziehen, den Verbindungsaspekt betonen. Von der Bauweise her mehre Gebäude, die hintereinander gesetzt sind – auch unten am Berg, wo quasi ein Haus „davorgesetzt“ wird. Für die praktische Nutzung im Alltag schwieriger als die anderen beiden.
Alle 14 eingereichten Entwürfe sind im Hörsaalzentrum am Unteren Schloss öffentlich einsehbar.