Siegen. Siegener Stadtverwaltung will sich nicht auf die Südwestfalen-IT verlassen und arbeitet an eigenen Computer-Lösungen. Lange dauert es trotzdem.

Die Stadtverwaltung wartet nicht auf die Südwestfalen-IT. Man baue derzeit ein leistungsfähiges Parallel-Netzwerk auf, berichtet Henrik Schumann, Leiter des Siegener Krisenstabs (SAE – „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“). Die SIT habe prognostiziert, bis Mitte Dezember das nach dem Cyberangriff abgeschaltete Netzwerk wieder hochfahren zu können, so der Stadtbaurat im städtischen Podcast „Flurfunk“: „Wir wissen aber nicht, ob sie das halten können.“

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Hinter vorgehaltener Hand mehren sich die Stimmen, die zumindest Unzufriedenheit mit dem kommunalen Zweckverband äußern – sowohl was die generelle Systemsicherheit vor dem Angriff angeht als auch den Wiederaufbau nach dem Schaden sowie die Kommunikation mit den Kunden. Auch von Absetzbewegungen ist in den südwestfälischen Kreisen und Kommunen die Rede; die SIT könnte am Ende wohl durchaus ein paar Kunden weniger haben als vor dem 30. Oktober.

Siegen baut paralleles Netzwerk auf – falls das SIT-System doch nicht rechtzeitig steht

Die Stadt Siegen ist eine der größeren Kundinnen der SIT und wie die anderen Städte und Gemeinden in Siegen-Wittgenstein und Olpe – wie die Kreise selbst – besonders stark von den Ausfällen betroffen, da sie mehr Dienstleistungen bezieht als beispielsweise der Märkische Kreis. Wie berichtet ist die Stadt derzeit damit beschäftigt, Computer wieder einsatzfähig zu machen. Entweder, indem alte, nicht mehr genutzte oder neu beschaffte Geräte auf Stand gebracht werden. Oder, indem die vorhandenen Rechner formatiert, also alle Daten vollständig gelöscht und dann wieder aufgebaut werden mit dem Ziel, in einem künftigen SIT-Netz verwendet zu werden. Oder eben in einem Parallelnetz.

Ratsarbeit demnächst online

Komplex sei es auch, die politische Arbeit in Siegen aufrecht zu erhalten. Einfach E-Mails mit pdf-Dateien zu versenden, sei nicht rechtssicher, erklärt Henrik Schumann. Unterlagen müssten zigfach ausgedruckt und fristgerecht per Fahrradkurier oder Post an die Rats- und Ausschussmitglieder versandt werden. Das dauert und kostet, funktioniere aber bislang störungsfrei.

Auch hier stehe in Kürze ein Fortschritt an, teilt Johannes Werthenbach, Leiter des Bürgermeisterbüros und des Sitzungsdienstes, auf Anfrage mit: Die Dokumente werden bald, wie beim Kreis und anderen Kommunen, auf der Notfall-Homepage www.siegen-stadt.de veröffentlicht.

Konkret bedeute das zunächst lediglich Grundlagen – Office-Programme, E-Mail-Anwendung. Die Spezialsoftware, die die Stadt für ihr rund 3000 Dienstleistungen braucht („Fachverfahren“), funktionieren überwiegend server- oder cloudbasiert, die Beschäftigten wählen sich also via Internet in diese Systeme ein. Wenn die SIT denn grünes Licht gibt.

Wenn Termine von der SIT nicht gehalten werden konnten, hatten wir einen Plan B.
Henrik Schumann

Auch hier warte man nicht auf den Dienstleister, so Schumann. Nachdem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inzwischen wieder unter ihren regulären Telefonnummern erreichbar sind – „ein Riesenschritt“ –, habe die Stadt LTE-Router beschafft, die WLAN ausstrahlen. Also Geräte mit SIM-Karten mit monatlich kündbaren Verträgen, wie bei Handys. Das ganze Thema Internet habe brachgelegen. Dieses Provisorium sei allerdings nicht so leistungsfähig, weshalb die Stadt nun Satelliten-Internet einrichte, was bei sechs Standorten im Stadtgebiet nicht so ganz einfach sei.

Siegen: Warum so viele Wochen nach dem Cyberangriff immer noch nicht alles wieder läuft

Auch hier verfolge man die Strategie, so flexibel wie möglich zu bleiben und auf verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein, erläutert Henrik Schumann. Das habe sich bereits bewährt, „wenn Termine von der SIT nicht gehalten werden konnten, hatten wir einen Plan B.“ Wenn das reguläre SIT-Netz Mitte Dezember wieder funktioniert: gut – ansonsten könne man auch noch länger ohne auskommen. Und das auch bei besagten Fachverfahren. Man arbeite auch direkt mit den jeweiligen Software-Herstellern zusammen an Lösungen, um Dienstleistungen wieder anbieten zu können, ohne dabei auf die SIT angewiesen zu sein, sagt Schumann. Tag für Tag gebe es dabei Fortschritte.

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Dass die Arbeit nicht nur der Siegener Verwaltung nach wie vor stark eingeschränkt ist, hänge mit der Komplexität der Systeme zusammen, betont der Stadtbaurat: Die Software für die 3000 Dienstleistungen stamme nicht von einem Hersteller – anders als Privatunternehmen sei die öffentliche Hand an vielen Stellen an gesetzliche Vorgaben gebunden und könne nicht frei entscheiden; so seien Kommunen gezwungen, in bestimmten Fällen mit bestimmten Anbietern zu arbeiten. Und weil diese Systeme auch alle untereinander miteinander vernetzt sind, sei es umso komplexer, sie wieder aufzubauen, wenn es am Boden liege. „Bei uns entsteht gerade ein großer Stau, wir können jeden Tag, an dem gearbeitet wird, gut gebrauchen.“