Siegen. Uni übernimmt altes Druckhaus am Häutebachweg: Studierende und internationale Profis arbeiten am Umbau mit – als neue Architekturschule Siegen.

Mäßig ansehnliche Gebäude wie die alte Druckerei am Häutebachweg stehen zuhauf im Sieger- und Sauerland. Waschbetonplatten waren eben angesagt in den 60ern. Der Bau wird in seiner ursprünglichen Funktion nicht mehr benötigt, die Übergabe an die Universität Siegen steht kurz bevor. Und die will einen städtebaulichen Makel in zentraler Lage nicht nur zur Heimstatt ihres Architektur-Departments umwandeln, sondern auch die Architektur einer Zeit revolutionieren, die geprägt ist vom Klimawandel und dem sparsamen Umgang mit Ressourcen.

Druckhaus: Teil des Uni-Umzugs zum neuen Teilcampus Süd in der Siegener Innenstadt

Das Druckhaus ist Teil des Uni-Umzugs vom Haardter Berg in die Innenstadt (Projekt „Siegen – Wissen verbindet“). Der Teilcampus Süd entlang des Häutebachwegs wurde zuletzt zwar deutlich abgespeckt – Stichworte Löhrtor-Bad und Karstadt –, das Druckhaus ist davon aber nicht betroffen. Denn das Department Architektur ist bislang im Campus Paul-Bonatz-Straße (PB) untergebracht – und der ist schlicht am Ende, baulich und konzeptionell. „Wir haben großen Bedarf“, sagt Prof. Thorsten Erl, Inhaber des Lehrstuhls für Städtebau und Initiator des Druckhaus-Projekts. Am unteren Haardter Berg sei in den vergangenen 40 Jahren so gut wie nichts passiert, das Department ist überall über den Campus verteilt, hat zu wenig Platz und keine gemeinsamen Räume.

Blick ins Innere des alten Druckhauses am Häutebachweg in Siegen und die „Summer School“: Es soll umgebaut werden für das Department Architektur der Uni.
Blick ins Innere des alten Druckhauses am Häutebachweg in Siegen und die „Summer School“: Es soll umgebaut werden für das Department Architektur der Uni. © Hendrik Schulz

Als sie hörten, dass erst der nördliche Teilcampus entlang der Friedrichstraße gebaut wird und dann – auch noch abgespeckt – der südliche Teil, „haben wir die Sorgentrommel gerührt“, formuliert Prof. Erl: Nicht noch länger am ungeliebten, ungeeigneten PB. „Wir standen unter enorm hohem Druck“. Sie entwarfen das „Summer School“-Verfahren für Um- und Ausbau des Druckhauses, die Uni unterstützte das Projekt auf allen Ebenen, betont Erl. „Wir waren begeistert von unserem neuen Heim“.

Verfahren: Bundesweit einzigartig – in Siegen bauen Studierende die eigene neue Uni mit

Die „Summer School“ ist ein Modellprojekt, bundesweit einzigartig, versichert Prof. Erl, das zeige allein schon das immense Interesse von renommierten Architekturbüros aus ganz Europa: Die Profis reichen Konzepte ein, die dann vor Ort, im Objekt selbst, in Teams mit Studierenden aus Siegen und dem gesamten deutschsprachigen Raum, weiter ausgearbeitet werden. Aus 30 Bewerbungen wurden sechs ausgewählt, aus London, Kopenhagen, Berlin. Dieser partizipative Ansatz sei neu und einzigartig, schwärmt Thorsten Erl: „Die, die hier in diesem Gebäude lernen und forschen werden, sind von Anfang an mit dabei“, bauen ihre eigene Uni mit, wenn man so will. Gleichzeitig lernen die Studierenden in der Praxis von namhaften Profis.

Assemble Architektengruppe, London: Offenheit steht im Mittelpunkt der Ideen. In einer Art Performance führten sie die interessierten Besucher*innen bei der Präsentation durch und um das alte Druckhaus, um unter anderem auf die geradezu idyllische Verbindung zum Fluss Weiss aufmerksam zu machen. Die Architekturschule soll Offenheit symbolisieren: inhaltlich und optisch. 
Assemble Architektengruppe, London: Offenheit steht im Mittelpunkt der Ideen. In einer Art Performance führten sie die interessierten Besucher*innen bei der Präsentation durch und um das alte Druckhaus, um unter anderem auf die geradezu idyllische Verbindung zum Fluss Weiss aufmerksam zu machen. Die Architekturschule soll Offenheit symbolisieren: inhaltlich und optisch.  © Uni Siegen

Neben dem festgesetzten Raumbedarf für das Department – das Druckhaus kann statisch zwei weitere Geschosse obendrauf vertragen und auch in der Fläche erweitert werden – geht es dabei auch um Städtebau, das künftige Stadtbild, um Energieeffizienz, Ressourcenschonung. So soll etwa – wo möglich – genutzt werden, was auf der anderen Seite des Siegbergs an der Friedrichstraße abgerissen wird, statt es einfach nur zu entfernen. „Was dort Qualität hat, soll erhalten werden“, so Prof. Erl. „Urban Mining“ nennt sich das Konzept – der Bausektor produziert gewaltige Mengen Abraum, der prinzipiell weiter nutzbar ist.

FAKT+Düsing, Berlin arbeiteten daran, ob die Räume der neuen Architekturschule funktionsübergreifend gestaltet werden können und was das energetisch und klimatechnisch bedeutet. Sie nahmen die Umgebung des Druckhauses genau in den Blick und untersuchten die Materialien des Bestandsgebäudes.  
FAKT+Düsing, Berlin arbeiteten daran, ob die Räume der neuen Architekturschule funktionsübergreifend gestaltet werden können und was das energetisch und klimatechnisch bedeutet. Sie nahmen die Umgebung des Druckhauses genau in den Blick und untersuchten die Materialien des Bestandsgebäudes.   © Uni Siegen

Über die sechs konkurrierenden Konzepte berät nun eine Jury, die bis Oktober eines auswählt, aus dem dann ein „Vorentwurf mit Kostenrelevanz“ erarbeitet werden soll.

Ziele: Paul-Bonatz-Campus der Uni Siegen hat es hinter sich – neue Architektur-Heimat

Für die Uni: Aus den Räumen soll ein Department entstehen, mit allem was die Architektur für Forschung und Lehre braucht – Labore und Werkstätten, Ausstellungsflächen, studentische Arbeitsplätze, vielleicht auch Büros für die Professorenschaft, „wenn es die künftig noch gibt“, meint Erl. Denn Arbeit verändert sich im digitalen Zeitalter, das merkt auch die Uni derzeit, die nicht mehr so viel Platz braucht, seit es Homeoffice und hybride Lehre gibt. Dem soll das Gebäude Rechnung tragen: In welchen Räumen wollen sie künftig lernen und arbeiten?

Hütten und Paläste Architekten, Berlin: Gemeinschaft ist die Basis des Entwurfs. Vielleicht sind es gar nicht mehr Hörsäle und Büros, die man in Zukunft braucht. Und könnte sich das Studium nicht eher an Themen als an Fächern orientieren? Was soll bleiben? Was fehlt? Daran arbeiteten die Studierenden sowohl mit Blick auf das Gebäude als auch auf das Konzepte der neuen Architekturschule.
Hütten und Paläste Architekten, Berlin: Gemeinschaft ist die Basis des Entwurfs. Vielleicht sind es gar nicht mehr Hörsäle und Büros, die man in Zukunft braucht. Und könnte sich das Studium nicht eher an Themen als an Fächern orientieren? Was soll bleiben? Was fehlt? Daran arbeiteten die Studierenden sowohl mit Blick auf das Gebäude als auch auf das Konzepte der neuen Architekturschule. © Uni Siegen

Für die Architektur: Ressourcenschonend bauen, erhalten statt abreißen, sogenannte „Graue Energie“ weiter nutzen, recyceln, nachwachsende Rohstoffe verwenden. Das ist das eine. Dann: Gebäude mit Blick auf Klimafolgen ausrüsten – mit begrünten Dächern, mit effizienter Energienutzung. Dieser Ansatz soll, zusammen mit dem Nutzungs-Aspekt, über den Umbau des alten Druckhauses hinausgehen. Die Uni Siegen will für die Architektur Entwicklungen anstoßen, die weit über Hochschule und Stadt hinausgehen – als „Neue Architekturschule Siegen“. Der Anspruch an Forschung und Innovation sei sehr grundlegend für eine Uni, sagt Thorsten Erl: „in dem, wie wir arbeiten und wo wir arbeiten, möchten wir auf der Bugwelle schwimmen.“

ADEPT Architekturbüro, Kopenhagen: Vielzahl von möglichen Varianten für die Entwicklung des alten Druckhauses. Die Modelle konnten, je nach Gefallen, in der Umgebung ausprobiert und eingepasst  werden. Die Gruppe stellte das Konzept unter das Motto „Re-lokalisieren, Re-agieren, Re-form“.
ADEPT Architekturbüro, Kopenhagen: Vielzahl von möglichen Varianten für die Entwicklung des alten Druckhauses. Die Modelle konnten, je nach Gefallen, in der Umgebung ausprobiert und eingepasst  werden. Die Gruppe stellte das Konzept unter das Motto „Re-lokalisieren, Re-agieren, Re-form“. © Uni Siegen

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ZRS coopdisco, Berlin: Ein Stufenmodell mit fünf Entwicklungsebenen, der Aufbau der neuen Architekturschule schraubt sich von Ebene zu Ebene, beginnend mit der jetzigen Ideenfindung (Ebene 1) bis hin zum Umzug (Ebene 4) und weiteren inhaltlichen und baulichen Entwicklungen bis zur Ebene 5. Dazu bauten die Studierenden Holzmodelle.
ZRS coopdisco, Berlin: Ein Stufenmodell mit fünf Entwicklungsebenen, der Aufbau der neuen Architekturschule schraubt sich von Ebene zu Ebene, beginnend mit der jetzigen Ideenfindung (Ebene 1) bis hin zum Umzug (Ebene 4) und weiteren inhaltlichen und baulichen Entwicklungen bis zur Ebene 5. Dazu bauten die Studierenden Holzmodelle. © Uni Siegen

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