Bottrop. Dass der Saalbau in Bottrop weichen muss, ist schon lange von der Politik beschlossen. Wieso kein Weg vorbei führt, es dennoch Jahre dauern kann.

Gefeiert wird im Bottroper Saalbau schon lange nicht mehr. Im Gegenteil; mit Wehmut blicken viele Bürgerinnen und Bürger auf die ehemalige Eventlocation im Schatten des Rathausturms. Die einstige Partyhochburg der Stadt ist ein Fall für die Abrissbirne. Wie es so weit kam – und wie lange es noch dauern könnte.

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Anfang der 2000er war der Saalbau, erbaut ab 1978, ein wahrer Veranstaltungshotspot. Nicht nur hunderte Karnevalssausen, sondern auch Sport-Events, Konzerte oder Autogrammstunden mit echten Hollywood-Stars wie Danny Trejo, Lorenzo Lamas und Andy Secombe fanden hier statt. Sogar Händler aus den Vereinigten Staaten, Belgien und der Niederlande waren damals nach Bottrop gereist.

Sogar Sport-Highlights fanden im Bottroper Saalbau statt. 2005 durften sich im Zuge der World Games die Snooker-, Dreiband- und Billard-Profis in Bottrop messen.
Sogar Sport-Highlights fanden im Bottroper Saalbau statt. 2005 durften sich im Zuge der World Games die Snooker-, Dreiband- und Billard-Profis in Bottrop messen. © WAZ | Birgit Schweizer

Dem gegenüber standen aber schon immer auch hohe Kosten. 1983 beispielsweise erwirtschaftete die Stadt mit dem markanten eckigen Bau Mieteinnahmen in Höhe von 38.500 DM, gekostet hat er die Stadt damals allerdings stolze 1.2 Millionen DM. Nach mehreren Gebührenerhöhungen forderte deshalb 2001 die ÖDP den Verkauf des Saalbaus. Der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende kommentierte die Forderung damals noch als „völlig indiskutabel“.

Wieso der Bottroper Saalbau aufgegeben werden sollte

Es ging also zunächst fröhlich weiter: ein Nachttrödelmarkt, eine internationale Katzenshow, die Star-Trek-Messe, zahlreiche Politik- und Vereinsveranstaltungen, sogar die Initialzündung für das Projekt Innovation City konnten im Saalbau gefeiert werden. 2011 kam die Wende.

Abermals forderten Politiker, darunter auch die FDP, nach dem Beitritt zum Stärkungspakt Stadtfinanzen, den Saalbau abzureißen und einen privaten Investoren zu suchen, der das „Filetstück“ der Immobilienlandschaft entwickeln sollte. Damit sollte die Stadt zudem teure Unterhaltskosten sparen. 2012 nahm die Diskussion weiter an Fahrt auf, man entschied innerhalb des Haushaltssanierungskonzepts: Der Saalbau soll 2016 geschlossen werden.

Doch das Thema blieb bei den Bottropern präsent. Denn was nach einem möglichen Abriss auf dem Gelände des Saalbaus stattfinden soll, war lange unklar – genau wie die berechtigte Frage: Wo trifft sich Bottrop sonst? Denn mit einem Wegfall des Baus würde es, so prognostizierten damals Bürgerinnen und Bürger, in Stadtmitte keine echte Alternative geben, wenngleich der Saalbau in seinen letzten Jahren von immer weniger Menschen besucht worden ist.

Zwischenzeitlich sah es so aus, als könnte auf dem Grundstück alternativ eine Sparkassen-Akademie samt Rathausanbau und Grünanlagen entstehen, doch diese Idee musste verworfen werden, denn die Sparkasse entschied sich für Dortmund als neuen Standort der Zukunftsschmiede. Ein Investorenwettbewerb sollte folglich Klarheit bringen, da waren sich fast alle Parteien einig. Die Grünen forderten 2015 jedoch weiter eine Erhaltung des Saalbaus. Dabei verwies man auf den Bottroper Verein „Ambotioniert“, der vorschlug, den Saalbau mit einem Mix aus Gastronomie, Büros und Kultur wiederzubeleben.

Bottrops Saalbau wird zur Notunterkunft für Flüchtlinge

Im selben Jahr kam es dann plötzlich ganz anders. Während sich die Stadtverwaltung auf die Kernsanierung des Rathauses einstellte, wurde der Saalbau zu Beginn der Flüchtlingskrise zur provisorischen Unterkunft umgebaut, um eine kurzfristige Unterbringung von Hunderten Geflüchteten zu ermöglichen. Im Januar 2016 zogen schließlich die ersten Menschen in die Notunterkunft.

Dann, noch während Flüchtlinge in dem Gebäude untergekommen waren, wurde das Saalbau-Gelände als mögliche Fläche für eine Rathauserweiterung in Betracht gezogen. Der damalige Plan der Stadtverwaltung sah vor, mehrere Ämter in einem Anbau in Stadtmitte zu bündeln. Die CDU schlug vor, Büroräume, aber auch Sozialwohnungen und darüber hinaus rund 400 Parkplätze für die Innenstadt zu schaffen. Die SPD hingegen wollte an einem Verkauf der Fläche festhalten und alternativ das ehemalige RAG-Gebäude, in dem inzwischen das Bauknecht Quartier samt WAZ-Lokalredaktion entstanden ist, kaufen, um dort diverse Ämter in einem zweiten Rathaus unterzubringen. Ein umfassendes Gutachten zur Wirtschaftlichkeit beider Vorschläge wurde beauftragt, um Klarheit in der Patt-Situation der beiden Ratsparteien zu schaffen.

Das Ergebnis: Die Stadtverwaltung entschied, dass man an den Rathausanbau auf dem Saalbau-Gelände planen will. „Das ist gut so, weil es die wirtschaftlichste Lösung ist. Dafür war aber das neue Gutachten nötig“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Göddertz damals im Gespräch mit der Redaktion. Anfang 2019 wurden die Pläne dann mit großer Mehrheit in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Wirtschaftsförderung und Stadtplanung bestätigt. Immerhin: Ein paar städtische Stellen, darunter das Amt für Wirtschaftsförderung, sitzen heute am Gleiwitzer Platz.

Dann kam Corona und plötzlich musste der Saalbau innerhalb weniger Tage eine weitere Transformation durchleben. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hatte vor Ort ein neues Corona-Behandlungszentrum eingerichtet. Dort sollten möglicherweise infizierte Menschen außerhalb von Arztpraxen versorgt werden. Nach nur wenigen Wochen wurde das Zentrum, in dem auch Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr halfen, geschlossen, weil die Fallzahlen sanken und es immer weniger Infizierte in der Stadt gab.

In der Corona-Zeit ziehen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in das marode Gebäude, um von dort vor allem bei der Kontaktverfolgung von Corona-Infizierten in Bottrop zu unterstützen.
In der Corona-Zeit ziehen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in das marode Gebäude, um von dort vor allem bei der Kontaktverfolgung von Corona-Infizierten in Bottrop zu unterstützen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Bundeswehr, die in Bottrop auch die Nachverfolgung von Corona-Infektionen und Tests in verschiedenen Altenheimen gemacht hatte, verabschiedete sich nach einigen Monaten mit den Worten: „Wir kommen wieder, wenn man uns braucht.“ Und so kam es. Kurze Zeit später stieg die Inzidenzzahl so rapide an, dass die Bundeswehr erneut in den Saalbau einziehen musste, um der Stadt diesmal vorwiegend bei der Kontaktnachverfolgung zu helfen.

Millionen-Projekt: Saalbau-Gelände soll für Rathauserweiterung genutzt werden

Die zahlreichen Nutzungsgründe brachte dem Saalbau-Gebäude aber nichts, denn die Stadtverwaltung hielt an dem Plan fest, dort einen Rathaus-Anbau zu verwirklichen. Da war sich die Verwaltung anfangs auch trotz einer stolzen Summe von kalkulierten 140 Millionen Euro sicher. Es sollte das größte Bauprojekt des Jahrzehnts werden. Kein Wunder, dass die Stadt allein für einen Entwurf innerhalb eines Wettbewerbs rund 390.000 Euro auslobte.

Wenige Wochen nach der Vorstellung des Siegerentwurfs kam es dann abermals komplett anders. Zunächst gründete sich mit „Neustart Bottrop“ eine Initiative von engagierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Geschäftsleuten, die forderten, dass kein teurer Neubau gebaut, sondern eine der leerstehenden Großimmobilien in der Stadtmitte für die Verwaltungssitze genutzt werden sollten. Dann wurde fast zur gleichen Zeit bekannt, dass der Anbau noch teurer als zunächst geschätzt werden sollte.

Obwohl schon hunderte Unterschriften für das angestrebte Bürgerbegehren vorlagen, war es aber die Stadtverwaltung, die die endlosen öffentlichen Diskussionen beendete. Man legte aufgrund der Haushaltslage die geplante Rathauserweiterung auf Eis. Auch das kann den Bau aber nicht vor der Abrissbirne retten, der Zustand des Saals ist inzwischen schlichtweg zu marode.

Saalbau-Abriss: Die aktuellsten Pläne der Stadt

Doch bei derzeit geschätzten zwei bis drei Millionen Euro, die alleine für den Abriss des Baus zu Buche schlagen sollen, ist klar: Ein Plan muss her. Doch die Verwaltungsspitze hat sich etwas ausgedacht. Man will die Umstrukturierung der Umgebung mit Mitteln aus dem Landesfördertopf für Städtebauförderung bezahlen. Da der reine Abriss nicht förderfähig wäre, hat man sich gleich etwas einfallen lassen. Man entwickelt die Fläche zu einem Grünstreifen mit angebundenen Parkmöglichkeiten. Im Gegenzug wird der Hinterhof des Rathauses, auf dem derzeit Mitarbeitende der Stadtverwaltung parken dürfen, ebenfalls angepasst.

Hier soll ein kleiner, grüner Innenhof entstehen. Die Parkplätze der Verwaltung fallen dem Vorhaben zwar zum Opfer, mit dem Kulturhof an der Böckenhoffstraße als Beispiel soll aber die Aufenthaltsqualität spürbar gesteigert werden. Zudem können so die dringend benötigten Gelder nach Bottrop gelotst werden. Ein weiterer Vorteil, den die Stadt bei ihren Planungen gleich bedacht hat: Die geplante Grünfläche könnte, sollte mal ein neues Bauprojekt, beispielsweise für eine Kita oder weiteren Wohnraum, dort entstehen müssen, einfacher bebaut werden.

Im letzten Jahr wurde ein Förderantrag auf den Weg gebracht, der im Oktober diesen Jahres bestätigt wurde. Bottrop kriegt nun Gelder, um Planer zu finanzieren, die die Idee zu Papier bringen sollen. Wenn die Politik dann diese Pläne bestätigt, steht dem endgültigen Abriss nichts mehr im Wege. Bis dahin, so bestätigt es Baudezernent Klaus Müller auch auf WAZ-Anfrage, könne es aber noch dauern – womöglich Jahre, denn alleine auf die Antwort der Landesverantwortlichen zur benötigten Förderung musste man ein Jahr warten.