Bottrop. Eine Sanierung lohnt sich nicht, Veranstaltungen dürfen nicht stattfinden. Die Gründe dafür und was alles im Saalbau kaputt und marode ist.

Irgendwann wird der Saalbau abgerissen. Wann genau, lässt sich nicht sagen. Sein Schicksal ist aber besiegelt. Denn dass er abgerissen wird, ist seit Jahren beschlossen. Eine politische Mehrheit im Rat hat dafür gestimmt. Auf WAZ-Anfrage haben jetzt Klaus Müller, Technischer Beigeordneter, und Mitarbeiter aus dem Fachbereich Immobilienwirtschaft gezeigt, in welchem baulichen Zustand sich der Saalbau aktuell befindet.

Wenn man über die Brücke zum Haupteingang geht, ist noch alles in bester Ordnung. Doch schon hinter der Glastür werden die ersten Mängel sichtbar. Dichtungen an den Fenstern sind porös, Rost hat sich gebildet. Der Teppich hat die besten Jahre hinter sich. Ein Mief liegt in der Luft.

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„Die Lüftung funktioniert nicht“, erklärt Abteilungsleiter Dirk Göttlich. Die großen Panoramafenster lassen sich nicht öffnen. Frischluft? Fehlanzeige. Zwischenzeitig sind aber einige Räume des Saalbaus in der Vergangenheit genutzt worden. Zum Beispiel vor acht Jahren in der Flüchtlingskrise, als Platz benötigt wurde und Geflüchtete im Saalbau ein kurzzeitiges Zuhause fanden.

Saalbau wird zum Beispiel nur noch für Notfälle genutzt

Oder während der Corona-Pandemie. Die Bundeswehr nutzte Räume bei der Kontaktverfolgung. „Wir haben nur Räume genommen, die wir belüften und in denen sich die Menschen deshalb über einen längeren Zeitraum aufhalten konnten“, erklärt Klaus Müller. In einem Nebenraum ist in einem Panoramafenster sogar eigens ein kleines Fenster eingebaut worden, nur damit dieses kleine Fenster geöffnet und somit der Raum mit Luftzufuhr genutzt werden kann.

Wasserflecken an den Deckenplatten. Ein schlimmes Schauspiel, was man an vielen Stellen im Saalbau sehen kann. Das Dach war schon häufiger undicht und wurde immer geflickt.
Wasserflecken an den Deckenplatten. Ein schlimmes Schauspiel, was man an vielen Stellen im Saalbau sehen kann. Das Dach war schon häufiger undicht und wurde immer geflickt. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Im Keller wird das Problem noch deutlicher. Lukas Rohmann vom Fachbereich Immobilienwirtschaft bleibt vor der Lüftungsanlage des Saalbaus stehen und zeigt auf ein kleines Typenschild. Darauf steht: Baujahr 1979. Die Anlage ist also genauso alt wie der Saalbau selbst.

Keine Frischluftzufuhr im Saalbau: „Der Kanal steht unter Wasser“

„Draußen“, so Fachbereichsleiter Peter Sommer, „gibt es einen Betonkanal, der frische Luft ansaugt.“ Über Rohre wird die Luft normalerweise im großen Saal verströmt. Das Problem? „Der Kanal steht unter Wasser“, sagt Sommer. Im Beton hätten sich zudem Risse gebildet. Möglicherweise auch Spuren von Schimmel.

Aber nicht nur die Lüftung ist im Eimer. Der dunkle Parkettboden, unter anderem im Foyer, hat zu viel Feuchtigkeit abbekommen und müsste nach Ansicht der Immobilienwirtschaft herausgerissen werden. Denn das Wasser sucht sich bei Regen seinen Weg durch das Gebäude. Laut Dirk Göttlich ist das Dach mit einzelnen Bitumenschichten immer wieder geflickt worden.

Die Fenster im Saalbau lassen sich nicht öffnen. Hier wurde eigens ein kleines Fenster eingebaut. Denn die Lüftungsanlage ist defekt.
Die Fenster im Saalbau lassen sich nicht öffnen. Hier wurde eigens ein kleines Fenster eingebaut. Denn die Lüftungsanlage ist defekt. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

An den Raumdecken fehlen manche Platten oder sind gebrochen. Auf anderen sind feuchte Flecken zu sehen. Es sind jene Spuren eines einst undichten Daches.

Unter den Bitumenschichten auf dem Dach befindet sich eine Kunststoffbahn, die müsste bei einer Sanierung ebenfalls entsorgt werden. Je nachdem, was dort verbaut ist, könnten darunter auch Schadstoffe liegen. „Diese müssten dann gesondert entsorgt werden“, sagt Dirk Göttlich. Erst dann kann auf dem Dach eine energetische Sanierung erfolgen.

Aufzüge im Saalbau sind außer Betrieb: Das ist der Grund

„Aufzug im Brandfall nicht benutzen! Lebensgefahr“, steht in der einstigen Küche des Casinos auf einem Schild geschrieben. Die Warnung ist aktueller denn je. Denn die Aufzüge im Saalbau sind außer Betrieb, weil sie schon lange nicht mehr genutzt und deshalb auch nicht mehr gewartet werden. Hier lauern die nächsten versteckten Kosten bei dem Wunsch nach einer Sanierung.

Die Schäden- und Mängelliste wird während des Rundgangs im Saalbau immer länger. Laut Fachbereich Immobilienwirtschaft müsste auch die Brandmeldeanlage nach heutigen Auflagen erneuert werden. Geschätzte Kosten: mehrere Zehntausend Euro.

Hier fehlen in den sanitären Anlagen auf der Herrentoilette die Pissoirs, die abgebaut wurden. Bei einer Sanierung müssten sie neu montiert werden.
Hier fehlen in den sanitären Anlagen auf der Herrentoilette die Pissoirs, die abgebaut wurden. Bei einer Sanierung müssten sie neu montiert werden. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Im großen Saal schaut Peter Sommer auf die meterhohen Stützpfeiler, die in der Erde einbetoniert sind. Was ist mit der Statik? „Man müsste Probebohrungen machen, um zu prüfen, ob sich Korrosion gebildet hat“, sagt er. Der nächste Blick fällt auf die Decke. „Ob die Dachauflagen noch halten?“, fragt er. Auch das müsste bei einer möglichen Sanierung vorab überprüft werden.

Und noch mehr ist im großen Saal defekt. „Im Technikraum funktioniert nichts mehr“, so der Fachbereichsleiter. Nur die Grundbeleuchtung im Saal ist an. Die Bühne ist weg. Es gibt keine Boxen und Lautsprecher mehr und keine Lichtanlage für Veranstaltungen. All das müsste neu angeschafft und installiert werden.

Ein Teil der früheren Küche. Auch müssten bei einem entsprechenden Saalbau-Konzept mit Gastronomie unter anderem neue Geräte angeschafft und die Elektrik neu verlegt werden.
Ein Teil der früheren Küche. Auch müssten bei einem entsprechenden Saalbau-Konzept mit Gastronomie unter anderem neue Geräte angeschafft und die Elektrik neu verlegt werden. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Sollte tatsächlich jemand Interesse haben, den Saalbau zu sanieren, müsste laut Verwaltung zunächst geklärt werden, zu welchen Veranstaltungszwecken. Das hätte dann wiederum Auswirkungen auf den Brandschutz. Möglicherweise müsste zudem ein neues Konzept für Fluchtwege erstellt werden.

Ratsbeschluss: Saalbau soll nicht mehr für Veranstaltungen genutzt werden

Bis zum endgültigen Abbruch des Gebäudes wird der Saalbau weiterhin als Lager genutzt. Im großen Saal werden etwa Möbel aus den unterschiedlichen Fachbereichen zwischengelagert. Oder der Saalbau dient wie zuletzt als Briefwahlstelle. Zu mehr taugt das Gebäude nach Einschätzung der Verwaltung nicht mehr.

Klaus Müller: „Es gibt einen klaren Ratsbeschluss, den Saalbau nicht mehr als öffentlichen Veranstaltungssaal zu nutzen.“ Man habe bis Mitte der 2010er-Jahre immer dafür gesorgt, dass alles funktioniert. „Nicht mehr und nicht weniger“, so der Technische Beigeordnete.

Im Keller des Saalbaus befindet die Haustechnik. Die Lüftungsanlage stammt aus dem Jahr 1979, in dem Jahr wurde der Saalbau erbaut.
Im Keller des Saalbaus befindet die Haustechnik. Die Lüftungsanlage stammt aus dem Jahr 1979, in dem Jahr wurde der Saalbau erbaut. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Heißt: Wenn etwas defekt war, wurde es repariert oder instandgesetzt. So wie heute fehlte auch schon früher für Investionen das nötige Geld. „Um langfristig zu sanieren, hatten wir keine Mittel“, sagt Klaus Müller.

Theoretisch könnte der Ratsbeschluss zum Saalbau-Abriss vonseiten der Politik bei entsprechender Mehrheit aufgehoben werden. Nur erstens müsste man dann für eine Sanierung viel Geld in die Hand nehmen. Grob geschätzt würden die Kosten laut Verwaltung bei knapp zehn Millionen Euro liegen. Und zweitens hat die Bezirksregierung Münster bei solchen Maßnahmen ein Wörtchen mitzureden.

Städtebauförderung soll finanziell den Abriss fördern

Erst vor wenigen Tagen ist das Haushaltssicherungskonzept der Stadt von der Bezirksregierung genehmigt worden. Zum Jahr 2034 soll der städtische Haushalt wieder ausgeglichen sein. Klaus Müller kann sich nicht vorstellen, dass für eine millionenteure Saalbau-Sanierung eigens Geld bereitgestellt werden würde.

Vielmehr soll die Städtebauförderung des Bundes helfen. Der Innenhof des Rathauses und die Fläche des Saalbaus sollen umgestaltet werden. Unter anderem sind neue Parkplätze und Grünflächen geplant. Der Antrag sei im Herbst des vergangenen Jahres, so Müller, eingereicht worden.

Den Abriss des Saalbaus will die Verwaltung bei einer nahezu leeren Stadtkasse nicht alleine bezahlen. Man hofft deshalb auf Finanzspritzen. „Der reine Abriss des Saalbaus ist nicht förderfähig“, so der Beigeordnete. Der Abriss sei nur förderfähig, wenn die Fläche im Sinne der Städtebauförderung auch aufgewertet wird – wie eben jene geplante Schaffung von Grünzonen in der Innenstadt aus Gründen des Klimaschutzes.

Heißt konkret: Einen Teil des Saalbau-Abrisses wird dann mit Geld gefördert. Eine Antwort gibt es laut Müller noch nicht. Er hofft auf eine Rückmeldung, „ob man förderfähig ist, noch im Laufe dieses Jahres“. Der Abriss des Saalbau dauert also weiter an.