Bottrop. Sechs Tage lang hat sich der Vestische-Chef selbst ans Bus-Steuer gesetzt. Was er gelernt hat und was er zu den Bottroper Fahrgastzahlen sagt.
Sechs Tage lang hat Martin Schmidt am Bus-Steuer gesessen. Der Geschäftsführer der Vestische Straßenbahnen GmbH wollte aus erster Hand erleben, wie sich der Alltag darstellt für seine Busfahrer, welche technischen Tücken im Verkehr lauern. Er hat sich aber auch gefreut über die wachsende Nachfrage im Nahverkehr, nicht nur in Bottrop. Dass der auch seine Schattenseiten haben kann, hat er am letzten Tag erlebt. Da hat ihm sein Fahrdienstleiter ein Kontrastprogramm zusammengestellt: Stress pur auf einer der meistfrequentierten Linien, gerade vor Weihnachten. Zur Belohnung bekam er danach Erholung pur.
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18.38 Uhr am Busbahnhof ZOB. Auf die Minute pünktlich ist Schmidt eine Stunde zuvor gestartet, um eine geballte Busladung nach Oberhausen zum Centro und zum Bero-Center zu chauffieren. Sein Verkehrsplaner Kai Schürholz, selbst regelmäßig als Busfahrer im Einsatz, sagt ihm die Strecke an: Da wird es eng, diese Haltestelle ist schlecht zu sehen, dieser Kurvenradius ist fies. Auch auf dem Rückweg nach Bottrop war der Vestische-Chef exakt im Fahrplan - bis eine Tür klemmte. Drei Minuten Verspätung hat das gekostet.
So wurde Martin Schmidt zum bestbezahlten Busfahrer der Vestischen
So kommt er etwas später in den Pausenraum an der Horster Straße zum Erzählen, wieso er eigentlich der bestbezahlte Busfahrer Bottrops geworden ist. Es war nicht gerade eine Schnapsidee, aber ein klein wenig Alkohol war doch im Spiel bei einer Klausurtagung gemeinsam mit dem Betriebsrat, als ein „Servicetag“ besprochen: Alle Mitarbeiter aus Büros und Werkstätten sollten einen Tag direkten Kontakt zu den Fahrgästen suchen.
Hinten im Bus sitzen und mit den Fahrgästen plaudern könne ja jeder, wurde Schmidt da von der Seite angepflaumt. Aber selbst am Steuer sitzen, das sei ja etwas völlig Anders. Wer dann genau welche Idee hatte, erinnert Martin Schmidt nicht mehr so genau. Aber: „Ein paar Tage später saß ich schon beim Betriebsarzt und habe halb gehofft, dass der mich als Busfahrer untauglich schreibt. Hat er aber nicht.“
„Am Anfang ist man froh, dass man den Weg findet und die Haltestelle.“
Also hat Schmidt, weil er einst bei der Bundeswehr schon den Lkw-Führerschein gemacht hat, verkürzten Fahrunterricht genommen: „Die 25. Fahrstunde war schon die Prüfung.“ Natürlich hat die Vestische ihren Chef vor dem ersten echten Einsatz weiter geschult und ihm Kai Schürholz als Lotsen mitgegeben. Das war auch gut so, sagt Schmidt: „Am Anfang ist man froh, wenn man den Weg findet und die Haltestelle.“
Was nimmt der Chef mit aus den sechs Tagen auf dem Bock? Viele kleine Fragen wie: „Warum können wir die dritte Tür nicht auf Knopfdruck schließen?“ Weil die letzte Tür im Gelenkbus eben auf Automatik läuft. Oder: „Von den 330 Vorrangschaltungen an Ampeln in unserem Gebiet funktioniert gefühlt die Hälfte nicht. Das liegt aber auch daran, dass die Fahrer Fehler machen.“ Und: Der Busbahnhof in Bottrop ist eine ziemlich enge Kiste.“ Aber er freut sich auch über die Akzeptanz unter den Autofahrern: „Wenn wir links blinken, bremsen neun von zehn Autofahrer für uns.“
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Vestische hat Zahl der Fahrgäste auf 110 Prozent erhöht
Vor allem aber freut sich Schmidt über wieder mehr Fahrgäste vor allem durch das Deutschlandticket. Pressesprecher Christoph van Bürk hat dazu die frischen Zahlen: „2024 haben wir im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Fahrgäste auf 110 Prozent erhöht - bei nur 95 Prozent der gefahrenen Kilometer.“ Wegen akuten Fahrermangels fährt die Vestische noch bis zum Fahrplanwechsel am 7. Januar den „Stabilisierungsfahrplan“ mit einigen ausgedünnten Linien.
Der Fahrplanwechsel soll nicht nur wieder mehr Fahrten bringen, sondern auch mehr Pünktlichkeit. Vor allem auf der Problemlinie SB 16 zwischen Essen und Kirchhellen. Unterwegs stehen die Busse nicht nur im Ebel-Stau, sondern auch vor der Großbaustelle am Essener Hauptbahnhof für die neue Straßenbahnlinie. Hier erspart der neue Fahrplan den Buslenkern eine stau-trächtige Schleife: Von Berliner Platz rollen die Busse dann geradeaus durch über die Hindenburgstraße bis zum Hauptbahnhof - und stehen dort auch gleich an der richtigen Haltestelle für die Rückfahrt.
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Viele kleine und größere Verbesserungsvorschläge bringt der Vestische-Chef mit aus seinen sechs Fahrertagen. Sie enden mit einem Entspannungsprogramm: Nach dem Stress auf dem SB91 darf Schmidt austrudeln auf der Linie 267 nach Kirchhellen. Nach dem Start am ZOB und einer Linkskurve lehnt Lotse Kai Schürholz sich zurück und sagt: „Für die nächste Viertelstunde geht es nur noch geradeaus.“