Oberhausen. Sechs Jahre nach der Wahl des Oberhausener Rates, fünf Jahre nach der Oberbürgermeister-Wahl ziehen wir Bilanz. Zweiter Teil: Die Baustellen.
Die vergangenen sechs Jahre seit der letzten Kommunalwahl im Mai 2014 waren insgesamt betrachtet zwar gute Jahre für Oberhausen, doch viele schon lange andauernde Problembereiche blieben, verstärkten sich oder wurden nur halbherzig angegangen. Der neue Rat und der frisch gewählte Oberbürgermeister mit seiner Beigeordneten-Schar müssen in der kommenden Wahlperiode von fünf Jahren wichtige Felder beackern, um die Lebensqualität der Oberhausener zu verbessern. Hier aus unserer Sicht ein Überblick über die drängenden Zukunftsaufgaben und die Themen der Sechs-Jahres-Bilanz, die noch zu lösen sind.
Mehr Arbeitsplätze
So lobenswert Investitionen von Logistikunternehmen wie Edeka und Segro auf ehemaligen Gewerbebrachflächen mit ihren Arbeitsplätzen sind, so sehr fällt auf, dass die freien Flächen für Mittelständler und Kleinunternehmer zur Neige gehen und pfiffige Büro-Gemeinschaften für Existenzgründer fehlen. Insofern könnte sich der Verkauf des Technologiezentrums Umwelt TZU an die Volksbank Rhein-Ruhr als strategisch falsch erweisen.
Die Wirtschaftsförderung muss sich stärker auf die Wachstumspotenziale, auf die Wünsche der regionalen Unternehmen vor Ort konzentrieren. Sie muss mit ihren Ideen, wie sich Oberhausen weiterentwickeln kann, an die Öffentlichkeit treten. Sie sollte versuchen, Unternehmen mit attraktiven Unterhaltungskonzepten nach Oberhausen zu locken, die den Ruf Oberhausens als Ruhrgebiets-Hauptstadt für Freizeitspaß und Tourismus untermauern – erst recht, weil Stage Entertainment seine Musicals im Metronom-Theater eingestellt hat. Und sie sollte Start-ups ermutigen und durch den Bürokratie-Dschungel führen. Wirtschaftsförderer in Bochum oder Dortmund sind personell deutlich stärker aufgestellt, um all die Aufgaben zu bewältigen – vielleicht ist das auch hier nötig.
Visionen entwickeln
Oberhausen hat sich nach jahrzehntelanger Sparpolitik dermaßen auf Zwergenmaß eingestellt, dass sich keiner mehr an Visionen heranwagt. Selbst in den Kommunalwahlprogrammen sucht man nach wegweisenden Konzepten vergeblich, am ehesten trauen sich dies die Christdemokraten mit ihrer Central-Park-Idee und die Linken mit ihrer Forderung nach kostenlosem Nahverkehr noch zu.
Warum baut Oberhausen nicht die modernste digitalisierte Schule des Ruhrgebiets? Warum ist die Stadtverwaltung nicht so ehrgeizig, der am besten digitalisierte Vorzeige-Dienstleister der Region für Bürger zu werden?
Digitalisierte Schulen
Die Gemeindeprüfungsanstalt bemängelte die wenig digitalisierte Welt der gut 60 Schul-Immobilien der Stadt: Kein WLAN, veraltete Computer, langsame Internetleitungen. Das war 2013/14. Im Sommer 2014 setzte die Stadt viele Arbeitsstunden ein, um den digitalen Bedarf der Schulen zu ermitteln.
Erst jetzt, nach einem Hin und Her von Fördertöpfen und Konzepten, also sechs Jahre später, ist die erste Grundschule ans Glasfasernetz angeschlossen worden. Wenn das in der Geschwindigkeit so weitergeht, hat die letzte Schule erst in 360 Jahren zügiges Internet und WLAN. Aber versprochen ist: Es geht jetzt Monat für Monat Schlag auf Schlag weiter mit dem Glasfaseranschluss der Schulen.
Digitalisierte Verwaltung
Im Rathaus sind einige Beamte schon glücklich darüber, dass sie nun den Bürgern anbieten können, dass diese per Internet Termine in den Bezirksverwaltungsstellen ausmachen können. Sprach Dezernent Jürgen Schmidt schon 2014 von zügig online zu bearbeitenden Bauanträgen, heißt es auf der ziemlich unübersichtlichen Internet-Seite der Stadt www.oberhausen.de noch heute zum Bauantrag: „Die gesetzlich eingeführten Formblätter erhalten Sie in der Registratur.“
Baustellen
Es ist ja schön, wenn Oberhausen nach vielen Jahren Durststrecke nun bei Investitionen in die Infrastruktur aufgeholt hat. Doch bemerkenswert für die meisten Bürger ist, wie viele Baustellen gleichzeitig wichtige Verbindungsstraßen blockieren, wie oft die gleiche Straßen immer wieder wegen Bauarbeiten gesperrt werden.
Oberhausen hat ein erhebliches Problem, Baustellen zu koordinieren. Das liegt zwar auch daran, dass sehr unterschiedliche Behörden Straßen-, Kanal- und Leitungsarbeiten erledigen, die sich nach ersten Termin-Absprachen auch noch unkalkulierbar verschieben, doch hier muss die Leistung verbessert werden.
Kindergarten-Plätze
Da mag die Stadt sich in den vergangenen Jahren immer wieder die Lage schön rechnen und hohe Versorgungsquoten angeben. Tatsache ist: In Oberhausen fehlen viele hundert Kita-Plätze. Im Vergleich zu den anderen NRW-Kommunen steht die Stadt bei der Betreuung der Über-Dreijährigen ziemlich schlecht da. Sich darauf einzustellen, dass Oberhausen nach vielen Jahren falscher Schrumpfungs-Prognosen tatsächlich an Einwohnern zulegt, hat viel zu lange gedauert. Es wurden zu wenige Kitas gebaut – und zudem dauerten die Baugenehmigungen dafür zu lange.
Schulpolitik
Eigentlich weiß man ja ziemlich gut, wie viele Schüler in sechs Jahren eingeschult werden - und nach zehn Jahren eine weiterführende Schule besuchen werden. Zudem hat Oberhausen seit vielen Jahren Gymnasien, die schulform-typisch Schüler hart aussortiert – bis zu 200 Schüler pro Jahr.
Doch wohin sollen diese? Oberhausen hat zunächst die Hauptschulen 2013/14 schrittweise abgeschafft, aber keine Lösung vorbereitet, wohin die ehemaligen Hauptschüler sollen. Erst jetzt hat man sich entschlossen, in den nächsten Jahren eine neue Gesamtschule zu bauen – plötzlich entdeckte man, dass Oberhausen viel mehr Schüler zu erwarten hat als bisher kalkuliert.
Öffentlicher Nahverkehr
Als der Bund in der heißen Klimawandel-Diskussionsphase mit zweistelligen Millionengeldern eine Modellstadt suchte, die kostenlosen Nahverkehr anbietet, duckte sich auch Oberhausen weg: Geht nicht, praktisch nicht umsetzbar! Dabei hat der Erfolg des Vier-Euro-Tickets als Oberhausener Spezialität gezeigt, dass der Preis ein entscheidendes Kriterium für Bürger ist, ob sie Busse und Bahnen nutzen. Der Nahverkehr muss deutlich billiger werden, die Takt- und Fahrtzeiten zwischen zentralen Punkten im Stadtgebiet deutlich schneller. Regionale Querverbindungen in die Nachbarstädte müssen ausgebaut werden; als erstes natürlich die Straßenbahn-Verlängerung von Essen-Frintrop zum Centro – und das möglichst schnell.
Kulturmarketing
Diese Lücke ist den Verantwortlichen schon lange bekannt: Obwohl Oberhausen mit seiner kreativen Kultur-, Kunst- und Freizeitszene eine dickes Pfund im Wettbewerb um die beste Lebensqualität mit anderen Städten hat, gibt es kein zentral koordiniertes Kulturmarketing in der Stadt. Jeder einzelne Veranstalter wurschtelt sich seine Öffentlichkeitsarbeit zusammen, jedes Museum hofft darauf, dass ein paar Centro-Besucher den Weg zur Industriekultur und zum Schloss mehr zufällig findet.
Weder gibt es ein anständiges Wegweiser-Netz in der Stadt von Kulturpunkt zu Kulturpunkt noch einen kompletten Freizeitkalender noch gebündelte überregionale Werbung für die Freizeit- und Unterhaltungs-Hauptstadt des Ruhrgebiets mit all seinen Festivals, Schlagerevents, Jazz-Konzerten und New-Wave-Abenden.
Radwegenetz
Die Radwege in Oberhausen sind dank Hoag-Trasse und Co. nicht so schlecht wie es mancher engagierte Radlobbyist malt – zumindest für Freizeittouren. Für Pendler muss man noch kräftig nachlegen. Doch dafür fehlt ein geschlossenes Konzept über die nächsten fünf Jahre, wo wann wie nach welchem Standard Radwege angelegt oder renoviert werden. Der eine kümmert sich um den Hiberniadamm, der andere will die Radschnellwege durchs Ruhrgebiet gar nicht anbinden, der nächste feiert eine grüne Welle an 22 Punkten für Radler.
Es ist zudem ein Unding, dass Radler durch die Stadt fahren, der Radweg abrupt endet und keiner mehr weiß, wo er denn nun lang fahren kann.
Rat muss Stadt mehr kontrollieren
Wie lange dauert die Genehmigung von Bauvorhaben? Was ist aus den Ratsbeschlüssen des vergangenen Jahres geworden? Warum müssen wirklich für einen Neubau 100.000 Euro mehr ausgegeben werden? Wie sind die Fortschritte, den städtischen Service für Bürger zu verbessern?
Der Rat kontrolliert bisher oft zu schwach die Arbeit der Stadtverwaltung. Die Politiker müssen künftig mehr als bisher nachhaken. Offen gesteht der Oberbürgermeister-Kandidat der Grünen, Norbert Axt, ein: „Wenn der Rat bestimmte Vorhaben beschließt, dann sind schon einige irgendwo im Rathaus versackt.“ Das darf nicht so sein. Die Kontrolle ist nicht einfach, weil den Profis im Rathaus nur 60 ehrenamtlich tätige Freizeitpolitiker als Vertreter der Bürgerschaft gegenüber stehen, aber hier muss der Rat trotzdem leistungsfähiger sein.
Grund- und Gewerbesteuern
Oberhausen nimmt von seinen Unternehmern immer noch die höchsten Steuersätze, die Grundsteuer liegt im oberen Spitzenfeld aller NRW-Städte. Die finanziellen Zwänge sind zwar groß, aber hier muss der politische Druck aufs Land erhöht werden: Es darf nicht sein, dass Bürger in armen Städten die höchsten Steuern und Gebühren zahlen müssen – bei dem gleichzeitig schwächsten Netz an öffentlichen Angeboten. Im Wahlkampf 2015 hatte Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) zwar die Senkung beider Steuerarten versprochen, doch dies nicht verwirklichen können – auch wegen der Flüchtlingskrise, nun wegen Corona. Geplant war die Reduzierung der Steuerlast im Jahr 2022.
Sauberkeit
Nach Ordnungsoffensiven in allen drei Stadtteilen, spektakulärer Säuberungsaktion mit einer Spezialmaschine in der City, mehr Mülleimern und häufigeren Reinigungsintervallen zeigt die Befragung von Oberhausenern durch die Funke-Mediengruppe: Sie gaben der Sauberkeit in ihren Vierteln nur die Schulnote Drei minus. Die Stadt muss also noch kräftig nachlegen.
Innenstadt/Marktstraße
Jobcenter mit Dachgarten, Hotel statt Kaufhof-Ruine, Polizei-Wache statt leeres Geschäft, Investitionen in Lebensmittelmarkt, Sportgeschäft und Bäckerei – auf der Marktstraße hat sich zwar einiges getan, aber das reicht bei weitem nicht.
Der schöne Altmarkt verdient ein Kultur-, Kneipen- und Café-Zentrum zu werden, die offenporige und schnell wieder verdreckte Pflasterung der Marktstraße muss erneuert werden, die Marktstraße muss drastisch verkürzt, Teile der oberen Marktstraße könnten mit origineller Bepflanzung als grüne City-Oase zum Lieblings-Aufenthaltsort der Bewohner werden. Zwar wird über die Innenstadt viel geredet, doch ein geschlossenes Konzept fehlt.