Oberhausen. Oberhausen hat bald zu wenig Plätze an weiterführenden Schulen: Die Verwaltung will deshalb für 61 Millionen Euro eine neue Gesamtschule bauen.
Oberhausen soll eine fünfte Gesamtschule im Stadtsüden bekommen. Für rund 61 Millionen Euro soll die neue Schule für jeweils sechs Klassen pro Jahrgang am alten Standort der Hauptschule St. Michael gebaut werden; das alte Hauptschulgebäude wird abgerissen. Gleichzeitig soll die Gesamtschule Weierheide wachsen: Für rund 25 Millionen Euro soll die Schule an ihrem Standort in Schwarze Heide erweitert werden, um künftig statt bisher nur vier Klassen sechs pro Jahrgang aufnehmen zu können. So lauten die Vorschläge, die die Schulverwaltung jetzt dem Schulausschuss vorstellte – über die allerdings erst der neue Rat nach der Kommunalwahl am 13. September entscheiden wird.
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Die Empfehlungen aus dem Rathaus, die ein ganzes Bündel an Problemen der Oberhausener Schullandschaft lösen sollen, haben eine lange Vorgeschichte: Im Dezember 2017 hatte der Rat die Schulverwaltung mit einer „anlassbezogenen Schulentwicklungsplanung“ beauftragt. Sprich: Zu prüfen, ob Oberhausen eine neue Schule braucht und wenn ja, welche.
Gesamtschulen erreichen Kapazitätsgrenzen
Ausgangspunkt war damals die wachsende Zahl an Schulformwechslern: Schüler, die nach der Erprobungsstufe an Gymnasien und Realschulen, also nach der Klasse sechs, wegen mangelnder Leistungen diese Schulformen verlassen müssen und einen Platz an einer Gesamtschule benötigen. Eine Hauptschule gibt es in Oberhausen seit 2018 nicht mehr, als die in Alstaden nach dem Willen des Rates endgültig ihre Pforten schloss. Die Folge: Die vier Gesamtschulen im Stadtgebiet geraten ab der Klasse sieben an ihre Kapazitätsgrenzen. Um Platz im System zu schaffen, werden die Klassen überbelegt. Eine andere befristete Notlösung: An den drei Realschulen ist es seit dem Schuljahr 2019/20 nach dem Paragrafen 132c des NRW-Schulgesetzes möglich, auch Hauptschulabschlüsse zu machen.
Eine neue Schule würde diesen Schülern also Platz bieten. Doch sowohl die Schulverwaltung als auch die Schulpolitiker kamen schnell zu dem Standpunkt, dass es nicht pädagogisch sinnvoll wäre, eine Schule nur für Schulformwechsler aufzubauen, zumal einer solchen Einrichtung in Klasse fünf die Schüler fehlen würden. Zwischendurch hatten die Schulexperten im Rathaus auch mal den Vorschlag gemacht, ein Oberhausener Gymnasium zu einer Gesamtschule umzuwandeln. Davon ist jetzt keine Rede mehr.
Im Stadtsüden fehlen die Schulplätze
Die neue Analyse der Schulverwaltung geht von steigenden Schülerzahlen aus. Eine neue Schule ist demnach notwendig, um genügend Schulplätze in Oberhausen in der Sekundarstufe I anbieten zu können: Die Stadt erwartet nun 1746 Fünftklässler im Schuljahr 2021/22, danach sollen die Schülerzahlen stetig wachsen – auf 1991 Schüler im Schuljahr 2027/28. Spätestens ab dem Schuljahr 2024/25 bestehe das Risiko, dass Engpässe beim Übergang zu weiterführenden Schulen drohen. „Wir kommen nicht darum herum, eine neue Schule zu bauen“, sagte Schulentwicklungsplaner Björn Hermstein vor dem Schulausschuss. „Die Zeit drängt, die Schüler sind da.“ Da es nur eine Gesamtschule im Süden gibt (die Fasia Jansen), fehlen hier die Plätze.
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Die Schulform „Gesamtschule“ schlägt die Schulverwaltung vor, weil diese am besten geeignet sei, die Probleme in Oberhausen zu lösen – im Gegensatz zu einer neuen Realschule: Eine Gesamtschule vermittelt alle Bildungsabschlüsse (auch den Hauptschulabschluss). Es gebe ein erhebliches rechnerisches Gesamtschüler-Potenzial. Eine Gesamtschule verursache selbst keine Schulformwechsler, könne aber welche aufnehmen. Gesamtschulen komme eine wichtige Rolle bei der Förderung von zugewanderten Schülern, Seiteneinsteigern und Schülern mit besonderem Förderbedarf zu (Inklusion).
Durch eine neue Gesamtschule, die auch leistungsstarken Schülern Platz böte, die jetzt beispielsweise zur Willy-Brandt-Gesamtschule nach Mülheim abwandern, würde die Durchmischung der Schülerschaft an den Gesamtschulen insgesamt verbessert. Denn derzeit sei diese Durchmischung ungünstig, weil der Anteil der Schüler mit Hauptschulempfehlungen zu groß sei.
Bezirksregierung will eine Gesamtschule
Auch die Schulaufsicht befürwortet eine neue Gesamtschule für Oberhausen. „Eine neue Realschule würde das Problem verschärfen“, urteilte Karin Büschenfeld von der Bezirksregierung Düsseldorf im Schulausschuss. „Denn eine Realschule würde wieder dazu führen, dass es Schulformwechsler gibt.“
Die bisher vierzügige Gesamtschule Weierheide soll nach dem Willen der Schulverwaltung erweitert werden, weil es in den vergangenen Jahren „die gefragteste Schule im Bereich der Sekundarstufe I in Oberhausen“ ist. So trage man der Nachfrage von Eltern und Schülern Rechnung. Beide Projekte, so die Schulverwaltung, sollten spätestens bis zum Schuljahr 2025/26 umgesetzt sein.
Schulverwaltung, Bezirksregierung und auch Vertreter der Schulen scheinen sich also einig zu sein: Sie wollen eine neue Gesamtschule. Denn so lautet auch das Votum der „Arbeitsgruppe anlassbezogene Schulentwicklungsplanung“, in der diese Gruppen vertreten sind. Allerdings nicht die Politik – und die zeigte sich erwartungsgemäß im Schulausschuss uneins über den Weg, den Oberhausen mit einer neuen Schule gehen soll.
Neuer Rat soll über die neue Schule am Jahresende 2020 entscheiden
Dabei werden die Mitglieder des jetzigen Schulausschuss und Rates nicht mehr darüber entscheiden, ob es tatsächlich eine neue Gesamtschule gibt. Der neue Rat soll noch vor Ende des Jahres darüber bestimmen. Andrea-Cora Walter (Bürgerliste) mahnte ihre Ausschuss-Kollegen denn auch, „nicht schulideologisch zu entscheiden, sondern für Oberhausen“.
Die CDU-Fraktion unterstützt die neue Gesamtschule jedenfalls nicht. „Wir werben weiter dafür, einen Standort für eine neue Realschule zu prüfen“, sagte Christian Benter (CDU). Die Analyse zeige doch, dass das System Gesamtschule große Probleme habe (Stichwort fehlende Durchmischung). „Warum das bei einer fünften Gesamtschule funktionieren soll, erschließt sich uns nicht.“ Zudem würden die zusätzlichen Oberstufen-Plätze an einer neuen Gesamtschule gesamtstädtisch nicht gebraucht.
Linke Liste und SPD begrüßten dagegen die Vorschläge als „Schritt in die richtige Richtung“ (David Driever) und „tragfähige Perspektive für die Schullandschaft“ (Kirsten Oberste-Kleinbeck). Letztere machte Benter darauf aufmerksam, dass es auch die CDU gewesen sei, die eine Arbeitsgruppe gefordert habe, nur das deren Ergebnis jetzt eben nicht zu den Vorstellungen der CDU passé. „Ein bemerkenswerter Vorgang.“ Auch Sandra Gödderz (Grüne) sprach sich für eine Gesamtschule aus: „Wir brauchen ein integriertes System, um den Kindern gerecht zu werden.“
Schulabgänger ohne Schulabschluss
Regina Boos (FDP) kritisierte wie Benter die Schlussfolgerung der Stadtverwaltung: „Wenn Gesamtschulen die Antwort auf alle Probleme wären, dann hätten wir keine Schulabgänger ohne Schulabschluss, die haben wir aber.“ Sie plädierte dafür, eine „neue Schulform an den Markt zu bringen“, eine handwerklich orientierte Realschule. Dagegen meinte Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Große Brömer (SPD): „Wir sollten eine Schulform wählen, die alle Abschlüsse ermöglicht.“