Hattingen. Der Hattinger Polizeiskandal sorgt 1988 für Schlagzeilen: Es geht um Bestechung und Betrug, Untreue, sexuellen Missbrauch und eine Dusch-Orgie.

Bestechung, Betrug, Fälschung, Glücksspiel, Konkursdelikt, Untreue und Verstoß gegen das Fernmeldegesetz. Hinzu kommen Geldwäsche und Hehlerei, sexueller Missbrauch und Dusch-Orgien – die Polizei Hattingen muss sich im Jahr 1988 mit einer Reihe von schweren Anschuldigungen auseinandersetzen. Nein, sie muss hierbei nicht ermitteln – Beamte von der Bahnhofstraße sitzen auf der Anklagebank. Es ist der Höhepunkt des Hattinger Polizeiskandals.

Im Mittelpunkt steht der Polizist, den alle nur „Zunge“ rufen

„Sie haben den Ruf der Polizei in der gesamten Bundesrepublik besudelt“, sagt Oberstaatsanwalt Rudolf Hölting im April 1998 während einer der Gerichtsverhandlungen und macht damit unmissverständlich klar, dass Polizeichef Homberg vor einem Scherbenhaufen steht. „Sündenbabel“ wird die Polizeiwache an der Bahnhofstraße genannt.

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Im Mittelpunkt des Skandals steht der Polizist, den seine Kollegen nur „Zunge“ rufen. Ein gestandener Mann, 42, gegen den es auch schon mal Beschwerden gibt, weil er im Dienst andere beleidigt. Gemeinsam mit einem Kollegen kassiert er über Jahre bei Einbrüchen mit ab. Sie wollen ihr Gehalt aufbessern, verschieben hochwer­tige Bekleidungsstücke, etwa Lederjacken und Pelze, Autoradios, Fernseher, Fotoapparate, Uhren, und, und, und.

Schlag auf Schlag kommt immer mehr ans Tageslicht

Als diese Vorwürfe 1988 öffentlich werden, kommt Schlag auf Schlag immer mehr ans Tageslicht:

19. Juli 1987: Ein Beamter, der dienstfrei hat, besucht in Zivil und in Begleitung zweier Frauen die Polizeistation an der Bahnhofstraße. Sie trinken zusammen Kaffee, der Wachhabende und eine dreiköpfige Streifenwagen-Besatzung gesellen sich hinzu. Als der Wachhabende meint, er sei verschwitzt und wolle duschen, schließt sich der Besuch gerne an – gemeinsam erfrischen sie sich auf diese Weise.

Die Kreispolizeibehörde beteuert, dass es beim Duschen geblieben sei, nach Aussage des Polizeichefs war auch kein Alkohol im Spiel.

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20. August 1987: Eine 19-Jährige verbringt wegen eines Drogen­delikts eine „Gratisübernachtung“ (O-Ton) auf der Wache. Hierbei wird sie von einem angetrunkenen Polizeibeamten massiv sexuell belästigt. Er küsst sie, greift ihr unters T-Shirt und zwischen die Beine – zu einer Vergewaltigung sei es aber nicht gekommen, berichtet die Staatsanwaltschaft.

4. November 1987: Zwei Schutzpolizisten fühlen sich nach einem Besuch im Nachtclub „Copacabana“ noch fahrtüchtig – mit 2,36 bzw. 1,87 Promille Alkohol im Blut fahren sie mit ihrem Streifenwagen erst gegen eine Ampel und danach einfach schnell weiter.

„Tipp aus Polizeikreisen­“ löst schließlich die Ermittlungen aus

Die Ermittlungen gegen die Polizisten in Gang setzt schließlich die interne, brodelnde Gerüchteküche – die Staatsanwaltschaft bestätigt „einen Tipp aus Polizeikreisen­“.

Vor Gericht wird von einer „fidelen Polizeistation“ gesprochen. Selbst spricht die Polizei von einer „zufälligen Häufung“.

Die Konsequenzen: Es gibt Versetzungen, Suspendierungen und Verurteilungen für die angeklagten Polizisten. Polizeichef Homberg ist es aber wichtig zu be­tonen, dass die meisten Beamten auf der Hattinger Dienststelle „treu und brav“ ihrer Pflicht nachkämen.

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Bisher sind in der Reihe der Akte Hattingen erschienen: