Hattingen. Ein Mann (26) ist im Mai 1997 das Opfer einer brutalen Bluttat an der Blankensteiner Straße in Hattingen. Die Polizei hat zunächst nur Fragen.

Die Polizei steht im Mai 1997 vor einem Rätsel: Sollte die Tat eine Hinrichtung sein? Sollte das Opfer entführt werden? Spielt der Fall im Drogen- oder im Rotlicht-Milieu? Der Fall wird immer verworrener. Die gute Nachricht: Der 26 Jahre alte Mann, auf den in seiner Wohnung an der Blankensteiner Straße geschossen wurde, ist wohlauf.

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Zwei Männer treten die Wohnungstür ein

Es ist der 23. Mai 1997, kurz nach sieben am Morgen: Zwei Männer treten die Tür der im ersten Stock gelegenen Wohnung ein. Mit Pistole und Messer in den Händen wollen sie Geld. Sie zerren den Bewohner aus dem Bett,m schlagen ihn, versuchen, ihn mit Handschellen an die Heizung zu fesseln. Immer wieder drohen sie ihm mit Entführung.

Polizei vor Ort: In diesem Haus an der Blankensteiner Straße passierte im Mai 1997 die Gewalttat.
Polizei vor Ort: In diesem Haus an der Blankensteiner Straße passierte im Mai 1997 die Gewalttat. © WAZ | Werner Liesenhoff

Doch der 26-Jährige wehrt sich mit aller Macht. Die Einbrecher werden nervös, zwingen ihr Opfer, vor ihnen niederzuknien. Plötzlich feuert einer der beiden aus der 9mm-Pistole einen Schuss ab – die Kugel durchschlägt den Oberschenkel und bleibt in der Wade stecken. Die anderen Hausbewohner denken, ihr als sportlich angesehner Nachbar habe bei einer Übung eine Hantel fallen lassen.

Die beiden Männer flüchten.

Selbst übers Handy die Polizei alarmiert

Blutüberströmt schleppt sich der Schwerverletzte in den Flur, alarmiert selbst übers Handy die Polizei. Die Fahndung bleibt bis zum Abend erfolglos.

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Nach und nach versuchen die Ermittler den Fall zu entwirren – was sie schnell herausfinden: Das Opfer hat ein halbes Jahr lang eine Altstadtkneipe geführt, von daher kannte er die Täter. Im Krankenbett erzählt er der Kripo, dass die beiden während dieser Zeit auf ihn zugekommen seien, weil sie die Wohnung über der Kneipe für Geschäfte nutzen wollten. Drogen? Frauen? Das will er nicht verraten.

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Er sagt dem Duo erst zu – und dann wieder ab. So etwas wird im Milieu jedoch nicht verziehen. Sie verlangen 5000 Mark „Schadenersatz“ – doch P. zahlt nicht. Er wird bedroht und gibt seine Kneipe wieder ab. Er jobbt als Küchenhilfe und Elektroinstallateur.

Monate später stehen sie vor seinem Bett

Monate später stehen die beiden plötzlich vor seinem Bett. „Sie wollten mich verschleppen“, sagt er gegenüber der WAZ. Als er dann die Pistole sieht, „hatte ich mit dem Leben abgeschlossen“. Doch der ehemalige Boxer ist immer noch gut trainiert und wehrt sich heftig. „Ich glaube, das hat mir das Leben gerettet.“ Dass der Schuss „nur sein Bein durchschlagen“ habe, bezeichnet er als Glücksfall.

Der Polizei nennt er die Namen der beiden Täter.

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Mit einer ungewohnt offensiven Öffentlichkeitsfahndung geht es weiter: Die Ermittler suchen schon am zweiten Tag mit Fotos und vollem Namen nach den Männern, die aus Hattingen kommen und seit Jahren polizeibekannt sind. Sie haben ein ellenlanges Vorstrafenregister (Gewalt, Einbruch, Drogen). Die Polizei schätzt sie als „extrem gefährlich und bewaffnet“ ein.

2000 Mark Belohnung werden für Hinweise nach dieser brutalen Bluttat ausgesetzt

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Täter stellen sich freiwillig

Fünf Tage nach der Tat endet die Fahndung: Ein Hattinger Rechtsanwalt kündigt gegenüber der Staatsanwaltschaft an, dass sich die beiden Täter (41 und 31) stellen. Um 13.50 Uhr erscheinen sie dann auch im Essener Justizgebäude.

„Aus Angst, vom SEK festgenommen zu werden“ hätten sie sich gestellt. Sie kommen sofort in verschiedene Gefängnisse.

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