Hattingen. Alarm! Chlorgas-Unfall in Hattingen: 50 Menschen kommen mit Atemwegsreizungen ins Krankenhaus. Das war der Grund am Schulzentrum Holthausen.
Plötzlich liegt ein bestialischer Gestank in der Luft. Über dem Schulzentrum in Holthausen setzt sich eine Art Nebel fest, die Anwohner sind alarmiert – Einsatzkräfte auch. 50 Menschen, darunter fünf Kinder, kommen ins Krankenhaus. Tausende Bürger werden in Atem gehalten. Giftalarm am frühen Morgen des 19. April 1999!
„Ich hab’ gedacht, die hätten den Chemieraum in die Luft gesprengt“, sagt eine Anwohnerin gegenüber der WAZ. Sofort hat sie ihren neunjährigen Sohn in die Wohnung geholt. „Bei uns in der Diele hat es wie im Schwimmbad gerochen“, berichtet eine andere.
Maschinist will auf Routinerunde eine Chlorgasflasche wechseln
Es ist 7.15 Uhr. Ein Mitarbeiter der Stadtwerke, die das Hallenbad im Schulzentrum betreiben, ist auf einer Routinerunde. Im Keller will er eine 60-Liter-Chlorgasflasche auswechseln, damit das Wasser weiterhin keimfrei ist. Plötzlich aber strömt das Gas als giftige Wolke ins Freie – nur wenige Minuten vor Unterrichtsbeginn, etwa 900 Schüler sind schon im und am Gebäude.
Großalarm!
Die Sirenen heulen, mit einem Megafon werden die Schüler aufgefordert, ins Gebäude zu rennen. Um 7.21 Uhr ist die Feuerwehr da. 38 Einsatzkräfte. Spezialisten in knallgrünen Säureschutz-Anzügen drehen die Gasflasche ab – doch das Gas strömt weiter aus!
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Die Polizei sperrt die Zufahrten ab, das Gewerbegebiet Ludwigstal ist vom Verkehr abgeschnitten. Schnell breitet sich der beißende Chlorgeruch aus. Hubschrauber kreisen über dem Schulzentrum. Sie wollen herausfinden, in welche Richtung der Wind die 300 mal 400 Meter große Giftwolke bläst.
Betriebe werden aufgefordert, ihre Lüftungen abzuschalten, Anwohner sollen im Haus bleiben und in die oberen Stockwerke gehen. Denn: Chlor ist schwerer als Luft!
Immer mehr Personen in Holthausen klagen über Beschwerden
Atembeschwerden. Röcheln. Übelkeit. Immer mehr Personen klagen über Beschwerden, werden erstbehandelt, dann ins Krankenhaus gefahren. Die Kinder drücken sich in den Klassenräumen die Nasen an den Fensterscheiben platt. Der Unterricht soll weitergehen – so weit es denn geht.
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Immer mehr Eltern durchbrechen inzwischen die Absperrungen. Sie fahren vor, sammeln ihre Kinder ein und fahren wieder weg. Einige richten einen Pendeldienst ein. Dutzende Schüler verlassen so das Schulgebäude.
Lokalradio gibt eine Stunde zu früh Entwarnung
Von Entwarnung, wie es das Lokalradio gegen 11 Uhr inoffiziell verkündet, kann keine Rede sein. Es strömt kein Gas mehr aus, aber noch immer verfolgt die Feuerwehr die Wolke, die sich offenbar langsam über dem Ludwigstal absenkt. „Wir hatten großes Glück, dass die Wolke nicht in einem Wohngebiet niedergegangen ist“, sagt Polizeichef Klaus Börkei später.
Erst um Punkt 12 Uhr wird der Alarm aufgehoben. Die Giftwolke habe sich verflüchtigt, es bestehe keine Gefahr mehr.
Zwei Monate später wird ein 45-Seiten-Gutachten veröffentlicht
Gutachter vom TÜV überprüfen die Gasflasche, Staatsanwalt Hans-Christian Gutjahr ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung. Deshalb wird die Flasche sichergestellt.
Zwei Monate später wird ein 45 Seiten starkes Gutachten veröffentlicht. „Der Austritt wurde dadurch hervorgerufen, dass sich der Bediener in einem Irrtum über den Zustand der Anlage befand“, heißt es. Denn Mängel wurden keine festgestellt – jedoch stimmt die Betriebsanleitung nicht mit der vorhandenen Anlage überein. „Wesentliche Teile sind nicht aufgeführt!“
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Der Maschinist hat in einem Tableau zwei leuchtende rote Lampen gesehen. „Daraus schloss er, dass beide Chlorgasflaschen leer sein müssten“, so die Experten. Irrtum: Die zweite Flasche war voll – aber zugedreht. Warum, weiß keiner. Der Mann dreht das Ventil in falscher Richtung von Anschlag zu Anschlag – auf, und nicht wie von ihm vermutet, zu. Ein fataler Fehler!
>>> CHLORGAS-ALARM IM ORTHO-MOBILE
Alarm im Ortho-Mobile: Sieben Personen müssen ins Krankenhaus gebracht, 200 Menschen evakuiert und in eine Turnhalle gebracht werden – ist es ein Chlorgas-Unfall?
Gegen Mittag dieses 15. Juli 2015 bemerken die Ersten im ambulanten Reha-Zentrum üblen Geruch. Zwei Patienten klagen plötzlich über Atemwegsbeschwerden, bei Mitarbeitern verschlechtert sich der Allgemeinzustand.
Schnell sind 150 Einsatzkräfte vor Ort. Die August-Bebel-Straße muss gesperrt werden, Verkehrschaos ist die logische Folge. Die Feuerwehr kommt mit Spezialkräften zu diesem ABC-Einsatz, Helfer bringen die 200 Menschen, die sich noch im Gebäude befinden, zunächst ins Freie und dann in die Turnhalle Bismarckstraße.
In luftdichten Spezialanzügen werden die Räume untersucht
Sind tatsächlich gefährliche Stoffe ausgetreten? Einsatzkräfte in luftdichten Spezialanzügen untersuchen die Räume und führen Messungen durch. „Ein Problem ist, dass wir nicht wissen, welche Stoffe ausgetreten sein könnten“, sagt Feuerwehrsprecher Jens Herkströter. Denn für jeden Stoff gebe es eine unterschiedliche Messmethode.
Das Ergebnis der Messungen: keins! Auch das Schwimmbad des Ortho-Mobile sei technisch einwandfrei, heißt es. Gegen 18 Uhr schließt die Feuerwehr ihre Arbeit ab – keine Gefahrstoffe gefunden!
Was die Reizungen ausgelöst hat, bleibt unklar.
Bisher sind in der Reihe der Akte Hattingen erschienen:
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