Hattingen. Chlornitrobenzol wurde auf einem Schrottplatz in Hattingen ungesichert gelagert – die Anwohner in Niederbonsfeld haben Angst um ihre Gesundheit.
ABC-Alarm in Niederbonsfeld: Zufällig entdecken Stadtbeamte rund 23 Tonnen des hochgiftigen Verbrennungsrückstandes Chlornitrobenzol auf einem alten Schrottplatz in Niederbonsfeld – mindestens 15 Jahre lang wurde der Giftmüll hier unbeachtet und ungesichert gelagert. Die Anwohner sind entsetzt und haben Angst um ihre Gesundheit.
Süßlicher Marzipanduft zieht übers Schrottplatz-Gelände
Im April 1981 liegt ein süßlicher Marzipanduft über dem Schrottplatz, doch dieser angenehme Geruch täuscht. Denn etwa 70 Feuerwehrleute leisten Schwerstarbeit, jeder einzelne steckt in einem dicken Spezialanzug, ist ausgestattet mit einem Atem-, Säure- und Gasschutz. Beobachter vergleichen die Aktion mit einer Mars-Mission.
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Nach einer halben Stunde kommt die Ablösung, länger lässt es sich in dieser futuristischen Kleidung nicht aushalten. Gemeinsam verpacken sie das verklumpte Material in rund 500 Plastiksäcke und Papptonnen. In Großcontainer verstaut, werden sie nach Unna gebracht und in einer Spezialanlage vernichtet.
Zeitgleich laufen die Ermittlungen und Untersuchungen, welche Gefahr für Mensch und Tier besteht. Am Tippelbach etwa, in dem einzelne Rückstände festgestellt wurden, was den Skandal erst ans Tageslicht bringt. Es wird geprüft, ob das Grundwasser verseucht ist. Denn eines steht fest: Ein Gramm des Giftstoffs im Magen eines Menschen ist tödlich, auf der Haut ätzt es wie Salzsäure – und in starker Konzentration eingeatmet, kann es zu Schäden der Lunge führen.
Luftproben werden genommen, das Erdreich abgetragen
Luftproben werden genommen. Und das Landwirtschaftsministerium drängt auf eine schnelle Beseitigung von Rückständen. Weil der Stoff bei großer Wärme eine Konsistenz wie Honig annimmt und in den Boden eindringt, wird das Erdreich auf dem gesamten Gelände 40 Zentimeter tief abgetragen.
Entwarnung nach drei Tagen: „Für die Bevölkerung hat keine Gefahr bestanden“, sagt der Technische Dezernent des Ennepe-Ruhr-Kreises, Helmut Wirtz. Dennoch bleibt Bonsfeld in Aufruhr – denn die Ergebnisse spiegeln nur ein Bild der gegenwärtigen Lage wider, nicht aber, was vor fünf, zehn oder zwölf Jahren gewesen ist.
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Bei der Suche nach dem Verursacher wird es für die Behörden schwierig. Denn der Schrottplatz hatte in den vorangegangen Jahren mehrere Besitzer- und Pächter-Wechsel – die aktuellen sagen aus, dass sei vor ihrer Zeit gewesen. Zumindest aber der Fakt, dass Mitte der 1960er-Jahre gleich nebenan eine Verbrennungsanlage für Industriemüll betrieben wurde, lässt sich festhalten.
Gerichtsverfahren beginnt im Dezember 1981
Im Dezember 1981 kommt es dann doch zu einem Gerichtsverfahren. Angeklagt ist Hans Günter H. aus Essen, einer der ehemaligen Pächter des betroffenen Geländes, dem von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird, dass er „fahrlässig unbefugt Stoffe abgelagert, damit das Grundwasser verunreinigt und eine allgemeine Gefährdung herbeigeführt hat“.
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H. gibt zu, dass er auf Bitte des Nachbarn zwei Behälter Industriemüll angenommen hätte. Er schnitt die Metallumwandung ab, um sie zu Geld zu machen, kippte den Inhalt um und ließ „das Zeug liegen“. „Ich hatte doch keine Ahnung, was das ist“, sagt er vor dem Hattinger Schöffengericht. Kinder hätten bei den Behältern gespielt, immer wieder auch Feuer gemacht, erzählt er – passiert ist zum Glück nie etwas.
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Weil es sich bei der Verhandlung jedoch um ein Strafrechtsverfahren handelt und der eigentliche Verursacher nicht mehr ermittelt werden kann, kommt H. unbescholten aus seiner misslichen Situation heraus. Fragen des Schadenersatzes wurden nicht geklärt – auch hierfür fehlt ein Schuldiger.
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